Stephan Steinbauer

Exentanz


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beladen mit Cevapcici, einem Rasnici-Spieß und einem Stück Fisch zurück, dazu Djuvec-Reis und eine grünePeperoni.

      »Dobar tek!« Guten Appetit.

      Die Männer am Tisch prosteten ihnen zu, als sie den ersten Schluck Wein nahmen. Er schmeckte süß und schwer.

      »Schiveli!«Und der Mann neben Josefine klärte sie auf. »Schivela – Signorina. Schivelo – Signore. Schiveli – Signorina i Signore.« Dazu schwenkte er sein volles Glas abwechselnd gegen Josefine und Joseph. Die Männer lachten. Die beiden Aufgeklärten stimmten mit ein.

      Josefine lachte, aber sie musste auch ein wenig gegen die in ihr aufsteigende Übelkeit ankämpfen. Die Männer am Tisch rochen nach Schweiß und Alkohol. Das waren Menschen, mit denen sie in ihrem bisher so behüteten Leben nie in Berührung gekommen war. Und in dieser Welt fühlte sich ihr Geliebter so wohl? Sie griff nach ihrem Glas, nahm einen tiefen Schluck Rotwein. Vielleicht konnte der ja ihre Zweifel betäuben.

      Joseph gegenüber saß ein alter Mann, der bedächtig an seiner Pfeife sog. »Sie noch blass, noch nicht lange hier?«, fragte er.

      »Heute angekommen, aus Frankfurt«, gab Joseph zur Antwort.

      »Ah, Frankfurt. Apfelwein, Sachsenhausen, Blauer Bock«, sagte der Alte. »Ich habe gearbeitet in Offenbach. Viel Arbeit. Bleiben sie in Split?«

      »Bis morgen früh, dann weiter nach Hvar«, antwortete Joseph.

      »Hvar dobro«, murmelte der Mann und klopfte seine Pfeife am Tischbein aus. Eine Katze huschte unter dem Tisch hervor, beäugte die Tabakreste, miaute enttäuscht und verschwand im Dunkeln.

      Joseph hatte plötzlich ein seltsames Gefühl. Einen Herzschlag lang verspürte er Angst, Angst vor einer unbekannten Gefahr. War es die Katze, die ihn beunruhigte? Er vergewisserte sich mit einem raschen Seitenblick auf Josefine, ob alles in Ordnung sei. Aber welche Gefahr sollte hier drohen? Die Männer waren friedlich. Josefine ließ sich das Gegrillte schmecken und warf ihm einen liebevollen Blick zu. Joseph spülte den unerklärlichen Schrecken mit einem Schluck Rotwein weg.

      Nachdem sie gegessen und für ihre Zeche bezahlt hatten, verließen sie das Lokal. Ein Junge mit schief sitzender Fischermütze zeigte ihnen noch seinen erhobenen Daumen und rief hinter ihnen her: »Ljubav, Amore!«

      »Weißt du noch, aus welcher Richtung wir gekommen sind?«, fragte Joseph seine Begleiterin.

      Die aber war leicht betrunken, müde und satt und schüttelte nur kichernd den Kopf. So stolperten sie durch die Dunkelheit. Die Straßenbeleuchtung war jetzt abgeschaltet. Sie bogen in eine Gasse ein, die leicht abwärts führte, also vermutlich in Richtung Hafen. Dort stand ja der Festungsturm, an dem Joseph sich orientieren konnte. Aber die Gasse endete bald an einer Mauer.Sie kehrten um, versuchten es bei einer schmalen Schlucht, die zwischen den Häusern hindurchführte. Dann standen sie am Hafen. Eine Turmuhr schlug in der Ferne. Der Mond hatte sich jetzt hinter dem Wolkenschleier verborgen, beleuchtete die Szenerie nur noch sehr matt.

      »Ich will jetzt schlafen«, mauzte Josefine und lehnte sich an Josephs Schulter. »Trag mich!«

      Sie wollte einen Gutenachtkuss. Daraus wurden mehrere.

      »Mir wird kalt!«, sagte sie, dann ergriff Joseph ihre Hand und sie begannen, am Hafenbecken entlang zu laufen. Josefine verlor einen Schuh. Joseph suchte im Finstern, während sie nur noch kicherte.

      »Zu trinken bekommst du nix mehr«, versprach er und zog ihr den verlorenen Schuh an.

      »Spaßbremse!«, antwortete sie und küsste ihn wieder.

      Irgendwie fanden sie dann doch zu ihrem Quartier und fielen erschöpft aufs Bett. Josefine schlief bald ein, er lag noch eine Weile wach und dachte nach. Wie einfach es doch war, dieses Mädchen, diese junge Dame aus bester Frankfurter Gesellschaft glücklich zu machen! Rücksicht, Feingefühl, zuvorkommende Aufmerksamkeit, Geduld, etwas Humor und viel Liebe. Das war alles. Ja, sie war reich, würde in 2 Jahren über ihre Millionenerbschaft verfügen können, aber sie war auch eine Frau. Ihr Geld interessierte ihn nicht. Er wollte die Frau. Diese faszinierende, so selbstsichere, lebenskluge und praktisch denkende Frau. Sie stand mit beiden Beinen auf dem Boden der Tatsachen, wenn es darauf ankam. Und hässlich war sie auch nicht, dazu eine gelehrige Schülerin in Sachen Liebe. Er war ein Träumer, fügte sich nur zwangsweise der Notwendigkeit, einen Brotberuf auszuüben. Lieber wäre er Schriftsteller geworden, aber davon hätte er nicht leben können, jedenfalls nicht ohne die Unterstützung durch seine Eltern. Aber im Hotel Mama in Wien war es ihm zu eng geworden. Er war seinem unbändigen Drang gefolgt, auf eigenen Füßen zu stehen und hatte die erstbeste Chance ergriffen, das Angebot eines Frankfurter Konzerns, um sich endlich frei zu fühlen und ein eigenständiges Leben zu führen. In dieses Leben war nun Josefine getreten. Nein, er hatte sie in dieses Leben geholt. Und sie war ihm gefolgt, in seine Welt der »normalen« Leute. Sie verzichtete für ihn auf den gewohnten Luxus ihrer wohlbehüteten Welt zwischen Nobelvilla, Golfplatz, Gourmettempel und Fünfsternehotel. Nun fühlte Joseph Verantwortung für sie. Auch wenn er ein romantischer Träumer war, er war der Mann und wollte sie beschützen.

      Über diesen Gedanken schlief er schließlich ein.

      Die Zweifel, die Josefine an diesem Abend geplagt hatten, ahnte er nicht.

      Am nächsten Morgen wurde Joseph vom Schrillen einer Fahrradklingel vor dem Fenster geweckt. Er sah auf die Uhr – fast neun. Das Schiff nach Hvar wäre um acht Uhr gegangen. Nun war es ohne sie weggesegelt. Er drehte sich nach rechts. Josefine schlief noch. Er ließ sie schlafen. Doch der Radfahrer vor dem Fenster klingelte auf Leben und Tod. Josefine erwachte.

      »Unser Schiff ist weg«, sagte Joseph.

      Sie gähnte und blinzelte ihn an. »Und nun?«

      »Nun kriegst du erst mal einen Morgenkuss, dann sehen wir weiter.«

      Sie spitzte den Mund zu einer Herzkirsche und stupste damit gegen seinen Kussmund. Er verstand. Erst mal Zähneputzen. So angeheitert und müde, wie sie gestern Nacht waren, hatten sie darauf verzichtet.

      Nach der Morgentoilette hätte er Josefine gerne noch mit Zärtlichkeiten verwöhnt, aber sie zog sich an, eine leichte Leinenhose und eine weitgeschnittene Bluse mit kurzen Ärmeln. So schlüpfte auch er in seine Jeans, stopfte sein Hemd in den Hosenbund und sie verließen das Zimmer. In der Küche, die den Gastgebern jetzt auch als Schlafraum diente, beglichen sie ihren Obolus, verabschiedeten sich dankend und zogen mit ihren Rollkoffern los zum Diokletian-Palast. Auf einem sonnigen Platz innerhalb der Mauern fanden sie ein Kaffeehaus, nahmen Platz unter einem Sonnenschirm.

      Nach einem ausgiebigen Frühstück schlenderten sie zum Bahnhof, wo Joseph ein Touristikbüro wusste. Am Nachmittag um siebzehn Uhr würde noch ein Schiff nach Hvar gehen, erfuhren sie dort.

      »Also wenn schon die Anreise auf deine Insel so viel Zeit kostet, wann bist du dann zu deinen amourösen Abenteuern gekommen?«, fragte sie schelmisch.

      »Sag ich nicht. Das Thema ist tabu.«

      »Vielleicht treffen wir ja eine von deinen Verflossenen?«

      »Selbst wenn. Ich werde sie dir nicht vorstellen.«

      »Schade. Hätte gerne Erfahrungen ausgetauscht.« Sie lachte über sein verlegenes Gesicht.

      »Und ich würde jetzt gerne baden gehen«, sagte er, um sie abzulenken. »Vor dem Bahnhof fährt der Bus ab zur Badebucht.«

      Sie brauchten nicht lange auf den Bus zu warten. Er brachte sie in eine benachbarte Bucht, in der die Badeanstalt mit aufgeschüttetem Sandstrand lag. Sie mieteten eine Kabine und schlüpften in ihre Badekleidung. Josefine zog einen einteiligen, dunkelblauen Badeanzug aus dem Koffer.

      »Ich dachte, du wolltest mich mit einem süßen, knappen Bikini überraschen?«, fragte er und in seiner Stimme lag Enttäuschung.

      »Den musst du dir erst verdienen«, meinte sie nur schnippisch.

      »Ach ja, und womit?«

      »Du musst selbst draufkommen, streng deine Fantasie an«, beschied sie ihn mit einem Funkeln in ihren