Wiebke Groth

¡PARAGUAY, MI AMOR!


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vorstellen.“

      An dieser Stelle erscheint ein albern grinsender Smiley.

      „Alles was sie ist und wie wundervoll sie sich entwickelt hat, ist Dir und Jola anzurechnen, aber bitte gewähre Deinem kleinen Bruder den Wunsch, seiner leiblichen Tochter in die Augen blicken zu dürfen.“

      Wenn es da nicht eindeutig um mich gehen würde, hätte ich schon längst meinen Blick von diesen schwülstigen und arroganten Zeilen abgewendet; stattdessen entringt sich meiner Kehle ein trockener Schluchzer. Entschlossen drücke ich auf das Drucker-Symbol.

      ***

      „Was hat das zu bedeuten?“

      Mit nur schwer unterdrückter Erregung wedele ich circa drei Stunden später mit dem Ausdruck unter der Nase meiner Eltern herum. Im elterlichen Wohnzimmer ist alles für einen beschaulichen Feierabend eingeläutet.

      Aus dem Zimmer meines Bruders Erik wummern die Bässe einer mir unbekannten deutschen Hardrock-Band.

      Hugo fängt sich als Erster und nimmt den Zettel entgegen. Seine Hand zittert unmerklich, als er liest.

      „Das …das solltest du so nicht erfahren“, stottert mein sonst so redegewandter Vater (?).

      Resolut nimmt meine Mutter ihm den Zettel aus der Hand.

      „Oh, dieser egozentrische Dummkopf“, murmelt sie leise. „Ja, es stimmt, Valeska.

      Dein leiblicher Vater ist Jost Harald König, der jüngere Bruder von Hugo“, fährt sie fort.

      „Wir“, sie hüstelt kurz, „hatten eine kurze, aber folgenschwere Affäre, bevor ich Hugo heiratete“, betont sie.

      „Dann aber wurde mir klar, dass Hugo der richtige Mann für mich ist und wir heirateten im Sommer 1979.

      Silvester desselben Jahres feierten wir bei gemeinsamen Freunden von Jost und Hugo. Dein Onkel konnte nicht dabei sein, da er auf einer Geschäftsreise war und so fuhr ich mit Jost hin. Als er mich gegen drei Uhr morgens nach Hause brachte nutzte er die Gunst der Stunde und verführte mich.

      Kurz darauf stellte ich fest, dass ich schwanger war – es war klar, dass nur Jost der Vater sein konnte, aber dann …“

      „Kniff mein feiner Bruder und wanderte kurz darauf nach Paraguay aus“, ergänzt der Mann, den ich 19 Jahre für meinen Vater hielt, und beginnt zu erzählen.

      JAN-HUGO

      Hamburg, Februar 1980

      „Ich war gerade von einer Geschäftsreise heimgekehrt. Jola erwartete mich aufgelöst im Flur unserer Wohnung in Hamburg-Barmbek.

      „Hallo, mein Schatz“, küsste ich sie freudig. „Alles klar?“

      „Hugo!“, stieß sie gepresst hervor. „Ich bin schwanger!“

      „Oh, Liebling – wie wunderbar!“

      Ich wollte sie fest in die Arme nehmen und wieder küssen, aber sie wich zurück.

      „Es ist nicht so, wie du denkst.“

      „Ich gebe zu, es ist schwer zu erklären, aber was Jola sagen möchte: Du bist nicht der Vater, großer Bruder!“

      Ich erstarrte.

      „Jost, was machst du hier?“, fragte ich lahm.

      „Jola hat gleich den werdenden Vater informiert“, sagte er, während er durch die Küchentür in den Flur zu uns trat.

      „Du – Du hast dich wieder an Jola herangemacht??!! Du mieses hinterhältiges Schwein!

      Und als ob das nicht schlimm genug wäre, hast du sie auch noch geschwängert?!“

      Ich zittere vor Wut und kann kaum glauben, was ich da höre. Am liebsten würde ich mich auf meinen kleinen Bruder stürzen und ihn verprügeln, aber da steht Jola, meine wunderhübsche junge Frau und sie erwartet ein Kind!

      Ich atme also tief durch, als Jost sagt: „Ich habe Jola natürlich gesagt, dass sie es abtreiben soll!“

      „Wie bitte? Das war mir klar, dass du dem ganzen nicht gewachsen bist!

      Aber du hast hier gar nichts zu melden! Meine Frau wird selbst entscheiden, was sie mit diesem neuen Leben macht!“

      „Dann nimm du das mal wieder in deine zuverlässigen Hände“, sagte Jost mit bitter-höhnischer Stimme. „Du warst ja schon immer der Verantwortungsvollere von uns beiden. Mutter hat keine Gelegenheit versäumt, das immer wieder zu betonen!“

      „Ach ja? Dann wird es wohl stimmen. Wie war es denn mit dir? Sobald du etwas Verantwortung tragen solltest, hast du gekniffen. Angefangen bei unseren Haustieren – du hast sie nur selten versorgt- über die Unordnung in deinem Zimmer und so weiter und so fort.

      Als du dann mal auf unsere jüngeren Cousinen aufpassen solltest, hast du ihnen Zigaretten angeboten und sie rauchen lassen und sie für dich die Haushaltssachen erledigen lassen, die Mutter dir aufgetragen hatte. Zum Glück kam ich an dem Tag früher nach Hause und entdeckte es!

      Dann deine Berufswahl: Du studierst seit fünf Jahren und liegst Vater damit auf der Tasche. Birga, Betty und ich arbeiten, seit wir 16 sind und verdienen unser eigenes Geld.

      Du kannst mit 25 nicht mal eine Familie ernähren! Geschweige denn Verantwortung für ein Kind tragen!“ Ich war außer mir vor Empörung und ballte die Fäuste, mein Gesicht war rot angelaufen.

      Jola legte mir beruhigend eine Hand auf die Schulter. Ich zwang mich zur Ruhe, aber da hörte ich meinen Bruder provozierend entgegnen:

      „Ganz genau Jan-Hugo. Kaufmännisch-präzise auf den Punkt gebracht, wie wir es von dir kennen.

      Ich kann keine Familie ernähren. Nächstes Jahr bin ich mit dem Studium fertig und werde dann mit einem Schlag mehr verdienen als meine drei älteren Geschwister zusammen!“

      Bei den Worten schnaubte ich verächtlich auf, aber Jost Harald fuhr unbeirrt fort:

      „Deshalb sage ich dir, liebste Jola:

      Bitte, bitte lass dieses – Missgeschick – wegmachen! Ich kann nicht dafür sorgen.“

      Ich konnte vor Fassungslosigkeit gar nichts sagen – aber meine Frau schrie erstickt auf, bevor sie auf Jost zuging und ihn energisch Richtung Tür schob, dabei sagte sie diese Worte und ich weiß, warum ich sie ewig lieben werde: „Verschwinde Jost – verschwinde für immer aus unserem Leben!

      Mit diesen Worten hast du dich für immer für die Vaterschaft disqualifiziert!

      Dieses Kind wird zur Welt kommen und es wird nur einen Vater haben, der Jan-Hugo König heißt!“

      VALESKA

      17.06.1999

      „Das ist wirklich so geschehen?“, frage ich meinen Onkel schockiert.

      „Ja, in der Tat, so war es“ entgegnet er traurig.

      „So seid ihr auseinandergegangen?“

      „Nein, kurz nach deiner Geburt im Oktober stand Jost plötzlich mit einem Geschenk vor der Tür.

      Einer roten Frotteepuppe für Babys“

      „Ach ja“, erinnere ich mich. „Damit habe ich viel gespielt, auch als ich schon größer war.“

      JAN-HUGO

      20.10.1980

      Zehn Tage waren seit Valeskas Geburt vergangen. Zehn schlaflose Nächte ebenfalls, denn die Kleine brüllte sich irgendeinen Frust von der Seele, den wir nicht kannten und ergo nicht lösen konnten.

      Sie war nachts nur ruhig, wenn sie an Jolas Brust trank oder auf meinem Bauch schlief.

      Es klingelte. Ich war gerade von der Arbeit zurückgekommen. Am liebsten hätte ich die Tür wieder geschlossen, aber dann