Richard Dawkins schreibt in Der erweiterte Phänotyp, dass beim Studium eines Lebewesens auch die Auswirkungen seiner Gene auf die Umwelt zu analysieren sind.
2002 Stephen Jay Gould kritisiert Dawkins Theorie in The Structure of Evolutionary Theory. Dazu greift er die Konzepte des klassischen Darwinismus auf und verfeinert sie.
Das Konzept des »egoistischen Gens« wurde von dem britischen Evolutionsbiologen Richard Dawkins in dem Buch The Selfish Gene (1976; dt.: Das egoistische Gen, 1978) bekannt gemacht. Demnach beruht die Evolution grundsätzlich auf dem Überleben bestimmter Formen eines Gens auf Kosten anderer Formen. Dabei überleben diejenigen, die einen Phänotyp (also Körpermerkmale und Verhalten) hervorbringen, der bei der Verbreitung des Gens erfolgreich ist. Da Erbinformationen durch Gene auf der DNA vererbt werden, muss man, so die Befürworter der Theorie, natürliche Selektion und Evolution aus der Perspektive der Gene betrachten. Dawkins wurde stark von William Donald Hamiltons Arbeit über Altruismus beeinflusst und untersuchte Egoismus und Altruismus in der Biologie in Das egoistische Gen genauer. Demnach sind Organismen nur Vehikel, um Gene – die »Replikatoren« – voranzubringen. Gene, die dem Organismus beim Überleben und bei der Fortpflanzung helfen, erhöhen ihre eigene Chance, weitergegeben zu werden.
Eine männliche Schwarze Witwe nähert sich dem riesigen Weibchen. Er gibt beim Akt genetisch bestimmt seine Gene weiter, stirbt aber nachher.
Erfolgreiche Gene sind oft auch für den Wirtsorganismus vorteilhaft. Schützt etwa ein Gen ein Lebewesen vor Krankheiten, fördert das auch dessen Verbreitung. Jedoch widersprechen sich die Interessen von Replikator und Vehikel offenbar manchmal. Das Männchen der Schwarzen Witwe paart sich mit dem Weibchen, obwohl es vielleicht von ihm gefressen wird. Doch das Opfer des Männchens nährt das Weibchen und erhöht die Chance, seine eigenen Gene zu vererben.
Egoismus und Altruismus
Der Egoismus der Gene führt meist zu egoistischem Verhalten des Organismus, manchmal erreicht das Gen die eigenen egoistischen Ziele aber auch, indem es scheinbar altruistisches Verhalten des Organismus fördert. So ist die Verwandtenselektion eine Evolutionsstrategie, bei der ein Individuum den Fortpflanzungserfolg seiner Verwandten auf Kosten des eigenen Überlebens oder der Fortpflanzung fördert.
Ein Extrembeispiel ist die Eusozialität. Honigbienen zum Beispiel sind eusoziale Insekten. In ihren Kolonien leben Individuen, die sich fortpflanzen, und solche, die sich nicht fortpflanzen. Indem sie das Überleben der Kolonie sichern, sorgen die Tausenden sich nicht fortpflanzenden Arbeiterinnen dafür, dass sich die Gene verbreiten, die sie mit der Königin teilen. Sie hat als Einzige Nachkommen.
Dawkins Kritiker wenden ein, dass Gene nicht das Verhalten steuern und deshalb nicht egoistisch handeln können. Dawkins erklärt dagegen, er habe Genen niemals einen bewussten Willen zugeschrieben. Später schrieb er, dass »das unsterbliche Gen« wohl ein besserer Name für das Konzept und das Buch gewesen wäre.
»Heute kann man die Evolutionstheorie ungefähr ebenso anzweifeln wie die Lehre, dass sich die Erde um die Sonne dreht.«
Richard Dawkins Das egoistische Gen, 1976
Richard Dawkins
Richard Dawkins wurde in Kenia geboren; seine Eltern waren Briten. Nach der Rückkehr der Familie nach Großbritannien entwickelte er ein starkes Interesse an der Natur und studierte Zoologie in Oxford. Dort wurde er von dem Nobelpreisträger Nikolaas Tinbergen betreut, der ein Pionier der Verhaltensforschung an Tieren war. Nach einem kurzen Aufenthalt an der University of California in Berkeley kehrte Dawkins nach Oxford zurück.
Richard Dawkins ist am bekanntesten für sein Buch The Selfish Gene (Das egoistische Gen), in dem er argumentiert, dass das Gen die grundlegende Einheit ist, auf die die Selektion der Evolution wirkt. Seine Theorie führte später zu heftigen Debatten mit Stephen Jay Gould und anderen Evolutionsbiologen. Er ist zudem ein bekannter Religionskritiker und Verfechter des Atheismus.
Hauptwerke
1976 Das egoistische Gen
1982 Der erweiterte Phänotyp
1986 Der blinde Uhrmacher
2006 Der Gotteswahn
2009 Die Schöpfungslüge: Warum Darwin recht hat
ÖKOLOGISCHE VORGÄNGE
1917
Joseph Grinnell veröffentlicht seine Forschungen zur Kalifornienspottdrossel und führt die Theorie der ökologischen Nische ein.
1957
Robert MacArthurs Forschungen an Waldsängern in Nordamerika zeigen, wie verschiedene Arten die direkte Konkurrenz vermeiden und koexistieren.
1965
Dan Janzen beobachtet die gegenseitige Abhängigkeit zwischen Akazien und Ameisen und schließt auf die Entwicklung einer mutualistischen Symbiose.
1925–1926
Die Lotka-Volterra-Regeln beschreiben mit mathematischen Gleichungen die Wechselwirkung zwischen Räuber und Beute.
1961
Joseph Connell zeigt, dass verschiedene Seepocken in verschiedenen Gezeitenzonen leben, obwohl sie in allen Zonen leben könnten.
1969
Robert Paine prägt den Begriff »Schlüsselarten« für Arten, die eine Schlüsselrolle innerhalb eines Ökosystems innehaben.
1970er
Roy Anderson und Robert May zeigen, wie Epidemien Wachstumsraten von Populationen beeinflussen.
1977
Veröffentlichungen von Ronald Pulliam, Eric Charnov und Graham Pyke beschreiben die Theorie des optimalen Nahrungserwerbs, nach der Tiere versuchen, bei der Suche nach Ressourcen möglichst wenig Energie aufzuwenden.
2002
Robert Sterner und James Elser sind Pioniere der ökologischen Stöchiometrie. Dabei geht es darum, wie Mengenverhältnisse chemischer Elemente in Organismen diese beeinflussen und von Reaktionen beeinflusst werden.
1972
Knut Schmidt-Nielsen veröffentlicht How Animals Work. Sein Buch beeinflusst die Ökophysiologie enorm.
1991
Earl Werner veröffentlicht seine Ergebnisse zu nicht konsumtiven Effekten von Räubern auf Beutepopulationen.
Im 5. Jahrhundert vor Christus erkannte der griechische Historiker Herodot, dass Krokodile ihre Mäuler öffnen, damit bestimmte Vögel Kleintiere aus ihren Zähnen herauspicken konnten. Er beschrieb damit wohl als Erster einen ökologischen Prozess, in diesem Fall eine Symbiose zwischen Reptilien und Vögeln. Im 4. Jahrhundert beobachteten