Wolfgang Frisch

Plattentektonik


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Die Altersdifferenz der Vulkane am Knick und auf Hawaii beträgt 42 M. J. Daraus ergibt sich eine durchschnittliche Bewegung der Pazifischen Platte gegenüber dem Heißen Fleck von 7,7 cm/Jahr.

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      Die für den jüngsten Zeitabschnitt errechneten Geschwindigkeiten kann man auf den Jetztzustand extrapolieren. Mit dem Modell NUVEL (Northwestern University VELocity model, erstellt von der Northwestern University in Evanston, Illinois) wurden Mittelwerte der Plattenbewegungen für die letzten 3 Millionen Jahre errechnet und als beste Werte für die heutigen Plattenbewegungen angenommen. Wie sich inzwischen herausstellte, erbrachte die Methode in den meisten Fällen sehr gute Ergebnisse. Für den Atlantik, jenen der drei großen Ozeane, der die geringste Krustenproduktion aufweist, wurden Ausbreitungsraten – jeweils beide Flanken des Rückens zusammengenommen – von knapp 2 cm/J. südlich von Island und von maximal 4,5 cm/J. im Südatlantik errechnet [LePichon 1968, DeMets et al. 1990]. Am Ostpazifischen Rücken werden Geschwindigkeiten von bis zu 15 cm/J. erreicht (Abb. 1.2). Es sind dies die höchsten aktuellen Bewegungsraten zwischen zwei Platten. Im Indik beträgt die Ausbreitungsgeschwindigkeit bis zu 7,5 cm/J. Geschwindigkeiten entlang von Subduktionszonen und Transformstörungen wurden aus dem von den Spreizungsachsen und Heißen Flecken abgeleiteten Bewegungsmuster errechnet. Die Werte für Subduktion erreichen im westlichen Pazifik bis zu 9 cm/J. Die Bewegung entlang der San-Andreas-Transformstörung beträgt fast 6 cm/J.

      Seit den 1970er-Jahren versuchte man, Plattenbewegungen mit Satelliten-Laser-Radar (SLR) und mit Langstrecken-Interferometrie (Very Long Baseline Interferometry – VLBI) direkt zu messen. Beim SLR werden Radarpulse ausgesandt, die von Satelliten reflektiert und wieder aufgefangen werden. Abstände können auf diese Weise mit Zentimeter-Genauigkeit gemessen werden. Bei der VLBI verwendet man starke kosmische Radiostrahlung wie die charakteristischen Signalmuster von Quasaren (sehr weit entfernten Himmelskörpern, die „quasistellare Radioquellen“ darstellen – daher der Kurzname Quasar), die an verschiedenen Stationen der Erde aufgefangen werden. Aus den unterschiedlichen Ankunftszeiten der gleichen Signale kann man den Abstand der Stationen bis auf Millimeter-Genauigkeit ermitteln, wenn Messungen über Jahre hinaus durchgeführt werden. Diese insgesamt aufwendigen Techniken wurden in den 1990er-Jahren durch Messungen mit dem Globalen Positionierungs-System (Global Positioning System – GPS) verdrängt.

      Die GPS-Technik ist preisgünstig, leicht handhabbar und von Wolkenbedeckung unabhängig. Messungen können inzwischen mit einer Genauigkeit von unter 1 mm durchgeführt werden. Die Basis für das GPS-System bilden 24 Satelliten. Das Prinzip beruht auf der Messung von Wellen und ihres Doppler-Effekts, da sich der Satellit gegenüber der Messstation am Boden bewegt. Die Messung erfolgt über mindestens drei, aber möglichst viele Satelliten gleichzeitig, wobei die exakte Synchronisierung des Messtakts entscheidend ist. Die Empfänger messen über zwei Wellenfrequenzen, um die Genauigkeit zu erhöhen. Um Fehler auszuschalten, werden Messwerte von zwei oder mehreren gleichzeitig arbeitenden Empfängern zusammengeführt (Methode der Interferometrie). Die Bahndaten der Satelliten müssen auf Dezimeter genau bekannt sein, die Zeitmessung erfolgt mit Milliardstelsekunden-Genauigkeit (eine Zeitspanne, in der Licht 30 cm zurücklegt). Außerdem müssen die Parameter der Erdrotation ständig mit hoher Präzision bestimmt werden. Die Pollage ist inzwischen mit einem Fehler von weniger als 10 mm bekannt.

      Nach Aufbau eines globalen Referenzsystems war es möglich, bereits nach einer Messzeit von 2 Jahren Plattenbewegungen mit Millimeter-Genauigkeit zu bestimmen [Reigber & Gendt 1996]. Um die Bewegung einer Platte zu ermitteln, müssen mindestens drei Stationen auf der Platte installiert sein. Andererseits kann die Änderung des Abstands zwischen zwei Stationen, die auf verschiedenen Platten liegen, gemessen werden. Bei dem Vergleich der Relativbewegungen zwischen einer Station auf Hawaii bzw. einer anderen im Bayerischen Wald (Wettzell) und einer Anzahl von Messpunkten auf verschiedenen Platten ergaben sich erstaunlich gute Übereinstimmungen mit den Werten, die mit dem NUVEL-Modell errechnet wurden, aber auch einige signifikante Abweichungen (Abb. 2.13a).

      Die Abweichungen betreffen zum Beispiel die Werte zwischen Hawaii und Punkten am Westrand der Nordamerikanischen Platte. In dem tektonisch komplizierten Gebiet entlang der Grenze zwischen Pazifischer und Nordamerikanischer Platte manifestiert sich junge einengende und dehnende Verformung durch Auffaltung und Beckenbildung. Dies führt zu individuellen Bewegungen kleiner Schollen, die nicht mit den Bewegungen der großen Platte, der sie angehören, konform gehen.

      Drei Punkte, die alle auf der Pazifischen Platte liegen (Hawaii und Tahiti im offenen Pazifik, Kalifornien westlich der San-Andreas-Störung), sollten nach der strikten Definition der Platten keine Relativbewegung zueinander zeigen (NUVEL-Werte: 0 mm; Abb. 2.13a). Dennoch entfernen sich die beiden letztgenannten Punkte von Hawaii um Beträge von etlichen Millimetern pro Jahr. Dies lässt den Schluss zu, dass Platten auch intern einer gewissen Deformation unterliegen können, wie im vorhergehenden Kapitel aufgrund der Erdbebentätigkeit bereits festgestellt wurde. Die Bewegungsbeträge dieser „Intraplatten-Tektonik“ sind aber zumindest eine Größenordnung kleiner als jene an den Plattengrenzen. Auch östlich des Atlantiks wurden solche Intraplatten-Bewegungen festgestellt. Das Böhmische Massiv, in dem die Station Wettzell liegt, nähert sich Skandinavien um etwa 3 mm/J. an, obwohl beide Regionen auf der Eurasischen Platte liegen. Zwischen Wettzell und dem südlichen Afrika wäre Konvergenz zu erwarten, weil sich der alpinmediterrane Gebirgsgürtel weiterhin einengt (NUVEL-Berechnung: 8 mm Annäherung pro Jahr), die GPS-Daten zeigen aber eine leichte Auseinanderbewegung der beiden Punkte an. Dies lässt auf Dehnungserscheinungen im Mittelmeer oder auf dem afrikanischen Kontinent schließen.

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      Die Messung der absoluten Plattenbewegungen erfordert ein festes Koordinatensystem, das im Schwerpunkt der Erde zentriert ist und durch den geographischen Pol (z-Achse) und den Frühjahrspunkt der Ekliptik (x-Achse) bestimmt wird. Der direkte Vergleich der absoluten Plattenbewegungen, die mit GPS und mit NUVEL berechnet wurden, zeigt weitgehend sehr gute Übereinstimmung (Abb. 2.13b). Die Bewegungspfeile führen die NW- und NO-Drift der Kontinente zu beiden Seiten des Atlantiks vor Augen, wie dies am Beispiel des Heißen Flecks von Tristan da Cunha dargelegt wurde (Abb. 2.6). Ebenso kommen die rasche Auseinanderbewegung zwischen Pazifischer und Nazca-Platte und die zum Teil komplexen Konvergenzbewegungen entlang der Subduktionszonen im westlichen Pazifik zum Ausdruck.

      Laurasia: Solange das plattentektonischen