Wera. Eine neue Frau stand plötzlich da. Wieder mitten im Leben und immer fröhlich und vor allem von Größe L jetzt in Größe S. Ich fühlte mich wie ein Topmodell.
Abends hörte ich noch lange russische Musik als Erinnerung an den Arzt und die schöne Zeit. Nicht selten standen mir dabei Tränen in den Augen. Mit Paul habe ich bis zum heutigen Tag Kontakt. Einmal im Jahr rufen wir uns zum Geburtstag an.
Damals, nach der Kur, fing ich an, extrem viel Rad zu fahren. Es war wie ein Rausch. Ich trainierte die Woche bis zu vier Mal, jeweils zwischen 50 und 80 Kilometer am Nachmittag nach meinem Job im Krankenhaus.
Die Stationspsychologen fragten mich, warum ich so extrem viel bike, das es nicht nur aus Spaß an der Freud sein kann. Ich sagte nur, dass es nun meine neue Passion sei, in Wirklichkeit kompensierte ich natürlich meine Einsamkeit.
Einige Zeit später war ich zu Besuch in Karlsruhe. Pauls Verein nahm mich sehr nett auf. Ein reiner Männer-Mountainbike-Verein. Ich sollte als einzige Frau die anstehende Toskanatour im Frühjahr des nächsten Jahres mitfahren. Es war eine Ehre für mich, in diese Männerdomäne einzubrechen. Das hatte noch keine andere Frau geschafft.
Natürlich kochte die Gerüchteküche:
Wo hat Paul diese Frau kennengelernt?
Aha, in der Kur!
Und sie kommt extra aus Frankfurt nach Karlsruhe?
Da muss doch mehr dahinter stecken.
Bei einem Vereinstreffen, an dem auch die Ehefrauen und Freundinnen der Männer anwesend waren, wurde ich begutachtet. Das Eis brach jedoch sehr schnell und ich wurde liebevoll integriert. Ich nahm sogar einmal im Winter mit meinem Ehemann an der Skifreizeit des Vereins am Pitztal-Gletscher teil.
Für die Toskanatour war eine Woche anberaumt. Es galt jeden Tag 100 bis 150 Kilometer zu fahren. Dafür musste ich hart trainieren. Vorab waren wir mit dem Verein in Frankreich. Zwanzig Männer und einige wenige Frauen. Wir fuhren die Route de Crètes am Grand Ballon. Bei dieser Tour geschah jedoch ein Unglück. Ein Biker verstarb am Berg an einem Herzinfarkt. Die Stimmung war auf dem Nullpunkt und alle beschlossen aus Anstand, die Tour abzubrechen.
Eine Erklärung gab es auch für den Todesfall. Der Biker hatte das ganze Jahr kaum trainiert, wollte aber unbedingt dabei sein. Alles für das liebe Ego.Dafür war er gestorben.
Ich jedenfalls schaffte die Berge, die wirklich knackig waren, und durfte mit in die Toskana. Aber dazu später mehr.
Nun war mein großes Ziel, auch so ein tolles Bike zu haben wie die Männer es hatten. Aber es war eine echte Investition. Ich benötigte mal wieder einen guten Nebenjob. Also kaufte ich mir die FR und las die Stellenanzeigen durch und wurde fündig: gesucht wird eine Masseurin, auch ohne Massage-Examen, sie sollte gute Umgangsformen haben und Spaß am massieren haben. Diese Anzeige war wie für mich gemacht und ich rief gleich an und schon am nächsten Tag war das Vorstellungsgespräch.
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