so Widerwärtiges machen? Warum habt ihr mir das angetan?
Was seid ihr für Menschen?! Du“, ich zeige auf meine Mutter, „du“, dies gilt Jan-Hugo, „und mein sogenannter Vater Jost Harald! Warum habt Ihr ihn so weggeschickt?
Er wollte Anteil nehmen! Warum hat er sich nicht gewehrt, dieser Feigling! Ein Vaterschaftstest wäre das Mindeste gewesen!“
Ich breche schluchzend zusammen und sinke auf den Boden.
Beide trösten mich und irgendwann habe ich mich beruhigt.
„Ach Leska“, seufzt Jan-Hugo. „Damals dachten wir, es sei das Beste für alle.
Wir hielten Jost der Verantwortung nicht für gewachsen. Vaterschaftstests waren damals nicht so üblich wie heute und schließlich gab er nach und ging nach Paraguay“
„Ich will mit ihm telefonieren“, schluchze ich.
„Ja in Ordnung. Aber das machen wir morgen. Heute sind wir alle zu aufgeregt“, sagt mein Onkel.
***
Am nächsten Tag sitze ich vor unserem Mobilteil und starre auf die lange Telefonnummer.
Zuerst wollte Hugo seinen Bruder vorwarnen, aber ich sagte, dass ich allein mit ihm sprechen möchte.
Mit klopfendem Herzen beginne ich zu wählen.
„Hola“ meldet sich eine weibliche Stimme.
Ich stottere den spanischen Satz, den ich mir zurechtgelegt habe.
„Sí claro“, antwortet die Señora und ich höre sie nach „José“ rufen.
„Hola“, meldet sich kurz darauf eine angenehme, männliche Stimme.
„Hallo ... – Jost“, sage ich stockend. „Hier ist deine Tochter.“
Plötzlich steigen Tränen und eine unbändige Wut in mir hoch:
„Wie konntest du nur wie ein elendiger Feigling davonlaufen?
Wann wolltet ihr mir eigentlich die Wahrheit sagen? Auf euren Totenbetten?“
Jetzt kann ich nicht weitersprechen, denn die Tränen brechen sich ihre Bahn.
„Oh Gott – Valeska!“
Am anderen Ende der Leitung – über 10.000 Kilometer entfernt – ist ein tiefer Atemzug zu hören. „Valeska – verzeih mir, bitte! Wie hast du es erfahren?“
„Durch deine dämliche Mail und meine Neugier!“
Paraguay, 22. Juli 1999
„Ich hätte nicht gedacht, dass wir uns nach diesem Auftakt sehen würden. Du hattest ja danach aufgelegt. Ich war total fertig. Aber am nächsten Tag riefst du wieder an, entschuldigtest dich sogar.
Es wurde ein gutes Gespräch und wir sprachen eine Stunde und ich war so glücklich, als du meiner spontanen Einladung folgtest und zusagtest, herzukommen.“
Er schaut mich lächelnd an:
„Valeska, meine große, deutsche Tochter, es ist schön, dass du hier bist!“ Er breitet die Arme aus und zögernd umarme ich ihn. Er taxiert mich und sagt:
„Du bist ein sehr hübsches Mädchen.“
Ich schaue ihn an, als ob er einen Scherz gemacht hat:
Mit meinen 165 cm bin ich eher klein, habe kräftige Beine, kleine Hände und kurze dicke Finger.
Ich bin stämmig, aber nicht dick. Allenfalls bin ich durchschnittlich.
Das dichte hellbraune Haar, das ich sehr kurz trage, in Kombination mit den wasserblauen Augen und den vollen Lippen sowie die runden, wohlgeformten Brüste gefallen mir wiederum.
„Quatsch, ich bin nicht hübsch!“
„Selbstbewusstsein und Liebe zu deinem Körper haben sie dir nicht beigebracht“ murmelt Jost ungehalten. Dann, freundlicher: „Ich sage das nicht nur als stolzer, sondern auch als besorgter Vater.
Du bist eine junge, hübsche Frau in der Blüte ihrer Jahre.
Du bist nicht in Deutschland, sondern in Paraguay, wo noch ein anderes, ein archaischeres Weltbild von Männern und Frauen herrscht.“
Ich lache unwillkürlich, es klingt irgendwie so lächerlich und gestelzt.
„Ich möchte, dass du es ernst nimmst! Sei einfach vorsichtig.
Die Männer und Jungen hier sind nicht immer so zurückhaltend, wie du es aus Deutschland kennst.“
„Ach ein bisschen Machotum ist für uns manchmal ganz nett“, sage ich provozierend.
Was bildet er sich eigentlich ein?
Klugerweise schweigt er nun, er merkt wohl, dass es nicht gut angekommen ist.
„Warum bist du eigentlich hierhergekommen?“, frage ich, um einen Themenwechsel bemüht.
„Ich meine, bis vor zehn Jahren war Paraguay eine üble Diktatur und eine Nazihochburg.“
„Ja, das ist leider wahr. Es gibt hier viele ausgewanderte Nazis und deren Nachkommen, die dieser Ideologie anhängen.“ Er lächelt gequält. „Aber Paraguay ist bei Weitem nicht das einzige Land in Südamerika mit diesem Problem.
Du musst mir glauben, dass ich damit überhaupt nichts am Hut habe.“
Währenddessen sind wir durch die Ankunftshalle Richtung Ausgang gelaufen.
„Ich erzähle dir gleich alles, was du über mich wissen willst.
Wir haben knapp drei Stunden Fahrt vor uns. Aber zuerst: Hast du Hunger, möchtest du etwas trinken?“
„Wir hatten im Flugzeug gerade noch etwas zu essen.“ Es ist jetzt 14:00.
„Aber was zu trinken wäre super.“
„Ich habe Wasser im Auto. Hier in Paraguay sollte man immer genügend Wasser bei sich haben, selbst jetzt in unserem Winter und erst recht im Sommer, wenn es oft über 40 Grad Celsius heiß ist.“
„Wasser klingt gut.“
„Ach, weißt du was, wir gehen trotzdem in einen Supermarkt“, sagt er, „ich wollte sowieso schauen, ob sie unsere Produkte gut platziert haben und so kannst du gleich sehen, womit ich hier meinen Lebensunterhalt verdiene.“
„Ja, okay“, ich bin total aufgedreht. Obwohl ich im Flugzeug immerhin etwas geschlafen habe, lassen mich der Jetlag und die neuen Eindrücke hellwach sein.
Wir verlassen nun das Flughafengebäude, warme Luft schlägt mir entgegen.
„Wir sind hier in Luque, einem größeren Nachbarort von Asunción. Wir gehen nun zum Parkplatz und fahren dann ins Stadtzentrum unserer Hauptstadt“, erklärt Jost.
Eine völlig fremde, faszinierend exotische Welt schlägt mir entgegen. Der „Aeropuerto Internacional Silvio Pettirossi“ selbst ist ein moderner hellgrauer Komplex auf mehreren Ebenen und auf einer Gebäudeseite vollständig mit Grünpflanzen bepflanzt.
Der Flughafen liegt am nordwestlichen Stadtrand von Luque, ein Zubringer führt uns ins benachbarte Ascunción. Tropische Pflanzen, die ich allenfalls aus Filmen kenne, wachsen am Wegesrand, für einen Freitagnachmittag herrscht reger Verkehr in und um den Flughafen.
Jost führt mich zu den Parkplätzen und einen in die Jahre gekommenen Jeep.
„Bei den hiesigen Straßenverhältnissen, besonders auf der Estancia, ist der Jeep einfach praktisch“, erklärt er fast verlegen.
„Ist doch okay“, meine ich, „es ist mir egal, was für ein Auto du fährst“
Er lacht: „Komm, steig ein, Kleine.“
Schnell erreichen wir das Stadtzentrum Asuncións, wobei ich Josts stoische Gelassenheit bewundere, mit der er den Geländewagen ruhig durch den teils chaotischen