Sorgen.
Die Kinder in unserer Praxis, die sich an unsere Ratschläge hielten, waren nicht so gesund, wie sie sein sollten. Stattdessen waren sie immer häufiger krank. Daisy hatte einen starken Ausschlag, der immer schlimmer wurde. Jorge fiel in der Schule durch Aufmerksamkeits- und Lernprobleme auf und seine Mutter berichtete unter Tränen, wie schwer er es hatte. Der Urin von Luke wies so hohe Blutzuckerwerte auf, dass ich, als ich die Ergebnisse erhielt, sofort seine Mutter auf dem Handy anrief, damit sie unverzüglich mit ihm in die Notaufnahme fuhr. Luke hatte juvenilen Typ 1 Diabetes und es bestand die Gefahr, an Hyperglykämie und Enzephalopathie zu sterben. Er war erst vier Jahre alt. Ein kleines Mädchen namens Julia entwickelte eine so starke Erdnussallergie, dass sie einen anaphylaktischen Schock bekam, weil sie im Kindergarten einen kleinen Klecks Erdnussbutter gegessen hatte. Ende der 1990er Jahre bis zum Anfang dieses Jahrtausends wurden nach und nach alle Kinderärzte in den USA mit der gleichen Erkenntnis konfrontiert: Bei unseren Kindern kam es zu einem explosionsartigen Anstieg chronischer Erkrankungen und anderer Krankheiten, darunter Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Aufmerksamkeitsstörungen, Angst, Asthma, Depressionen, Ekzeme, Reflux, Kopfschmerzen, Ohrenentzündungen, neurologische Störungen, Nasennebenhöhlenentzündungen, Infekte der Lunge, wie zum Beispiel Lungenentzündung, oder Harnwegs- und Halsentzündungen. Und das ist nur ein Teil der Krankheiten.
Viele dieser Erkrankungen sind darauf zurückzuführen, dass das Immunsystem unserer Kinder immer stärker beeinträchtigt wird. Die moderne Ernährungsweise, bei der zum Frühstück süßes Teiggebäck im Toaster aufgewärmt und mit zuckerhaltigen Getränken hinuntergespült wird, es mittags eingeschweißte Wurst und Kartoffelchips und zum Abendessen Spaghetti aus der Dose oder Fastfood gibt, enthält kaum nährstoffreiches Gemüse, dafür aber jede Menge giftige Zusatzstoffe (zum Beispiel Mittel, die das Wachstum von Schimmelpilzen in Brot verhindern, und aus Erdöl gewonnene Farbstoffe in so gut wie jedem speziell für Kinder gedachten Lebensmittel, von gesüßtem Joghurt bis hin zu eingelegtem Gemüse).
Neben dieser ungesunden Ernährung machen die meisten Kinder nicht genug Sport und spielen kaum im Freien. Sie leiden häufig unter Vitamin-D-Mangel, chronischem Schlafmangel und oftmals zu großem Stress. All diese Faktoren schaffen schon die Grundlage für ein geschwächtes Immunsystem und somit für eine höhere Anfälligkeit für Krankheiten. Wenn dann noch all die Giftstoffe in der Luft, dem Boden und im Wasser, aber auch in den Möbelstücken, auf denen wir sitzen und schlafen, den Reinigungsmitteln unter dem Waschbecken und den Plastikbehältern, die langsam Chemikalien an unsere Lebensmittel abgeben, hinzukommen, hat man alle Zutaten für eine beeinträchtigte Gesundheit. Und damit nicht genug: Wir Ärzte verschlimmern diese Situation noch, indem wir zu häufig Antibiotika verschreiben und zu schnell zu einschneidenden Therapien und Medikamenten raten, ohne uns selbst sowie Eltern und Patienten ausreichend über die Nebenwirkungen zu informieren.
Und dann gibt es noch den enormen Anstieg der Autismusfälle.
Jack war ein aktiver Junge mit blonden Haaren, lauter Sommersprossen und himmelblauen Augen. Voller Energie kam er zu seiner Einjahresuntersuchung in die Praxis, kletterte vom Schoß seiner Mutter und versuchte interessiert, die Schubladen neben der Untersuchungsliege zu öffnen. Durch dieses Verhalten und die Unterhaltung mit seiner Mutter wusste ich, dass Jack ein gesundes, aktives, sich normal entwickelndes Kind war.
Das nächste Mal sah ich Jack im Alter von zwei Jahren. Er war inzwischen mit 18 Monaten zur Früherkennungsuntersuchung bei meinem Krankenpfleger gewesen und hatte die entsprechenden Impfungen bekommen. Ehe ich die Tür zum Behandlungszimmer öffnete, ging ich schnell Jacks Akte durch: Seine Entwicklung war normal gewesen und er hatte alle Entwicklungsschritte erreicht. Doch als ich diesmal ins Behandlungszimmer kam, sah ich sofort, dass etwas nicht stimmte. Statt aktiv den Raum zu erkunden, saß der zweijährige Jack still in seinem Kinderwagen neben seiner Mutter, wackelte mit dem Kopf vor und zurück, ohne irgendwo richtig hinzuschauen. Er war vollkommen in seiner eigenen Welt. Seine Mutter berichtete, Jack hätte sogar das Interesse an Essen verloren. Stundenlang saß er da und stellte seine Spielzeugeisenbahn in einer Reihe auf. Sie erläuterte, er hätte irgendwann zwischen dem Alter von achtzehn Monaten und diesem Besuch aufgehört, Blickkontakt herzustellen. Manchmal warf er seinen Kopf gegen das Gitter seines Kinderbettchens, als ob er Schmerzen hätte. Und obwohl er mit zwölf Monaten ein paar Worte hatte sprechen können, konnte seine Mutter die Laute, die er jetzt machte, nicht mehr verstehen.
Ich konnte keine definitive Diagnose stellen, denn dafür musste ich die Familie in ein spezielles medizinisches Zentrum schicken, aber ich vermutete, dass der teilnahmslos vor mir sitzende, nicht lächelnde Junge unter Autismus litt.
Wie konnte es sein, dass ein von mir behandeltes Kind, das im Alter von einem Jahr vollkommen normal gewesen war, mit zwei Jahren so stark entwicklungsverzögert und neurologisch eingeschränkt war?
Jack war kein Einzelfall.
Man konnte den Anstieg von Autismus nicht ignorieren. Es hatte ihn einfach nicht gegeben, als ich 1981 bis 1985 in Dartmouth Medizin studierte. Nur während meiner Facharztausbildung in den Jahren 1985 bis 1988 sah ich ein paar leichte Fälle von Autismus bei Kindern. Doch als ich Ende der 1990er, Anfang der 2000er-Jahre als Kinderarzt bei Westside Pediatrics tätig war, schickte ich fast jeden Monat ein Kind wegen des Verdachts auf eine neurologische Erkrankung zu einem Spezialisten.
Was war da los?
Warum wurden so viele Kinder in meiner Praxis, die sich an meine Ratschläge hielten, krank?
Die meisten konventionell ausgebildeten Ärzte, so wie ich einer bin, werden Ihnen erklären, dass niemand die Gründe für Autismus kennt. Außerdem werden sie Ihnen sagen, dass es sich um eine Erkrankung handelt, für die es weder Hoffnung noch Heilung gibt.
Und im selben Atemzug machen sie womöglich Sie dafür verantwortlich, dass Ihr Kind unter Autismus leidet. Möglicherweise schieben sie es auf Ihre Gene oder führen eine andere genetische Begründung an. Vielleicht erwähnen die Ärzte die 2014 veröffentlichte Studie im Psychiatry Journal der American Medical Association, in der steht, dass bei Kindern, deren Väter älter als fünfundvierzig1 sind, das Autismusrisiko dreieinhalbmal so hoch ist wie bei Kindern, deren Väter in den Zwanzigern sind. Oder die 2014 im Journal of Perinatology veröffentlichte Studie, die zeigte, dass Kinder, deren Mütter während der Schwangerschaft fettleibig waren2, ein höheres Autismusrisiko hatten.
Ich habe immerzu mit meinen Kollegen über den Anstieg der Autismusfälle gesprochen. Zwar glaube ich, dass sie genauso besorgt waren wie ich, aber leider war es für viele einfacher, mit den Schultern zu zucken, am Stethoskop um ihren Hals zu nesteln und die Fakten zu verneinen. „Wir haben mittlerweile einfach nur mehr Möglichkeiten, solche Fälle zu erkennen.“ Mit dieser Antwort wollten sie sich selbst überzeugen, wenn ich ihnen von den ungewöhnlichen Krankengeschichten von Jack und meinen anderen Patienten berichtete.
Ich kam immer stärker zu der Erkenntnis, dass bestimmte Umweltfaktoren oder eine Kombination mehrerer Faktoren die Gesundheit der Kinder in meiner Praxis negativ beeinträchtigten und zu einem vermehrten Auftreten vieler vager, aber dennoch erschreckender Symptome führten: Migräne, Panikattacken, Magen-Darm-Störungen, ungewöhnlich früher Ausbruch von Allergien. Ebenfalls zeigte sich immer häufiger, dass manche Kinder irgendwie vergiftet waren oder eine Autoimmunreaktion ausgelöst worden war und ihr eigenes Immunsystem ihr Gehirn angriff – oder beides.
Blei ist ein äußerst nützliches und vielseitiges Metall, das früher ein Hauptbestandteil in so gut wie allem war – von Gesichtspuder bis hin zu Farben. Jeder in meinem Alter (ich wurde 1957 geboren) kann sich wahrscheinlich noch daran erinnern, dass Blei auch in unserem Benzin war. Blei war allgegenwärtig und wurde schon seit der Antike verwendet. Doch erst in den letzten dreißig Jahren des 20. Jahrhunderts begriffen die Menschen langsam, wie schädlich es für die menschliche Gesundheit ist.
Nach jahrzehntelanger Forschung und andauernden Kontroversen akzeptierten die US-Amerikaner schließlich die unbequemen wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass eine zu hohe Bleibelastung bei unseren Kindern Gehirn, IQ und Entwicklung beeinträchtigt. Wir nennen die Bleiexposition mittlerweile sogar Bleivergiftung.
Eine kleine Menge Blei ist normalerweise nicht gefährlich. Aber je stärker ein