wie Gesellschaften mit börsenkotierten Beteiligungspapieren, grossen Genossenschaften sowie grossen Stiftungen (OR 962 II) zur Anwendung.
Aus dem Begriff der Jahresrechnung in OR 958 II ergibt sich der Begriff des Geschäftsjahres. Im Gegensatz zum HGB wird dieser nicht definiert.134 Entsprechend dem Kalenderjahr umfasst ein Geschäftsjahr in der Regel 12 Monate, wobei dieses jedoch nicht immer am 1. Januar beginnt (Eröffnungsbilanz) und am 31. Dezember als Bilanzstichtagen (Schlussbilanz) endet. Die früher häufigeren Abweichungen vom 31. Dezember waren nicht zuletzt branchen- und bilanzpolitisch bedingt mit dem Ziel eines möglichst günstigen Bilanzbildes, bei Brauereien z. B. der 30. September (mit tiefen Vorräten und hoher Liquidität am Ende des Bilanzjahres). In den letzten Jahren hat sich das Kalenderjahr als Geschäftsjahr weitgehend mit dem 31. Dezember als Bilanzstichtag durchgesetzt. Ausnahmen wie Barry Callebaut (31. August) und Titlisbahnen (31. Oktober) bestätigen die Regel. Umfasst das Geschäftsjahr weniger als 12 Monate, beispielsweise im ersten Geschäftsjahr bis zum ersten Abschluss am Abschlusstermin vom 31. Dezember oder bei Verlegung des bisherigen Abschlusstermins, liegt ein Rumpfgeschäftsjahr vor. Ein überjähriges Geschäftsjahr von mehr als 12 Monaten entsteht, wenn nach einer Gründung der erste Jahresabschluss nicht am nächsten, sondern erst am übernächsten Termin oder eine Verlegung des Abschlusstermins vom 1. Mai im Jahr 1 auf den 31. Dezember im Jahr 2 erfolgt.
OR 958 II setzt für die Erstellung des Geschäftsberichts eine Frist von sechs Monaten fest. Innerhalb dieser Frist ist der Bericht dem obersten Gesellschaftsorgan zur Genehmigung vorzulegen. Bei der AG ist überdies zu beachten, dass wegen der Einladungsfrist von mindestens 20 Tagen für die Generalversammlung und bei Revisionspflicht für diese Tätigkeit ebenfalls zusätzlich Zeit einzuräumen ist. Die Frist von sechs Monaten wird daher in der Praxis bei grösseren Unternehmen für die Erstellung um sechs bis acht Wochen verkürzt.135 Wenn das oberste Leitungsorgan, in der AG der Verwaltungsrat, die gesetzliche Vorlegungsfrist nicht beachtet, handelt es sich um eine Pflichtverletzung, welche allerdings erst in einem Verantwortlichkeitsprozess negative Folgen nach sich zieht.
In Aktiengesellschaften ist es üblich, in den Statuten Bestimmungen über die Rechnungslegung und damit auch zum Geschäftsjahr aufzunehmen, obwohl dies gesetzlich nicht zwingend ist.
Beispiele für die Statutenbestimmung zum Geschäftsjahr
Bell Holding
Art. 29: Rechnungswesen
Die Jahresrechnung der Gesellschaft, die Konzernrechnung und der Vergütungsbericht werden alljährlich auf den 31. Dezember erstellt.
Allreal Holding
Art. 38: Rechnungsabschluss
Die Jahresrechnung wird jeweils auf den vom Verwaltungsrat bestimmten Termin abgeschlossen.
Wenn die Statuten den Abschlusstermin und damit das Geschäftsjahr offenlassen, wird dieser vom Verwaltungsrat, gestützt auf die gesetzliche Pflicht zur Gestaltung des Rechnungswesens (OR 716a I Ziff. 3), festgelegt.
3.6.2 Unterzeichnungspflicht
Das Rechnungslegungsrecht regelt neu die Unterzeichnungspflicht, also die Frage, welche Dokumente von wem zu unterzeichnen sind.
Unter dem bisherigen Recht war die Jahresrechnung vom Unternehmer, von den persönlich haftbaren Gesellschaftern und bei Gesellschaften von den mit der Geschäftsführung betrauten Personen zu unterzeichnen. OR 958 III fordert neu im Geschäftsbericht (Bilanz, Erfolgsrechnung und Anhang) neben der Unterschrift des Vorsitzenden des obersten Leitungs- oder Verwaltungsorgans auch jene der für die Rechnungslegung zuständigen Person.136 Die Unterzeichnung durch einen Prokuristen ist nach wie vor nicht zulässig.
Wird die Jahresrechnung revidiert, ist es üblich, dass der Abschlussprüfer, gestützt auf Schweizer Prüfungsstandard 2013 eine gesetzlich nicht vorgesehene Vollständigkeitserklärung verlangt, welche von denselben Personen unterzeichnet wird, die nach OR 958 III unterzeichnungspflichtig sind.
3.6.3 Offenlegung
Die Bestimmungen über die Offenlegung der Jahresrechnung und des Revisionsberichts (OR 958e) durch Publikation betreffen nur wenige buchführungspflichtige Unternehmen, nämlich die Gesellschaften mit börsenkotierten Beteiligungspapieren und mit ausstehenden Anleihensobligationen. Für börsenkotierte Gesellschaften sind die spezialrechtlichen Vorschriften der SWX massgebend.
100 Auch das Kotierungsreglement der SIX (Fassung 02/2014) verwendet den Begriff »Jahresabschluss«. Richtlinie 2013/34/EU über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und die damit verbundenen Berichte. Diese ersetzt die 4. und 7. EU-Richtlinien.
101 Handschin, Rechnungslegung im Gesellschaftsrecht, Anmerkung 1, S. 2.
102 Böckli, Neue OR-Rechnungslegung, S. 25.
103 Dies setzt allerdings voraus, dass sich die Rechnungslegung nicht mit der Anwendung der obligationenrechtlichen Vorschriften begnügt, sondern nach dem True-and-Fair-View-Konzept erfolgt.
104 Boemle, Der Jahresabschluss als Instrument der Rechenschaft, ST 1-2/1997, S. 19ff.
105 Böckli, Neue OR-Rechnungslegung, S. 56. Für eine ausführliche Darstellung der steuerlichen Aspekte des Jahresabschlusses siehe Affolter/Duss/Felber, in: Pfaff/Ganz/Stenz/Zihler, S. 846-956.
106 Kommentar Pfaff/Ganz/Stenz/Zihler zu OR 958e, Anmerkung 25, S. 232.
107 Botschaft 2007, S. 1704.
108 Kommentar Pfaff/Ganz/Stenz/Zihler zu OR 958e, Anmerkung 45, S. 236.
109 Bei Beratungen im Nationalrat von OR 697h, 1991) wurde die vom Bundesrat vorgeschlagene Offenlegung der Jahresrechnung von Grossunternehmen gestrichen. Grossunternehmen wären gemäss Entwurf, Ziff. 3, publizitätspflichtig geworden, wenn drei der folgenden Grössen in zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren überschritten worden wären: Bilanzsumme von CHF 50 Mio., Umsatzerlös von CHF 100 Mio., Arbeitnehmerzahl 500 im Jahresdurchschnitt. Die entsprechende Ziffer wurde vor allem mit der Begründung gestrichen, viele international tätige Gesellschaften hätten ihren Standort in der Schweiz gerade wegen der fehlenden Publizitätsvorschriften gewählt. Auf diesen Standortsvorteil wollte die Mehrheit des Nationalrates nicht verzichten.
110 Die älteste bisher bekannte Gesetzgebung, das babylonische Gesetzbuch von Hammurabi (1792-1749 v.Chr.), sah bereits eine Buchführungspflicht für Kaufleute vor. Käfer. K.: Kommentar, Grundlagen, Z. 3.3, S. 58. Bellinger, B.: Geschichte der Betriebswirtschaftslehre (Stuttgart 1967), S. 12.
111 4. EWU-Richtlinie 78/660 über den Jahresabschluss und 7. EU-Richtlinie über den konsolidierten Abschluss, ersetzt durch RL 2013/344.