Wera Münchberg

Tantra, das Feuer meiner Passion


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einem Abenteurer, wie meinem Vater das Fliegen verbieten? Er flog heimlich weiter, bis er ein letztes Mal abstürzte und sein Drachen das Zeitliche segnete. Er war völlig kaputt.

      Mit ca. 85 Jahren hörte er auf und kam ins nahegelegene Seniorenheim mit Blick auf seinen Flugplatz. Sein kleines Haus in Laucha musste er aufgeben, da wir ihn leider im nahegelegenen Seniorenheim unterbringen mussten. Er nannte es sein Luxusgefängnis. Zum Glück hatte er von dort aus einen guten Blick auf seinen geliebten Flugberg.

      Erst vor kurzen erfuhren mein Bruder und ich, dass Horst mit 88 Jahren heimlich das Seniorenheim verließ und ein guter Freund ihn mit seinem motorbetriebenen Drachen für eine letzte Runde fliegen ließ. Horst flog bis er den letzen Tropfen Benzin verbraucht hatte und musste dann eine Notlandung irgendwo im Feld durchführen. Die Polizei brachte ihn dann zum Startplatz zurück, wo sein Freund auf ihn wartete. Diese Story erfuhren wir erst jetzt 2020.

      Horst verstarb mit 91 Jahren am 22.12.2016.

      Dass ich so ausführlich über meinen Vater schreibe, ist wichtig, um zu verstehen, wie ich, seine Tochter von ihm profitiert habe.

       WERA MIT 25 JAHREN

      Ich war seit der Pubertät sehr verklemmt. Je freier meine Eltern sich in den späten 70er Jahren nackt bewegten, umso mehr wurde ich zugeschnürter und verklemmter. In der Schule wurde ich wegen meines bis zum Kinn zugeknöpften Kleides oder Blusen, als „Nonnenfotz“ bezeichnet. Tja ich arme Socke war echt gefangen mit meiner Körperlichkeit. Sogar in der Sauna saß ich mit Badeanzug und zog mehr Blicke auf mich, als wenn ich nackt da gesessen hätte.

      Eines Tages waren meine Freundinnen Petra und Gabi und ich in der Klapper 33 in Frankfurt Sachsenhausen, der historischen Altstadt, damals ein Touristen Hotspot. Dort versackten wir bis in die späte Nacht. Die Stimmung war so ausgelassen, dass wir und mit 3 Männern wir auf die Verrücktheit kamen, noch an die Sehring-Kiesgrube zum Schwimmen zu fahren. Tolle Idee, aber ich hatte keinen Badeanzug dabei. Ich nötigte alle, erst zu mir nach Hause zu fahren, um meinen Badeanzug zu holen. Wir haben einen Umweg von ca. 15 km in Kauf genommen, extra für die verklemmte Wera. Es war toll bei 27 Grad nachts zu schwimmen. Dann aber zog ein Gewitter auf und so jung und leichtsinnig wir waren, blieben wir trotzdem im Wasser. Erst als die Blitze mehrmals in unserer Nähe einschlugen, packten wir panisch die Sachen und fuhren nach Hause.

      Diese verklemmte Wera hat sich erst viele Jahre später durch Tantra befreit. Na ja nicht so ganz, denn ich hatte bis 2002 trotz befreiender Tantra-Ausbildung immer noch eine Schamgrenze. Ich arbeitete damals nur Topless und hatte noch einen Lunghi (indisches Tuch) an.

      Erst nach einem erneuten Tantraseminar war ich soweit, nackt zu arbeiten, 6 Jahre nach Eröffnung meines Refugiums, dass muss man sich mal vorstellen. Das Leben ist eben ein Prozess!

      Ich wechselte alle Massagebänke gegen auf dem Boden liegende Matratzen aus. Es war für alle Mitarbeiterinnen eine riesengroße Umstellung, denn am Boden ist die Massage doppelt so anstrengend. Das Jammern nahm kein Ende, alle hatten Muskelkater am Po und in den Oberschenkeln. Aber auch daran gewöhnten sich die Mitarbeiterinnen mit der Zeit und fanden es am Ende doch toll, so zu massieren.

      Es gibt wesentlich mehr Freiraum beim Massieren und es ist schon ein Unterschied, ob auf einer Massagebank-Fläche von 75 x 200 oder 140 x 200 cm am Boden gearbeitet wird.

       BERÜHREN, FÜHLEN UND GEBORGENHEIT

      Schon als kleines Kind musste ich alles berühren, was mir interessant erschien, ich war ein echt haptischer Typ. Ich wollte wissen, wie sich bestimmte Gegenstände oder Tiere oder Menschen anfühlen und ihre Konsistenz erforschen. Am Liebsten streichelte ich die Nüstern eines Pferdes, sie waren so unglaublich zart und weich, wie Samt und Seide. Jemanden zu berühren und zu sehen, wie die Reaktion ist oder selbst berührt zu werden, fand ich damals äußerst spannend und entspannend.

      Mein Vater kraulte mich damals immer in den Schlaf und erzählte dabei wunderschöne selbst ausgedachte Märchen, das hat mich wohl geprägt.

      Ich wollte auch anderen dieses schöne Gefühl von Geborgenheit und Wärme und dieses Lustgefühl vermitteln. Das waren damals natürlich noch keine erotischen Lustgefühle, sondern ein wohliges Lustgefühl.

      Im Kindergarten und später in der Schule krabbelte ich in den Pausen meine Freunde, die es immer sehr genossen.

      In meiner Jugend so ab dem 15. Lebensjahr leitete ich Kinder- und Jugendfreizeiten mit Studenten zusammen. Die ersten Jahre waren wir im Familienferiendorf Mauloff der evangelischen Kirche im Hintertaunus. Dort hielt ich sogar Gottesdienste ab. Hier kamen Familien aus ganz Deutschland zusammen. Die Eltern konnten sich endlich mal erholen, da tagsüber die Kleinen im Kinderclub und die Jugendlichen im Jugendclub waren. Am Abend gab es dann den Elternclub mit verschiedenen Veranstaltungen, wie Folklore mit Tänzen aus der ganzen Welt, die ich mit einer Erzieherin leitete. Damals war ich gerade mal 14 Jahre alt. An diesen Abenden mit meinem Lieblingspfarrer, lernten meine Eltern zwei Jahre zuvor eine nette Familie (Christin und ihren Mann) auch mit drei Kindern aus Berlin kennen und eine Frau aus Frankfurt, mit der sie bis ins hohe Alter befreundet sein sollten.

      Jahre später arbeitete ich in den Sommerferien bei der Stadt Frankfurt, Bad Homburg oder Wiesbaden als ehrenamtlicher Jugendbetreuer, insgesamt 15 Jahre als Kinder und Jugendbetreuer, neben meinem Krankenhausjob.

      Einige Jugendfreizeiten machte ich auch mit meinem Bruder zusammen und wir und die Kids hatten immer viel Spaß.

      All die Jahre als Kinder- und Jugendbetreuer brachte ich den Kids bei, wie man selbstgemachte Kosmetik anfertigt und sie anwendet, unter anderem auch Massageöle, die wir dann auch praktisch anwendeten. Das kam sehr gut an, sie spürten sich und machten neue Erfahrungen im Wahrnehmen des eigenen Körpers. Dabei bemerkte ich leider auch, dass viele Kinder oder Jugendliche nicht genug Zärtlichkeit von ihren Eltern erhielten, da sie extrem nach Berührung lechzten.

      In der Zeit, während ich als Kinderkrankenschwester gearbeitet habe, konnte ich meine Leidenschaft zu berühren ständig mit einbringen, was den kleinen Patienten immer sehr gut tat.

      Später arbeitete ich in der allgemeinen Pflege, aber auch da waren die Menschen jeden Alters dankbar für jegliche Art der Berührung.

      Berührung, Streicheln oder liebevolle Massagen stärken das Immunsystem. Es kommt zu einer Reduktion der Stresshormone wie Cortisol, Noradrenalin und Adrenalin. Dadurch kommt es zur Ausschüttung von Endorphinen und Serotonin-Glückshormonen und Oxitocin dem Kuschelhormon. Es fördert die allgemeine Zufriedenheit und Ausgeglichenheit. Manche große wie auch kleine Patienten verzehrten sich gerade zu, von mir berührt zu werden und freuten sich, wenn ich wieder Dienst hatte. Berührung ist so wichtig und etwas Essentielles im Leben, was so viele leider vermissen, weil sie alleine leben oder gemeinsam aber einsam sind, da man sich oft auch auseinander gelebt hat.

       WERA AUF DER SUCHE NACH ERFÜLLUNG

      Im Laufe der Jahre finanzierte ich mir viele Fortbildungen u.a. Rhetorikseminare/Ausbildungen, die ich für die Krankenhausarbeit nicht zwingend brauchte. Im Krankenhaus waren die Zuwendung und Pflege sehr eingeschränkt, einerseits bedingt durch Personalmangel und andererseits oft durch Überbelegung der Patienten, ein echter Horror. Damals wusste ich bereits, dass ich eines Tages irgendetwas im selbstständigen Bereich machen möchte und zwar intensiver mit Menschen als Begleiter. Ich wollte eine Aufgabe, die mich so erfüllt, dass es sich nicht wie Arbeit anfühlen sollte, sondern die totale Erfüllung – eine Passion – werden sollte.

      Ich hatte ein Ziel, aber noch nicht den Weg …

      Die Schichtdienstarbeit und die große Verantwortung, die man jeden Tag hatte und dann noch für einen Hungerlohn, konnte nicht meine Lebenserfüllung sein.

      Eines ist für mich tödlich, die Routine, jeden Tag dasselbe tun zu müssen, dieselben Abläufe, nur mit anderen Patienten. Immer, wenn mich dann so eine gewisse Traurigkeit überkam,