über die Wasserfläche empor und schritt so in dem stets seichter werdenden Fluss auf die Treppe zu. Als er dort anlangte, standen vier bis fünf Männer auf deren Stufen. Es war die Polizeipatrouille, die den Hilferuf des Mannes vernommen hatte. Die beiden Polizeiagenten, die ihm am nächsten standen, reichten dem Erschöpften die Hand, nahmen den regungslosen Dichter in Empfang und trugen ihn unter die Laterne, wo sie ihn erst eine Viertelstunde zuvor gesehen hatten.
»Der gute Mann muss viel Hitze gehabt haben, dass er sich im November badet!«, rief einer der Gerechtigkeitsdiener, indem er den Körper auf das Straßenpflaster niederlegte.
»Und nicht minder der, der ihn in seinem Bad störte«, fügte der Führer hinzu.
»Meine Herren«, sprach der Retter, ohne auf die menschenfreundlichen Äußerungen zu achten, »leiht mir einer von Ihnen wohl ein trockenes Taschentuch, denn das meinige ist nass.
»Hier«, sprach der Führer und reichte ihm das Verlangte.
Der kühne Schwimmer ergriff das Tuch und begann ungesäumt, die Schläfe des ohnmächtigen Richard damit zu trocknen und zu reiben.
»Dem Himmel sei Dank«, rief er nach einigen Augenblicken, »er atmet wieder; ich kam noch zur rechten Zeit! Meine Herren, helfen Sie mir, den armen Menschen auf den Stein zu setzen, der zwei Schritte von hier an der Brücke steht.«
Die Männer taten es. Bei dieser Gelegenheit sah der Führer der Patrouille das bleiche Gesicht Richards.
»Was sehe ich«, rief er erstaunt, »ist das nicht unser Dichter von vorhin?«
»Wie, Sie kennen ihn?«, fragte der Retter, der seine Belebungsversuche von Neuem begonnen hatte.
»Vor einer Viertelstunde hatten wir hier eine kurze Unterredung mit ihm; der arme Mensch kam mir gleich verdächtig vor.«
»Und trotzdem haben Sie ihn verlassen?«
»Mein Bester«, antwortete der Polizist lächelnd, »das Recht, sich zu baden, hat der Belagerungszustand nicht aufgehoben, denn es ist eines der ältesten Privilegien, die das Volk besitzt; die muss selbst die Polizei respektieren! Untersucht ihm die Taschen«, befahl er einem der Agenten, »vielleicht trägt er Papiere bei sich, die uns Auskunft über seine Person geben.«
Mit bewunderungswürdiger Geschicklichkeit wurde der Befehl ausgeführt. Der Visitator fand zwei Papiere in Richards Tasche, die er seinem Chef reichte.
»Verse!«, rief er, nachdem er das erste geöffnet und unter der Laterne gelesen hatte. »Dass er ein Dichter ist, wissen wir bereits – wollen sehen, was das zweite Papier enthält. Ah, ein Brief!«
»So lesen Sie!«
»Herr Direktor! Auf meine Bitte, meiner kranken Mutter einen Platz in dem Hospital anzuweisen, antworteten Sie mir, dass Sie keine Rücksicht darauf nehmen könnten, da mehr Gesuche eingegangen seien, als Plätze zu vergeben sind, und dem Sohn die Mutter näher stünde als dem Hospital. Schon seit mehr als sechs Monaten mangelt es mir an Arbeit und die Zukunft gewährt wenig Aussicht dazu. Bemühen Sie sich in meine Wohnung; dort werden Sie erfahren, dass meiner armen Mutter nur noch das Hospital bleibt, denn ihr Sohn …«
»Sie brauchen nicht weiterzulesen«, rief Richards Lebensretter, »ich kenne jetzt die Überlegung, die den Kopf dieses Unglücklichen exaltiert hat. Wenn die Mutter den Sohn verloren hat, so wird er gefolgert haben, ist kein Grund mehr vorhanden, ihr einen Platz in dem Hospital zu verweigern. Dieser Unglückliche ist des Mitleids wert. Meine Herren, mein Name ist Franz Witt und ich bin der Associé des Herrn Hubertus, dessen Fabrik Ihnen nicht unbekannt sein wird – ich wünsche, für den Armen Sorge tragen zu können.«
»Tragen Sie Sorge, mein bester Herr; Sie haben ihn aus dem Wasser gezogen, folglich gehört er Ihnen.«
»Noch eine Bitte«, rief Franz, der vor Kälte am ganzen Körper zitterte; »senden Sie einen Ihrer Leute nach einem Wagen!«
»Ich glaube kaum, dass Sie einen finden werden, denn die Wagen sind sehr selten geworden, seit man sie zum Barrikadenbau verwendet hat.«
»Dort neben der Kirche sah ich einen Fiaker halten«, sprach ein Agent; »es ist leicht möglich, dass er noch anzutreffen ist.«
»So hole ihn«, befahl der Führer. »Mein Herr«, wandte er sich zu Franz, der Richards Kopf in seinen Armen hielt, um ihn zu erwärmen, »ich stehe mit dem Redakteur eines Journals in Verbindung, der am ersten Tag jedes Monats in unserm Büro erscheint – durch ihn werde ich Ihre schöne Handlung zur allgemeinen Kenntnis bringen.«
»Unterlassen Sie das«, gab Franz zur Antwort, »ich folge nur einem ganz natürlichen Gefühl, das Ihnen, so wie jedem anderen, ebenfalls nicht fremd sein wird – es ist nicht der Mühe wert, ein Wort darüber zu verlieren.«
Die Unterhaltung stockte für einige Minuten; die Polizeiagenten, des Wartens auf offener Straße überdrüssig, sahen sehnsüchtig in die Richtung, von wo der Wagen kommen sollte. Franz, fast erstarrt in seinen nassen Kleidern, hielt immer noch den Kopf des armen Richard, der durch ein lautes Zähneklappern seine Wiederkehr zum Leben anzeigte.
Endlich ließ sich in der Ferne ein Geräusch vernehmen und einige Zeit später rollte der erwartete Wagen heran.
»Gute Verrichtung!«, rief der Polizeiagent und verschwand mit seinen Leuten in der nächsten Straße.
»Freund«, sprach Franz zu dem Kutscher, »wollen Sie ein gutes Trinkgeld verdienen?«
»Gern, Herr!«
»Dann steigen Sie herab.«
Der Kutscher sprang eilig von seinem Sitz.
»Gut«, fuhr Franz fort. »Jetzt leihen Sie mir, oder vielmehr meinem Freund, der das Unglück gehabt hat, ins Wasser zu fallen, Ihren Mantel für zehn Minuten. Wollen Sie?«
»Hier«, sprach der Kutscher und zog seinen Mantel aus.
Franz hüllte den bebenden Dichter hinein, hob ihn mithilfe des Rosslenkers in den Wagen und setzte sich ihm dann zur Seite. Nachdem der junge Mann seine Wohnung näher bezeichnet hatte, schwang sich der Kutscher auf seinen Sitz und der Wagen rollte davon.
Während der Fahrt erwachte Richard aus seiner Betäubung; er hob den Kopf und sah sich in dem dunklen Raum des völlig verschlossenen Wagens verwundert um. Als er den Mann an seiner Seite gewahrte, wollte er fragen, wo er sich befand, doch ein heftiger Fieberfrost rüttelte ihn dergestalt, dass er bebend in die Ecke des Wagens zurücksank, ohne ein Wort reden zu können. Mitleidig warf Franz den schweren Mantel über den Kranken, um ihn zu erwärmen, dann sank auch er, vom Frost überwältigt, in den Sitz zurück. Endlich hielt der Wagen an. Richards Lebensretter öffnete den Schlag und sprang auf das Steinpflaster: Er stand vor Herrn Hubertus’ Haus. Rasch zog er die Glocke. Nach einer Minute öffnete sich die Tür und Kaleb, der unter Angst und Besorgnis die Rückkehr seines jungen Herrn abgewartet hatte, erschien.
»Sind Sie es, Herr Franz?«, fragte der alte Mann.
»Ich selbst!«
»Was bringen Sie für Nachricht?«, flüsterte Kaleb.
»Gute Nachricht, mein alter Freund.«
»Himmel«, rief der Kassierer plötzlich, denn er hatte Franz berührt, »Ihre Kleider sind nass!«
»Ruhig Kaleb; ich komme auch nicht allein. Helfen sie mir den Herrn, der im Wagen sitzt, auf mein Zimmer zu bringen; er ist krank. Später sollen Sie alles erfahren. Mein Herr«, rief er leise, indem er an den Wagen zurücktrat, »steigen Sie aus, wir sind am Ziel!«
»Wo sind wir?«, fragte Richard mit bebender Stimme im Inneren des Wagens.
»An der Wohnung Ihres Lebensretters. Folgen Sie mir ohne Furcht.«
Mithilfe des Kutschers stieg Richard aus. Kaleb und Franz nahmen ihn in Empfang und führten den Dichter, der sich wieder völlig erholt hatte, die Treppe hinauf, auf das bezeichnete Zimmer. Dort angelangt, nahm der Associé dem bebenden Richard den Mantel ab und gab ihn dem Kassierer. Der Greis sah den Fremden mit