Группа авторов

Kanadische Erzählungen: Geschichten vom weiten Norden und ewigen Eis


Скачать книгу

Sedna klammerte sich noch stärker an das Boot, nun schnitt der Vater durch die mittleren Fingergelenke, und sie schwammen als Robben (Pagomys foetidus) davon. Als der Vater schließlich den Rest der Finger abtrennte, verwandelten sie sich in Bartrobben (Phoca barbata). In der Zwischenzeit hatte der Sturm nachgelassen, denn die Eisvögel glaubten, dass Sedna ertrunken war. Da erlaubte der Vater ihr, zurück ins Boot zu kommen. Doch von jener Zeit an hasste sie ihn aus tiefstem Herzen und schwor bittere Rache. Als sie angelegt hatten, rief Sedna ihre Hunde und ließ sie ihres Vaters Hände und Füße abfressen während er schlief. Daraufhin verfluchte er sich selbst, seine Tochter und die Hunde, die ihn verkrüppelt hatten, worauf sich die Erde auftat und Hütte, Vater, Tochter und Hunde verschlang. Seitdem leben sie im Lande Adlivun, über das Sedna7 herrscht.

      Die Sonne und die Sterne

      In alter Zeit lebten ein Bruder und seine Schwester in einem großen Dorf, in dem es auch ein Haus des Gesangs gab. Jede Nacht vergnügten sich die Schwester und ihre Spielgefährten in diesem Haus. Einmal geschah es, als alle Lampen im Haus des Gesangs verloschen waren, dass jemand hereinkam und sich an ihr verging. Sie konnte ihn nicht erkennen, aber sie schwärzte ihre Hände mit Ruß, und als das gleiche noch einmal passierte, beschmierte sie damit den Rücken des Mannes. Als die Lampen wieder brannten, erkannte sie, dass der Schänder ihr Bruder war. Voller Wut schärfte sie ein Messer, schnitt sich die Brüste ab und bot sie ihm mit folgenden Worten an: »Da du nach mir zu gieren scheinst, iss dies!« Ihr Bruder geriet in Wahn, und sie floh vor ihm, rannte im Raum hin und her. Sie griff nach einem hell brennenden Holzstock (mit dem die Lampen versorgt werden) und rannte aus dem Haus. Ihr Bruder griff nach einem anderen Stock, doch bei der Verfolgung stürzte er und sein Licht verlosch, bis es nur noch schwach glomm. Immer weiter wurden beide in die Höhe gehoben und setzten ihre Wege im Himmel fort: Die Schwester verwandelte sich in die Sonne und der Bruder in den Mond. Jedes Mal beim Erscheinen des neuen Mondes singt sie:

      Aningaga tapika, takirn tapika qaumidjatedlirpoq; qaumatitaudle.

      Aningaga tapika, tikipoq tapika.

      Mein Bruder dort oben, der Mond dort oben beginnt

      zu scheinen, er wird leuchten.

      Mein Bruder dort oben, er geht nach dort oben.

       von John MacLean

       Von den vielen interessanten Legenden und Überlieferungen, die uns ›Indianer‹ erzählen, möchte ich folgende wiedergeben: Henry B. Steinhauer, ein in die Jahre gekommener Missionar, erzählte Dr. Sutherland jene Legende, als sie den Saskatchewan River hinuntersegelten. Es handelt sich um die Legende von Wisukatcak, der als übernatürliches Wesen gilt, ähnlich dem Alten Mann bei den Blackfeet.

      Zwar wissen wir nur sehr wenig über seine Herkunft, aber er hatte einen Vater, eine Mutter und einen Bruder. Wie in jeder Familie gab es auch in seiner hin und wieder Streitigkeiten, und während einer dieser Auseinandersetzungen tötete der alte Mann seine Frau und schnitt ihr den Kopf ab. Dann sagte er zu Wisukatcak, er solle seinen kleinen Bruder nehmen und fortgehen. Er gab ihm zudem noch einen Feuerstein mit, ein Funkeneisen und eine Ahle und erklärte ihm:

      »Wenn der Kopf deiner Mutter dir folgt, dann wirf zuerst den Feuerstein, dann das Funkeneisen und dann die Ahle hinter dich, und wiederhole diese Worte!«

      Der Vater nannte ihm die Worte, und Wisukatcak nahm seinen kleinen Bruder, den Feuerstein, das Funkeneisen und die Ahle und ging fort. Natürlich rollte der Kopf seiner Mutter den beiden nach, und sie rief ihre Kinder zu sich. Also warf Wisukatcak den Feuerstein hinter sich und rief:

      »Möge eine große Wand aus Fels die Erde umgeben!«

      Gesagt getan. Eine große Felswand wuchs empor, und so entstanden die Rocky Mountains, die sich bis heute über diesen Kontinent erstrecken.

      Als der Kopf gegen die Felswand stieß, konnte er diese nicht auf Anhieb überwinden. Doch beharrlich versuchte er es weiter, bis es ihm schließlich gelang und er weiterrollen konnte. Da warf Wisukatcak das Funkeneisen hinter sich und rief:

      »Möge ein großes Feuer entflammen und sich über die Erde ausbreiten!«

      Also entflammte ein großes Feuer, dessen Überreste sich heute in den zahlreichen Vulkanen der Sierra und der Rocky Mountains zeigen. Als der Kopf sich dem Feuer näherte, hielt er an. Doch nach einer Weile hatte er das Feuer, wenn auch versengt und geröstet, durchquert und rollte weiter, während die Mutter nach ihren Kindern rief. Da warf Wisukatcak die Ahle hinter sich und rief:

      »Möge eine hohe Dornenhecke wachsen und die Erde umspannen!«

      Auf einmal sprossen Dornenranken aus dem Boden und wuchsen zu einer undurchdringlichen Hecke, heute noch erkennbar in den Riesenkakteen im Süden. Doch irgendwie zwängte sich der Kopf auch durch diese dichte Hecke, rollte weiter, rief nach den Kindern. Nach einer Weile gelangten Wisukatcak und sein Bruder an einen breiten Fluss, und als sie einen Pelikan erblickten, der dort umherschwamm, sagte Wisukatcak:

      »Großvater, bring uns auf die andere Seite, denn unsere Mutter ist hinter uns her und will uns töten.«

      Also kletterten sie auf den Rücken des Pelikans und gelangten so sicher ans andere Ufer.

      Nach einer Weile erreichte auch der Kopf den Fluss, und als die Mutter den Pelikan sah, sagte sie: »Ich verfolge meine Kinder. Bring mich zum anderen Ufer und ich heirate dich.«

      Aber der Pelikan schien daran nicht sonderlich interessiert zu sein, denn er schwamm nur ganz langsam. Der Kopf wollte, dass er sich beeile, doch er entgegnete nur: »Du musst stillsitzen, mein Hals schmerzt.«

      In der Mitte des Flusses lagen einige Felsen, und auf einmal warf der Pelikan seine Last dort ab, sodass der Kopf zerbrach. Bis heute kann man das Gehirn noch in den Unmengen Schaum erkennen, der bei Hochwasser auf dem Fluss dahintreibt. Das war das Ende von Wisukatcaks Mutter.

      Wisukatcak und sein Bruder zogen weiter, bis sie an einen wunderschönen See mit einem Sandstrand kamen, wo sie blieben. Wisukatcak tat alles, um seinen kleinen Bruder aufzuheitern. Unter anderem fertigte er für ihn einen Ball an. Als sie eines Tages damit spielten, fiel der Ball in ein Kanu, das ihnen zuvor nicht aufgefallen war und in dem ein alter Mann namens Wamishus saß. Wisukatcak rief ihm zu:

      »Wirf den Ball meines Bruders zurück. Er will damit spielen.«

      Doch Wamishus antwortete:

      »Steige ins Kanu und hole ihn dir selbst.« Wisukatcak weigerte sich. Da sagte der alte Mann: »Dann schick deinen Bruder, dass er den Ball holt.«

      Doch als auch der Bruder sich weigerte, ging Wisukatcak letztendlich selbst. Wamishus legte das Paddel ans Ufer und sagte:

      »Steige hier drauf, dann kannst du ins Kanu klettern.«

      Das tat Wisukatcak, doch als er es beinahe geschafft hatte, kippte der alte Mann das Paddel auf einmal um und schubste Wisukatcak so ins Kanu. Und mit einem kräftigen Schlag glitt das Kanu hinaus auf den See. Wisukatcaks Bruder sah, wie sie das Ufer hinter sich ließen, und rief:

      »Bruder! Bruder! Komm zurück oder ich verwandele mich in einen Wolf! Ich verwandele mich in einen Wolf! Wu-hu-hu!«

      Und er gab ein langes Heulen von sich, so als wäre er bereits ein Wolf. Doch Wisukatcak konnte nicht zurückkommen.

      Lange Zeit blieb er fort, dann kehrte er zurück, doch niemand weiß, wann oder wie. Als er am Strand angelegt hatte, machte er sich auf die Suche nach seinem Bruder, fand aber lediglich Wolfsspuren am Ufer. Kurz darauf hörte er einen Wolf heulen, und schon bald traf er ihn, erkannte in dem Tier seinen Bruder, und von da an waren die beiden Gefährten.

      Einige Zeit später kamen sie an einen anderen See, wo Wisukatcak Pfeile und Bögen für seinen Bruder anfertigte, damit dieser damit spielen konnte, und er sagte zu ihm:

      »Schieß