Raymond Unger

Vom Verlust der Freiheit


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und Familie, Betonung von Intersektionalität sowie Minderheitenkulte.

      »Dekonstruktion religiöser Sinngewissheiten und Postulat einer menschengemachten, CO2-bedingten Klimakrise als spirituelle Schuld-Sublimierung und neue Welt(untergangs-)Religion.

      »Idealisierung eines naiven humanistischen Universalismus sowie von One-World-Ideologien.

      »Bargeldabschaffung und zentralistische Finanzpolitik, sozialistische Grundkonzeptionen in der staatlichen Geldwirtschaft, selbstzerstörerische »Euro-Rettung« sowie Geldmengenvermehrung und Nullzinspolitik.

      »Negierung der Folgen einer unkontrollierten Migration mit Überlastung der Sozialsysteme, Kriminalitätsanstieg und Islamisierung, Verleugnung der demografischen Fakten und der Realität von Parallelgesellschaften.

      »»Kampf gegen rechts« statt Kampf gegen Radikalismus, Abschaffung von Meinungspluralität, Stigmatisierung und Ausgrenzung regierungskritischer Meinungen, Diffamierung klassisch liberal-konservativer Positionen als »rechtsradikal«, Inkaufnahme und Förderung einer polarisierten Gesellschaft, mediale Manipulation durch Framing-, Nudging- und Gaslighting-Techniken.

      Heutige Entscheider in Politik, Medien und Kultur sind Kinder von traumatisierten Kriegskindern des Zweiten Weltkrieges. Kriegstraumatisierte Eltern von Babyboomern schützten sich vor Retraumatisierung, indem sie die Erziehung ihrer eigenen Kinder versachlichten. Viele Kinder der 1960er- und 1970er-Jahre fühlten sich aufgrund der emotionalen Distanz ihrer Eltern und Großeltern ungeliebt, verunsichert und abgelehnt. Insbesondere durch emotional abwesende Väter entwickelten sich Selbst-Infragestellungen, Schuldgefühle und mangelnde emotionale Ausreifung. Narzisstische Persönlichkeitsmuster, die sich in der Folge herausbildeten, räsonieren in besonderer Weise mit globalen zeitgenössischen Schuldnarrativen: Kolonialismus, Industrialisierung und Rassismus eignen sich dazu, den verdrängten Vaterhass einer emotional vernachlässigten Babyboomer-Generation zu sublimieren. Die Selbstwahrnehmung eines prinzipiellen Nicht-okay-Seins würde spirituelle und psychologische Befriedung erfordern. Fehlt beides, kommt es zu Generalisierung und Projektion auf die Welt: Hier wird alles als Missstand wahrgenommen; mannigfaltige Kämpfe um »Verbesserungen«, in der Regel nach feministisch-sozialistischem Muster, sind die Folge. Die Totalität in der Umsetzung der Agenden, zunächst in der »Flüchtlingskrise«, dann in der »Klimakrise« und schließlich in der »Coronakrise«, zeigt die affektive Ladung, mit der innerpsychische Schuldgefühle und Lebensängste projiziert werden. In der Wirklichkeitsblase narzisstischer Persönlichkeiten müssen Fakten und Realität überschrieben werden. Personen, die unangenehme kognitive Dissonanzen auslösen, werden früher oder später aus dem sozialen Umfeld entfernt. So entstehen Echokammern, und schließlich kommt es zur Polarisierung der Gesellschaft. Die Universalisierung humaner Werte gilt als alternativlos. Partikuläre Interessen und Bedürfnisse nach soziokultureller Identität, Wohlstand und Sicherheit werden tabuisiert und mit einem Höchstmaß an Entrüstung eingehegt.

      Deutschlands offensichtliche Bemühung, »total gut« zu sein, erfordert besondere Beachtung. Jenseits der Tatsache, dass alle westlichen Gesellschaften von Hypermoral und Schuldnarrativen geleitet werden, gilt bei den Deutschen immer noch das Motto: mehr davon!

      Im viel beachteten Lied »Deutschland« der Rockband Rammstein heißt es dazu:

      »Man kann dich lieben

      Und will dich hassen

      Überheblich, überlegen

      Übernehmen, übergeben

      Überraschen, überfallen

      Deutschland, Deutschland über allen«

      Zumindest moralisch steht Deutschland erneut über allen. Mit dem besten politischen Führungspersonal, das die Babyboomer-Generation hervorbringen konnte, Heiko Maas, Peter Altmaier, Robert Habeck, Anton Hofreiter, Annegret Kramp-Karrenbauer, Annalena Baerbock, Katrin Göring-Eckardt und Claudia Roth, geriert sich Deutschland als der große Oberlehrer Europas. Deutschland ist der Weltmeister der offenen Außengrenzen, unter Corona aber gleichzeitig Weltmeister der geschlossenen Binnengrenzen, Weltmeister der Windräder und Weltmeister im Diversity-Management. Das wirklich Verrückte ist jedoch: Im Gegensatz zu anderen Nationen, die in obigen Disziplinen vor Kurzem ebenfalls noch Weltmeister sein wollten wie Schweden oder Dänemark, ist Deutschlands Lernresistenz legendär. Wo andere Länder längst aus ihren Fehlern gelernt haben und politische 180-Grad-Wenden vollziehen, fährt Deutschland unbeirrt unter moralischem Volldampf weiter. Ungeachtet der unübersehbaren Fluchtbewegungen aufgrund deutscher Zwangsbeglückungen, man denke nur an den Brexit, die Sperrigkeit der Visegrád-Gruppe und den rasanten Aufstieg rechtskonservativer Protestparteien in ganz Europa, legt das deutsche Führungspersonal sogar noch Kohlen nach und heizt den hypermoralischen Kessel weiter ein. Deutsche linksgrüne Kompromisslosigkeit wird schlussendlich zum Zerfall der Europäischen Union führen, die Schuld dafür werden selbstverständlich konservative Kräfte bekommen.

      Wie also kommt es zum deutschen Starrsinn, der ungeachtet von Erfahrungen und Fakten um jeden Preis einen Wiedergutmacherkurs halten will? Welche psychologischen Mechanismen tragen diese narzisstische Grandiosität, gepaart mit infantilem Selbsthass und abgründigem Selbstzerstörungswillen? Bezüglich der Betroffenheit von kriegstraumatisierten Kindern und damit auch der Betroffenheit über die Weitergabe dieses Traumas an die Folgegeneration, hat Deutschland im Vergleich zu anderen westlichen Nationen durchaus Sonderstatus. In Die Wiedergutmacher schrieb ich dazu:

       »Schaut man sich die Entscheider und Protagonisten der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen in Deutschland näher an, stößt man unweigerlich auf die Generation der Babyboomer. An den Schaltstellen der Macht, politisch, medial und kulturell, sitzen die Geburtenjahrgänge von 1955 bis 1970. Ich gehöre selbst dazu und bin als Autor und bildender Künstler ein Vertreter des kulturellen Flügels. Im ersten Teil dieses Buches möchte ich die Besonderheiten meiner Generation skizzieren, die sich gegenüber Amerikanern, Briten, Franzosen und vielen anderen westlichen Demokratien doch erheblich unterscheidet. Denn nicht nur die viel beschriebene Schuld und Täterschaft der Deutschen während des Zweiten Weltkrieges ist einzigartig, sondern gemessen am Rückbranden des Kriegsgeschehens auf deutschen Boden hat auch die deutsche Bevölkerung im Vergleich zu anderen westlichen Staaten eine ungleich höhere Zahl persönlicher und struktureller Schäden zu beklagen. Während die zivilen Toten der Staaten aus Übersee naturgemäß gegen null gehen, beklagt Deutschland allein 1,2 Millionen tote Zivilisten, darunter viele Frauen und Kinder. Doch zunächst ein Vergleich der absoluten Kriegstoten einiger westlicher Nationen, Zahlen, die betroffen machen: USA: 400000, Frankreich: 360000, Großbritannien: 330000, Kanada: 40000, Australien: 30000, Deutschland jedoch: 6,4 Mio. Tote. Hinzu kommt das kollektive Trauma durch den Heimatverlust von 12–14 Mio. Deutschen, die gewaltsam aus den ostdeutschen Gebieten vertrieben wurden. Vor allem Frauen, Kinder und Greise erlebten auf ihrer überstürzten Flucht im Winter 1945 die Hölle. Zu den über 6 Mio. Kriegstoten und den 12 Mio. Vertriebenen kommen noch einmal 2 Mio. deutsche Frauen und junge Mädchen hinzu, die von der systematischen Massenvergewaltigung durch russische Soldaten betroffen waren. […] In den USA, England oder Frankreich gibt es diese nahezu flächendeckende persönliche Betroffenheit durch Täter- oder Opferschaft de facto nicht. Denn rechnet man obige Zahlen der persönlich betroffenen Deutschen hoch, so gibt es in nahezu jeder deutschen Familie wenigstens ein Familienmitglied, das getötet, verwundet oder vergewaltigt wurde. Zudem ist ja völlig klar, dass es innerhalb der betroffenen Generation eine kaum zu bemessende Anzahl geleugneter Täterschaft gibt, das heißt, eine saubere Trennlinie zwischen ›Opfern‹ und ›Tätern‹ lässt sich in einem Gewaltraum so gut wie niemals ziehen. Deutschland bis 1945 als ebendiesen Gewaltraum zu erkennen, in dem sowohl durch Opferschaft als auch durch Täterschaft eine nahezu flächendeckende Betroffenheit der Bevölkerung gegeben war, ist für das weitere Verständnis dieses Buches unerlässlich. Deutsche Babyboomer sind nicht einfach nette, unbelastete, lebensfrohe Fünfzigjährige wie in anderen westlichen Demokratien auch. Sie sind die Kinder von Eltern, die als Kinder um ihr Leben rannten, auf der Flucht aus dem Osten. Sie sind die Kinder von Eltern, die in Bunkern der Großstädte zitterten