Alfred Bekker

Reilly und Sunfrost: Chronik der Sternenkrieger 8 Romane


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Enden dieser Flügel waren kleine, vierfingrige Hände zu sehen, die sehr viel feiner waren als die gorillaähnlichen, sechsfingrigen Pranken, die an den Enden der überaus kräftigen und fast bis zum Boden reichenden Arme wuchsen. „Ob die Xabo tatsächlich flugfähig sind, darüber liegen keinerlei Erkenntnisse vor“, erklärte Bruder Padraig. „Allerdings spricht das Gewicht eines ausgewachsenen Xabo eher dagegen, denn um diese Massen in die Lüfte zu heben, müssten sie schon auf einer Welt mit sehr viel atmosphärischem Auftrieb leben.“

      Die Videosequenz wurde laufen gelassen. Der Xabo unterhielt sich in einer Sprache mit dem Olvanorer, die von einer großen Zahl velarisierter Konsonanten durchsetzt war, die extrem akzentuierten Schnalzlauten ähnelten.

      Der Olvanorer benutzte keinen Translator, sondern war offenbar in der Lage, sich mit den Xabo in deren Idiom zu verständigen. „Die Wahrscheinlichkeit, dass wir in dem uns zugewiesenen Sektor auf Xabo treffen ist recht groß“, meinte Bruder Padraig.

      „Das sollte kein Problem sein. Schließlich sind ihre Feinde auch die unseren.“

      „Das mag sein. Allerdings ist uns nichts weiter über die kulturelle Prägung der Xabo bekannt. Nur ein Detail ihrer Berichte könnte für uns von Interesse sein. Die Xabo glauben, dass in dem Raumsektor, in dem sie sich niedergelassen haben, vor Äonen eine ungeheuer weit entwickelte Rasse gelebt hat, deren technische Errungenschaften ihnen vielleicht im Kampf gegen die Qriid weiterhelfen könnten. Offenbar sind sie bereits auf Artefakte dieser Unbekannten gestoßen. Jetzt suchen sie jeden Asteroiden nach weiteren Hinweisen ab.“

      Thorbjörn Soldo meldete sich zu Wort. „Es bleibt also letztlich dabei, dass wir in einen nahezu unbekannten Raumsektor fliegen – von diesen wenigen Details, die Sie uns vortrugen einmal abgesehen, Bruder Padraig.“

      „Das trifft zu. Aber falls es uns gelingen sollte, zu den Xabo einen positiven Kontakt aufzunehmen, dann können wir durch sie vielleicht an wertvolle Informationen über das Qriid-Imperium gelangen“, erklärte Bruder Padraig.

      Commander Reilly musste schmunzeln. Der Dienst an Bord der STERNENKRIEGER hat Sie bereits nachhaltig verdorben, Padraig! Sie denken schon wie ein Militär!, dachte er bei sich.

      4

      Dr. Miles Rollins meldete sich auf der STERNENKRIEGER und kündigte an, dass ein Shuttle des Far Galaxy Konzerns ihn an Bord bringen würde.

      Das Shuttle startete rechtzeitig von Sedna aus und nahm von dort aus Kurs in Richtung der Oortschen Wolke an der Peripherie des Sonnensystems.

      Es flog damit der STERNENKRIEGER nicht entgegen, sondern entfernte sich paradoxerweise.

      Dennoch bedeutete diese Maßnahme eine erhebliche Zeitersparnis für die Crew des Leichten Kreuzers. Die STERNENKRIEGER erreichte Sedna mit einer Geschwindigkeit von 0,3 LG. Das Shuttle hatte Stunden zuvor seinen Beschleunigungsvorgang begonnen. Beide Schiffe näherten sich auf einem Parallelkurs an und hatten zum Zeitpunkt des Rendezvous eine annähert gleiche Geschwindigkeit, sodass ein Andockmanöver möglich war. Die STERNENKRIEGER brauchte auf diese Weise nicht noch einmal abzubremsen, bevor sie ihren Schiffsarzt an Bord nahm.

      „Dr. Rollins ist an Bord!“, meldete Jessica Wu auf der Brücke der STERNENKRIEGER.

      Soldo führte während des Rendezvousmanövers das Kommando auf der Brücke und Fähnrich Rajiv durfte seine Fähigkeiten als zukünftiger Ruderoffizier unter Beweis stellen – auch wenn Lieutenant Ramirez seine Aktionen kritisch verfolgte und ihm die ganze Zeit über buchstäblich auf die Finger sah.

      Doch es gab bis auf minimale Korrekturen nichts an Rajivs Steuerkünsten auszusetzen.

      „Dr. Rollins soll sich sofort im Raum des Captains melden“, sagte Soldo an die Kommunikationsoffizierin gewandt.

      „Aye, aye, Sir!“, bestätigte Jessica Wu.

      „Fähnrich Rajiv?“

      „Ja, Sir?“

      „Schalten Sie auf maximale Beschleunigung. Wir wollen möglichst bald in den Sandströmraum eintauchen!“

      „Aye, aye!“

      Wenig später rumortete der Boden unter den Füßen der Brückenoffiziere. Sie konnten die Vibrationen der leistungsstarken Ionentriebwerke spüren, die sich in der Warmlaufphase immer besonders stark zeigten.

      „Wir werden die letzten bei New Hope sein“, kündigte Waffenoffizier Chip Barus an.

      Soldo zuckte die Schultern.

      „Heißt es nicht, dass die Letzten die Ersten sein werden?“

      5

      Dr. Miles Rollins erschien im Raum des Captains. Ein verlegenes Lächeln stand im Gesicht des Arztes, der offenbar bereits erwartet hatte, nicht gerade freudig willkommen geheißen zu werden.

      „Ich hoffe, Ihr Vortrag ist beim Publikum auf Interesse gestoßen, Dr. Rollins“, begann Commander Reilly das Gespräch. Der Schiffsarzt hob die Augenbrauen.

      „Sir, es tut mir leid, wenn es durch den Umstand, dass ich auf Sedna weilte, irgendwelche Schwierigkeiten entstanden sein sollten.“

      „Schwierigkeiten? Wir waren im Bereitschaftsstatus, Dr. Rollins. Das bedeutet, kein Besatzungsmitglied darf sich so weit entfernen, dass es nicht innerhalb von sechs Stunden an Bord sein kann!“

      „Das ist mir bekannt, Captain. Aber wie Sie den Unterlagen entnehmen können, hat Raimondo die Sache abgesegnet.“

      „Ja, das habe ich gesehen“, bestätigt Reilly. „Und jetzt verraten Sie mir bitte, wieso Raimondo Ihnen die Genehmigung gegeben hat? Schließlich wusste der Admiral besser als jeder andere, dass wir in Kürze aufbrechen würden!“

      „Es gibt nicht viele, die sich mit extraterrestrischer Medizin beschäftigt haben“, erklärte Miles Rollins. „Ich bin einer der wenigen. Schon im Studium hat mich dieses Gebiet fasziniert, nur leider ist es bislang weder ein eigenständiger Bereich der Medizin, noch fließen massenhaft Forschungsgelder in die wenigen Projekte, die mit dem Bereich zu tun haben.“

      „Das mag bedauerlich sein, ich begreife ehrlich gesagt den Zusammenhang noch nicht, Doktor.“

      „Admiral Raimondo hat mich dazu ermutigt, weiterhin auf diesem Gebiet tätig zu sein. Als Schiffsarzt eines Raumschiffs besitze ich ja auch einiges an praktischer Erfahrung auf diesem Gebiet. Und an der Far Galaxy Akademie ist man inzwischen auf mich aufmerksam geworden. Um Ihre Frage klipp und klar zu beantworten: Admiral Raimondo glaubt wohl, dass es mittelfristig gesehen für das Space Army Corps sehr wichtig ist, Spezialisten in Exomedizin und Exobiologie auszubilden.“

      „Und Sie denken, dass er deswegen ein Auge zugedrückt hat.“

      „Ich kann es mir nicht anders denken.“

      Reilly atmete tief durch und lehnte sich in seinem Schalensitz etwas zurück. „Es ist gut möglich, dass Sie Recht haben, Dr. Rollins.“

      „Es freut mich, dass auch Sie Verständnis aufbringen für…“

      Reilly unterbrach sein Gegenüber. „Sie werden sich früher oder später entscheiden müssen, Doktor. Für Ihren Dienst im Space Army Corps oder die Forschung.“

      „Sie irren sich. Die wollten auf der Far Galaxy Akademie lediglich den Vortag eines Praktikers haben, der bereits Patienten aus zwei Dutzend verschiedenen Spezies verarztet hat. Das ist alles.“

      „Wenn Sie das sagen, Doktor.“

      „Hören Sie, ich werde den I.O. oder Sie beim nächsten Mal nicht umgehen. Das ist es doch, was Sie ärgert, oder?“

      „Nun…“

      „Und außerdem kann ich meine Krankenschwester ja nach und nach als Aushilfsärztin ausbilden!“ Dr. Rollins grinste. „Ich meine, wenn es noch mal sehr eilig sein sollte…“