Else Ury

Professors Zwillinge in der Waldschule


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mehr traurig, weil wir uns doch so freuen. Ich helfe dir auch doll beim Packen.«

      »Ich sorge für dich, Mutti, wenn der Vater fort ist«, versprach Herbert. »Gut, daß ich nicht auch ein Mädel bin, daß doch wenigstens ein Mann im Hause ist.«

      Da konnte die Mutter nicht länger ernst bleiben. Sie lachte so herzlich wie sonst. »Ihr seid meine guten Kinder – wenn ich euch nicht hätte!«

      Beim Mittagessen stand der Mund der Kinder nicht still. »Vati, nimmst du dein großes Fernrohr mit nach Italien?«

      »Wird die Lene auch mit umgezogen? Und darf ich auf dem Bock vom Möbelwagen sitzen?« So ging das ohne Ende.

      »Kinder, jetzt wird der Mund nur noch zum Essen aufgemacht. Nun wird nichts mehr gefragt«, gebot die Mutter Einhalt. Nach dem Essen machte sich Frau Professor tatkräftig daran, die ganze Wirtschaft einer eingehenden Musterung für den bevorstehenden Umzug zu unterziehen.

      Auch in der Kinderstube wurde Musterung abgehalten. In ihrem Puppenwinkel saß Suse zwischen den sie mit erstaunten Glasaugen anschauenden Puppenkindern. »Ja, wundert euch nur, Kinder, wir ziehen um. Den Puppenkoffer packe ich mit Elschens Sachen, und das Reisekörbchen kann die Lilli haben. Wo aber tue ich Lottis Sachen hin?« überlegte sie. »Was meinst du, Herbert, ob es Puppenmöbelwagen gibt?«

      »Glaub' ich nicht«, meinte Herbert, der dem vierfüßigen Bubi, der nach ihm, dem zweifüßigen Bubi, seinen Namen erhalten hatte, gerade um seine Meinung befragte, was er wohl zu der großen Neuigkeit sagte. Bubi wedelte mit dem Schwänzchen und ließ ein kurzes Bellen hören. »Er freut sich«, übersetzte sein kleiner Herr dasselbe.

      »Und meine Kinder freuen sich auch. Sieh bloß mal, wie die Lotti lacht«, rief Suse.

      »Weil sie die Schramme vom Mund bis zum Ohr hat«, entschied Herbert. Der Bruder blickte ziemlich von oben herab auf Suses Puppenwinkel. Er fand, daß man mit neun Jahren entschieden schon zu alt sei, um mit den »dummen, leblosen Dingern« zu spielen. So respektlos pflegte er Suses Puppen zu bezeichnen. Das war aber auch das einzige, worin die Zwillinge nicht eins waren. Suse ließ sich durch Herberts abfällige Kritik nicht in ihren Pflichten als gutes Puppenmütterchen stören. Besonders die Schwarzwald-Lotti, welche die Großmama aus Freiburg ihr einst geschenkt hatte, war ihr Liebling. Jetzt sah das kleine Mädchen Wäsche, Kleider und Strümpfe ihrer Kinder durch, die mit rosa Bändern versehen in der Puppenkommode lagen. Denn wenn man umzieht, muß alles in bester Ordnung sein.

      »Kind, Elschen, was bist du für ein Reißteufel«, seufzte sie. »Es wird wirklich bald Zeit, daß du dir deine Strümpfe selbst stopfst.« Elschen schlug beschämt die Klappaugen nieder. Aber noch einer stand beschämt und blickte, das Schwänzchen zur Erde gesenkt, auf den zerlöcherten Puppenstrumpf. Das war Bubi, dessen scharfe Zähne noch deutlich an dem feinen, hellblauen Gewebe sichtbar waren. Elschen war zu edeldenkend, um den vierfüßigen Freund zu verklatschen.

      Im allgemeinen waren die Sachen in schönster Ordnung. Denn Suse, die früher, als sie noch die kleine Mädi gewesen, ihre Puppenkinder in recht verwahrlostem Zustand hatte aufwachsen lassen, war inzwischen eine sorgsame, liebevolle Puppenmutter geworden. Die Kinder wurden regelmäßig gewaschen, gekämmt und angezogen. Suse kochte für sie in der großen Puppenküche ihre Leibgerichte: Schokoladensuppe, Rosinenbraten und Mandelspeise. Sie führte sie in dem schönen, weißen Puppenwagen im Park spazieren. Und sie sorgte als gute Puppenmutter dafür, daß die Kinder zeitig ins Bett kamen, denn das war gesund. Die Puppen waren jetzt sehr zufrieden mit ihrer kleinen Mutter.

      Einen ganzen Berg Puppenwäsche hatte sie in einem niedlichen Wäschekorb aufgeschichtet. »Da gibt es noch viel Arbeit, Kinder. Das muß alles noch gewaschen und gebügelt werden.«

      »Suse, laß doch die langweiligen Puppen. Komm doch mal her und hilf mir lieber. Ich mache alles schon zum Umzug zurecht.«

      »Ich auch«, sagte Suse nicht weniger wichtig. Ließ aber als gute Schwester ihr Puppenzeug im Stich, um Herbert zu helfen.

      Ja, was hatte denn der Junge inzwischen alles angestellt? Die Bücherschwinge über seinem Arbeitspult, in der die Märchen- und Geschichtenbücher der Kinder ihren Platz hatten, war bereits geleert. Die Bücher lagen teils auf dem Fußboden verstreut, teils waren sie mit Bindfaden, den Herbert für alle Fälle immer in der Hosentasche hatte, bereits zu Paketen zusammengeschnürt. Auch sämtliche Spiele, die Anker-Baukästen, die Eisenbahn nebst Schienen und Signalstangen, waren aus den Kästen herausgerissen und türmten sich auf der Erde.

      »So weit bin ich schon«, frohlockte Herbert. »Die Schulbücher müssen wir noch zurücklassen, denn die brauchen wir noch«, überlegte er. »So, jetzt hilf mir meinen Laubfrosch verpacken. Die Maikäferschachtel vom vorigen Jahr hat Löcher. Da kriegt er Luft und kann nicht ersticken.«

      Jetzt zeigte sich Suse, obgleich sie zwei Stunden jünger war, als die verständigere. »Willst du den armen Frosch beinahe vier Wochen lang in dem alten Kasten lassen? Dann stirbt er sicherlich, Herbert. Oder er wird gemütskrank, wie der Papagei von Frau Lehmann unten, der spricht jetzt gar nicht mehr.«

      »Frösche können nicht sprechen, also können sie auch nicht gemütskrank werden«, behauptete Herbert. »Aber ich kann ja erst unsere Schmetterlingssammlung verpacken und unser Mätzchen.«

      »Wo kommt denn Mätzchen hin?« Suse sah mit etwas mißtrauischen Blicken von dem Kanarienvögelchen, das, Unheil ahnend, im Bauer umherflatterte, auf den geschäftigen Bruder.

      »Vielleicht in deinen Puppenwagen, Suse. Da liegt er weich und warm.«

      »Nee, ach nee, da haben meine Puppen Angst, wenn er da drin rumflattert. Und überhaupt, da kann er doch wegfliegen«, gab die Schwester zu bedenken.

      »Im Möbelwagen? Der ist doch geschlossen«, lachte Herbert sie aus.

      »Aber wenn er aufgemacht wird. Laß ihn doch lieber in seinem Bauer.«

      Aber Herbert schüttelte den Kopf. »Dann weiß Mätzchen ja überhaupt nicht, daß er umzieht. Aber halt – ich hab's. Ich schlinge ihm eine Leine ans Bein und binde ihn damit am Kutscherbock vom Möbelwagen fest. Da hat er schöne frische Luft und kann gleich ziehen helfen.«

      »Das kleine Vögelchen den großen, schweren Möbelwagen? Das tut ihm weh, Herbert.« Suse liebte Blumen und Vögel besonders.

      »Na, dann können wir ihn ja auch vor deinen Puppenwagen spannen. Der ist nicht so schwer.« Mit dieser Lösung war auch Suse einverstanden.

      »Und wo kommt Bubi hin?« erkundigte sie sich.

      »Der hat sich bereits seinen Platz gesucht, sieh mal«, lachte Herbert und wies auf das Hündchen, das es sich in Suses Puppenwaschkorb bequem gemacht hatte.

      »Meine schöne Puppenwäsche – willst du wohl raus, Bubi!« Eine wilde Jagd tobte durch die Kinderstube.

      »Kinderchen, ihr sitzt ja bei dem schönen Wetter im Zimmer. Vielleicht geht der Vat...« Das Wort blieb der zur Tür hereinschauenden Mutter in der Kehle stecken, als sie die entsetzliche Unordnung und die den Hund dazwischen herumjagenden Kinder erblickte. »Ja, was soll denn das heißen, Kinder, dieses wüste Durcheinander? Schämt ihr euch denn gar nicht, so unartig zu sein?«

      »Aber, Muttichen, wir helfen dir doch. Wir haben schon den größten Teil zum Umzug gepackt«, verteidigte Herbert sich und die Schwester. »Bloß Mätzchen und der Laubfrosch fehlen noch.«

      »Na, ihr seid mir ja eine nette Hilfe!« Die Mutter mußte gegen ihren Willen lächeln. »Tut mir bloß den Gefallen und wartet noch drei Wochen damit. Und wenn ihr durchaus packen wollt, dann packt die herausgerissenen Sachen wieder ordentlich in die Schubfächer zurück. Ihr wollt mir doch nicht noch mehr Arbeit machen, als ich sowieso schon habe, nicht wahr?«

      Nein, das wollten sie ganz gewiß nicht. Nur fand Herbert, daß man nicht früh genug anfangen könnte, damit man auch bestimmt fertig würde.

      »Habt ihr denn überhaupt schon angefangen, eure Schularbeiten zu machen?« erkundigte sich die Mutter zum Glück noch.

      Himmel – wer soll denn an Schularbeiten