in genau diesem Moment blickte auch er auf. Sie lächelte. Er lächelte zurück, wie er sie noch nie angelächelt hatte. Und Cosima durchfuhr es wie ein Blitz. Ihr Herz machte Purzelbäume und da war er wieder, der Gedanke und etwas in ihr schrie: »Ja verdammt, es ist so, ich habe mich in ihn verliebt!« Von da an lebte Cosima mit einer permanente Sehnsucht nach Robert, der sie sich nicht mehr entziehen konnte. Sie war froh, dass ihre beiden Jungs schon so selbständig waren und machte oft Überstunden. Und sie beneidete jeden, der noch länger als sie in der Firma sein konnte. Noch immer zitterte sie oft aus Angst vor ihm, doch jedes nette Wort, jede noch so kleine freundliche Geste, jedes Lächeln erfüllte sie mit ungekannter Seligkeit. Und wieder geisterte er durch ihre Träume. Doch war sie noch im vorigen Jahr darin schreiend weg gelaufen, so erträumte sie sich nun seine Nähe. Denn nun fing er sie ein und hielt sie fest im Arm. Auch diese Träume waren realistisch genug, um ihr Herz noch beim aufwachen schneller schlagen zu lassen und ein Kribbeln im Magen machte sich breit. Völlig berauscht von diesen Träumen wollte Cosima nur noch eins, ihm auch in der Wirklichkeit so nahe wie möglich sein.
Eine engere Beziehung jedoch schloss sie mit aller Entschiedenheit aus. Es schien ihr auch gar nicht so wichtig, wenn sie nur gut miteinander arbeiten konnten und sie ihm nützlich sein durfte.
Diese Nützlichkeit nahm zuweilen seltsame Formen an. Eines Tages drückte Robert ihr einige Hundert Mark in die Hand und beauftragte sie, davon Blumen und ein Geschenk für seine Frau zum Geburtstag zu kaufen. Da stand sie nun beim Juwelier und suchte die Kette aus, welche die Frau tragen würde, die sie um so viel mehr als diese Kette beneidete.
Das Jahr ging dem Ende zu, wieder war Rübenernte. Reiner war auch wieder sehr eingespannt, da war kein Unterschied zwischen Wochentag und Wochenende.
An so einem Samstag fand sich auch Cosima im Büro ein. Sie wollte mit Robert frühstücken, ehe sie später zu einer Mitarbeiterschulung in die Zentrale Verwaltung gehen musste. Eigentlich hätte auch Robert daran teilnehmen müssen. Doch die Technik streikte und er wurde dringend auf dem Feld gebraucht. So vertraten Cosima und ihre Kollegin Marie die Firma allein. Herr Haan tat, was viele in solchen Situationen tun, wer nicht da ist, wird kritisiert. So erging es Robert Weihtmann. Cosima spürte fast körperliche Schmerzen, als ihr das bewusst wurde und fühlte sich mit angegriffen.
Sie konnte danach einfach nicht nach Hause gehen, sondern setzte sich heulend vor Wut an den Computer. Nun war es Robert, der sie beruhigte, als er ins Büro kam. Sie redeten schon bald sprichwörtlich über Gott und die Welt und irgendwann brachte er Cosima sogar zum lachen. Und dann machte er ihr ein ganz besonderes Geschenk.
»Sie sollten wissen, dass Sie mir sehr viel wert sind, als Mensch und als Mitarbeiterin!« Mit diesen Worten drückte er Cosima einen Schlüssel in die Hand, es war ihr erster eigener Büroschlüssel, mit dem sie, ohne zum Pförtner zu müssen, jederzeit ins Büro gehen konnte. Cosima schwor sich, sein Vertrauen nie zu enttäuschen, das er ihr gerade geschenkt hatte. Und ein diffuses Gefühl kam in ihr auf, dass er sie auch irgendwie gern haben musste.
Doch damit waren die Probleme nicht aus der Welt. Mehr und mehr gab es Differenzen zwischen Reiner und Robert. Cosima merkte, wie ähnlich sich die beiden oft waren. Doch das wollten beide auf keinen Fall wahrhaben.
Bei ihren Vermittlungsversuchen geriet Cosima immer öfter zwischen die Fronten. Nahm sie für Reiner Partei, so reagierte Robert wütend: »Sie wissen, dass ich diese Sippenwirtschaft nicht mag!« Setzte sie sich für Robert ein, so war Reiner sauer: »Du musst ja wissen, wen Du mehr liebst!« Sie fühlte sich wie ein Kind zwischen seinen zerstrittenen Eltern. Sie liebte sie einfach beide und hoffte jeden Tag aufs Neue, sie würden miteinander klar kommen.
Zwar war die Stimmung im allgemeinen besser geworden in der letzten Zeit, doch noch immer war Robert oft so unberechenbar und impulsiv, dass Cosima nach seinen verbalen Attacken nur die Flucht aufs Klo blieb, um sich auszuheulen und wieder zu beruhigen. Dann wieder lag morgens ein Kasten Pralinen in ihrem Schreibtisch. Er regierte mit Zuckerbrot und Peitsche. Sie genoss jede Art von Zuwendung, egal ob gut oder böse. Plötzlich konnte sie sich vorstellen, sich klaglos von ihm verprügeln zu lassen. Da war ihr klar, wie sehr sie ihn längst liebte. Und doch wusste sie auch, dass das niemals jemand erfahren durfte. Sie war allein mit ihren zwiespältigen Gefühlen.
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