Brandenburg unterstellte und es also wie ein direktes Reichslehen behandelte, kann man die Pommernherzöge als deutsche Fürsten bezeichnen.
Die volle Reichsstandschaft, die auf dem Hoftag von Frankfurt 1338 erreicht wurde, und der staatsrechtliche Status Pommerns als eines vollberechtigten Fürstentums des Heiligen Römischen Reichs änderte natürlich nichts daran, dass andere Bindungen bestehen blieben. Die Herzöge von Pommern-Wolgast etwa waren zeitweise lehnsabhängig von Dänemark. Die polnischen Könige wiederum banden die pommerschen Herzöge im 14. und 15. Jahrhundert lehnsrechtlich an ihre Krone, indem sie ihnen Territorien für geleistete Dienste verliehen. Hinzu kommen Verflechtungen mit dem Staat des Deutschen Ordens, wodurch insgesamt eine Konstante pommerscher Politik deutlich wird: das Streben nach möglichst großer Selbständigkeit – und das nicht etwa in expansiver Form, sondern indem man sich als stabilisierender Faktor in einem Raum wechselnder Machtbalancen etablierte.
Den dritten Teil der Westgrenze Polens, zugleich eine dritte Variante von ambivalenter Zugehörigkeit, bildet das Ordensland Preußen. Der als Hospitalbruderschaft im Heiligen Land gegründete Orden wurde 1198 nach dem Muster von Johannitern und Templern in einen Ritterorden umgewandelt und bildete einen weltlich-militärischen Zweig aus. Im Unterschied zu Templern und Johannitern neigte der Deutsche Orden, unterstützt durch zahlreiche Schenkungen vor allem aus kaiserlichem Besitz, zu einer Territorialbildung. Der ritterliche Kampf gegen die »Heiden« gerade in den Randgebieten des Heiligen Römischen Reichs, beginnend in Ungarn, verschaffte dem Orden die Möglichkeit, zusammenhängende Besitzkomplexe zu erwerben. Das im Fall des ungarischen Burzenlands noch gescheiterte Vorgehen war in Preußen erfolgreich, und es trug dieselbe Handschrift: Zunächst ließ sich der Orden Grundbesitz im Grenzbereich eines gesicherten Herrschaftsverbandes zusichern, dem der Orden aufgrund von Exemtion (einer rechtlichen Ausnahmestellung) aber nicht lehnsrechtlich unterstellt war. Als nächster Schritt erfolgte eine territoriale Aneignung in einem von »Heiden« beherrschten Land – und als dritter Schritt schließlich die Etablierung eines autonomen Territoriums, das an die Ausgangsbasis anschloss. Der Orden konnte sich aufgrund seiner Privilegierung durch beide mittelalterliche Zentralgewalten, Kaiser und Papst, relativ sicher sein; hinzu kommt eine in seinem Fall perfektionierte prospektive Privilegierung durch die an seinem Wirken interessierten Herrscher: Der Orden ließ sich Urkunden mit der Übertragung von Besitztümern ausstellen, die weder ihm selbst noch dem Aussteller gehörten. Seine Funktion innerhalb der Expansionspolitik christlicher Herrscher leitete der Orden zu seinen Gunsten um, indem er die kriegerischen Aufträge für eine Kumulation von Besitzrechten nutzte. Als Herzog Konrad von Masowien den Deutschen Orden rief, um mit seiner Hilfe sein Herrschaftsgebiet in den Machtbereich der noch nicht christianisierten Pruzzen auszudehnen, sicherte sich der Orden erst durch die von Friedrich II. verliehene Goldbulle von Rimini ab (1226), bevor er mit der Eroberung des Kulmer Lands und der übrigen pruzzischen Gebiete begann (1231). Die Zustimmung der Kurie folgte in Gestalt der Bulle von Rieti (1234), wodurch dem Orden eine praktisch unangreifbare Machtstellung verschafft worden war.
Mithilfe von Kreuzzugsaufrufen und einer ganzen Reihe an (meist adeligen) »Gästen« aus ganz West- und Mitteleuropa konnte der Orden die Unterwerfung der Gebiete zwischen Weichsel und Memel bewerkstelligen. Seine landesherrlichen Ambitionen zeigten sich bereits in der Eroberungsphase: Viele der zu militärischen Zwecken gegründeten Burgen – Thorn, Kulm, Marienwerder, Elbing, Braunsberg, Königsberg usw. – entwickelten sich später zu urbanen Zentren des Landes. Der Orden betätigte sich, ähnlich den schlesischen und pommerschen Herzögen, massiv im Landesausbau: Unter dem Schirm der Burgen gestattete er die Ansiedlung von Bürgern, denen das (deutsche) Stadtrecht verliehen wurde. Auch Landbevölkerung wurde aus deutschen Gebieten angeworben, womit sich insgesamt eine bemerkenswerte kolonisatorische Leistung des Ordens feststellen lässt. Die überlebenden Pruzzen konnten, soweit sie die Oberhoheit des Ordens anerkannten, in ihren bisherigen Rechtsverhältnissen weiter existieren; Ähnliches galt für die polnischen Einwohner des Ordenslandes. Damit ergab sich zunächst eine Differenzierung zwischen dem nach Kulmer Recht angesiedelten (hauptsächlich deutschen) Stadtbürgertum und einer Landbevölkerung, die anderes Recht besaß. Doch verhinderte das nicht, dass ethnische Verschmelzung stattfand.
Die besondere Rolle Preußens für Polen ergibt sich nun daraus, dass der Ordensstaat zu einer Bedrohung für den polnischen Staat wurde. Am Beginn steht die masowische Fehlkalkulation, was die Leistung des Ordens im Krieg gegen die Pruzzen anging. Denn dass der Orden aus den übertragenen und eroberten Gebieten einen souveränen Staat aufbaute, war nicht geplant gewesen. Hinzu kommt eine zweite Fehleinschätzung, als Herzog Władysław łokietek glaubte, mithilfe des Deutschen Ordens die Brandenburger aus Pommerellen vertreiben zu können. Denn die Ordensritter eroberten das Land für sich und gliederten es ihrem Herrschaftsbereich an. Seit diesem Datum (1309) besteht ein kriegerisches Verhältnis zwischen dem Deutschordensstaat und dem Königreich Polen, das zwischenzeitlich nur durch die Ostpolitik Kazimierz’ III. zur Ruhe kam. Doch waren weitere Konflikte vorprogrammiert – schon allein aufgrund der Tatsache, dass der Hochmeister den Sitz des Ordens eben 1309 nach Preußen verlegte. Damit befand sich ein souveräner, von Papst und Kaiser gedeckter Fürst mit Residenz auf der Marienburg in unmittelbarer Nähe der neuen, expansionsfreudigen polnischen Monarchie. Solange der Orden sein Image eines Protagonisten der Kreuzzugsidee aufrechterhalten konnte, und solange der Gegner in der Hauptsache nur Polen war, bestand für den Orden keine existenzielle Gefahr; die ökonomische Entwicklung des Landes hatte zudem dazu geführt, dass der Deutschordensstaat über stattliche Ressourcen verfügte.
Ein Wandel begann sich abzuzeichnen, als die litauischen Großfürsten der Jagiellonen 1385 den polnischen Königsthron bestiegen. Schon die geografische Lage zeigt, dass der Orden nun in eine Zwickmühle geraten war. Dieselbe Situation ergab sich im ideologischen Bereich, als polnische Intellektuelle der 1400 neu gegründeten Krakauer Universität gegen den Orden polemisierten und ihm den Rang eines christlichen Vorzeige-Unternehmens absprachen. Gerade die geistlichen Rechtsgelehrten (und Universitätsrektoren) Stanisław von Skalbmierz (ca. 1360–1431) und Paweł Włodkowic (ca. 1370–1436) attackierten den Deutschen Orden heftig. Ihr Argument war, dass der Orden nach der Christianisierung Polens und dann auch Litauens keine Berechtigung mehr habe, seinen Krieg gegen diese Länder fortzusetzen; eine Haltung, die von Fürsprechern des Ordens wie Johannes Falkenberg so gekontert wurde, dass man die Christlichkeit Polens insgesamt infrage stellte und einen Vernichtungskrieg gegen die ganze Bevölkerung empfahl. Nachdem der Deutsche Orden 1410 bei Tannenberg/Grunwald eine wichtige Schlacht gegen Polen-Litauen verloren hatte, wurde die Auseinandersetzung zwischen dem Ordensstaat und Polen auch international immer mehr als das wahrgenommen, was es seit Langem war: als Konflikt zwischen zwei (christlichen) Mächten. Die päpstliche und die kaiserliche Unterstützung orientierten sich spätestens seit dieser Zeit nicht mehr an ideologischen (theologischen) Vorgaben, sondern an einem pragmatisch ausgerichteten »Realismus« in der Außenpolitik. Dabei jedoch hatte Polen angesichts des osmanischen Vormarschs auf dem Balkan und der Nöte des Kaisers dort die besseren Karten. Der Deutsche Orden geriet gerade auch wegen seiner Stellung als Landesherr in Preußen in eine Legitimationskrise, die sich schließlich zu einer Existenzkrise ausweitete.
Obwohl der auf die Schlacht von Tannenberg folgende Thorner Frieden von 1411 kaum Gebietsverluste für den Orden brachte, reduzierte sich seine Machtstellung in Preußen aufgrund innerer Spannungen. Nach einem nochmaligen, diesmal 13-jährigen Krieg, konnte Polen im Zweiten Thorner Frieden 1466 die westlichen Landesteile des Ordensstaats, einschließlich des Bistums Ermland, für sich verbuchen; diese Gebiete bildeten fortan das sogenannte Königliche Preußen. Der Rest wurde 1525, nach Auslaufen des Waffenstillstands, als Herzogliches Preußen in Form eines Lehens vom polnischen König an den Hochmeister ausgegeben. Damit war nicht nur der Ordensstaat als machpolitischer Konkurrent Polens verschwunden, sondern auch der Deutsche Orden in Polen aufgelöst. Der Übertritt des Hochmeisters Albrecht von Brandenburg-Ansbach zum Luthertum zeigt aber an, dass das Ordensland weiterhin eine besondere Rolle in der polnischen (und deutschen) Geschichte spielen würde. Das Herzogtum Preußen konnte nicht dauerhaft in die Krone Polen integriert werden und wurde nach 1618 Teil des brandenburgisch-preußischen Staates.
In der Rezeption sind bei der Geschichte des Deutschen Ordens in Polen wie bei kaum einem anderen Bereich der polnischen bzw. polnisch-deutschen Geschichte historische Abläufe und Mythologisierung eng miteinander verwoben. Eine Schlüsselrolle