Stephanie von Aretin

Saale-Unstrut – HeimatMomente


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süßen Rahmen für das alljährliche Fest im Juni, zu dem noch heute die Kinder weißgewandet singen und tanzen.

      Hamlet im Kloster Zscheiplitz: Im Zscheiplitz Manor, einem Seitengebäude des romanischen Klosters, untersucht ein britischer Baron kuriose Ähnlichkeiten in der Literatur Europas. Shakespeares „Hamlet“, meint Alexander von Hahn, könnte inspiriert sein von den tatsächlichen Ereignissen rund um die Hochzeit der Thüringer Landgräfin Adelheid und ihres zweiten Mannes Ludwig. Gemeinsam sollen sie vorher Adelheids ersten Mann, Friedrich Pfalzgraf von Sachsen, gemeuchelt haben. Doch als Adelheid in Zscheiplitz eintrifft, ist sie bereits schwanger mit einem Kind von Friedrich … Erzählt wird die Geschichte mit viel Charme und Überzeugung, wenn man sich in dem kleinen Museum und Weinkeller umsieht, die der Baron ebenfalls betreibt.

      Abort auf dem Dicken Wilhelm: Auch Wachleute müssen mal müssen. Das war früher so wie heute. Nur gehörte ein Abort in der Romanik noch keineswegs zur Norm, sondern lief ebenso wie ein Kamin unter „gehobener“ Ausstattung. Zu besichtigen ist das alles im Dicken Wilhelm, dem einzig erhaltenen von ursprünglich drei romanischen Wehrtürmen rund um die Neuenburg bei Freyburg. Den Dicken Wilhelm konnten DDR-Bürger übrigens auch noch besuchen, als die Neuenburg nebenan wegen Baufälligkeit längst geschlossen war.

      Himmelsscheibe von Nebra – eine Räuberposse: Die wohl bekannteste Saga aus dem Kuriositätenkabinett ist die Geschichte, wie illegale Sondengänger die Himmelsscheibe von Nebra fanden. Am 4. Juli 1999 waren sie auf dem Mittelberg bei Nebra unterwegs, als ihre Sonden anschlugen. Sie gruben die Scheibe, ein Schwert und Armreifen aus und verkauften sie zunächst für 10.000 Euro im Internet. Erst nach einer unglaublichen Kriminalgeschichte wird die 3600 Jahre alte Scheibe wiedergefunden und ihr Alter wissenschaftlich bestimmt. Das Wissen um die genauen Umstände des Verstecks ist jedoch unwiderruflich verloren.

      Der Flugplatz von Laucha: Ein Flugplatz mitten in der Pampa? Noch dazu mit einem riesigen, verlassenen Schloss davor? Wer zum ersten Mal nach Laucha an der Unstrut kommt, stellt sich viele Fragen. Die Auflösung ist die: Schon in den 1920er-Jahren entstand auf dem Plateau oberhalb des Flusses ein Platz für die Pioniere des Segelflugs. Die Nazis bildeten später an gleicher Stelle Piloten der Luftwaffe aus und bauten dafür ein imposantes Schulgebäude. Während die Hallen für die Flugzeuge zu Kriegsende gesprengt wurden, blieb die Schule stehen. Heute verfällt das Gebäude und thront wie ein Schreckgespenst aus vergangener Zeit auf dem Hang mit der perfekten Thermik. Ein echter lost place.

      Blütengrund

      Entlang Saale und Unstrut von Weißenfels bis Freyburg

       1.Von Weißenfels bis Freyburg: Familien-Fahrradtour durch die Flussauen

       2.Weißenfels: prunkvoll, vielfältig, innig

       3.Sonnenobservatorium Goseck: feiern wie die Steinzeitmenschen

       4.Entlang der Saale: der Fährmann von Schellsitz

       5.Wein-Wanderung am Blütengrund: zwischen Kunst und Natur

       6.Doppelkapelle im Schloss Neuenburg: verstecktes romanisches Kleinod

       7.Der Jakobsweg bei Freyburg: Waldbaden und Meditation

       8.Weinhotel Freylich Zahn: Kost und Logis am Breitengrad 51

       9.Rotkäppchen in Freyburg: Zeitreise in eine märchenhafte Erfolgsgeschichte

       10.Winzervereinigung Freyburg: vierhundertmal Auswahl

       11.Tote Täler bei Freyburg: High Noon im Wilden Westen

      FAMILIEN-FAHRRADTOUR DURCH DIE FLUSSAUEN

       Leipziger und Hallenser starten sonntags gerne zu einer Fahrradtour entlang der Saale. Überregional ist die Rad-Acht, auf der man sogar einen Rundkurs fahren kann, im Vergleich zu Elbe und Donau noch ein Geheimtipp. Und so kann es passieren, dass die Strecke zwischen Weißenfels und Freyburg an einem schönen Sonntagnachmittag im Juli fast menschenleer ist.

      Für unseren Test haben wir uns eine Strecke an Saale und Unstrut ausgesucht, die nur 18 Kilometer lang ist. Sie sollte auch für den Zehnjährigen in unserer Gruppe gut zu bewältigen sein. Bis Weißenfels nehmen wir den Zug, dann radeln wir mit einem kleinen Abstecher auf die Burg Goseck bis zum Blütengrund und von dort an der Unstrut weiter bis Freyburg. Gleich zweimal setzen wir mit der Fähre über den Fluss – es ist einfach zu schön – und brauchen mit kleineren und größeren Pausen rund vier Stunden vom Start bis zum Ziel.

      Los geht es in Weißenfels, ehemalige Residenz der Weißenfelser Herzöge, zu DDR-Zeiten ein wichtiger Standort der Schuhproduktion. Ganz unbeschadet ist das Regionalzentrum mit etwa 40.000 Einwohnern nicht über die Wende gekommen, das merken wir schon an der Industrieruine direkt gegenüber vom Bahnhof. Doch dann stoßen wir auf den Fluss – und auf zahlreiche Anleger, die vom liebsten Hobby der Weißenfelser erzählen: Der Ruder-Verein wurde 1884 gegründet und brachte zwei Olympia-Sieger hervor! Eindrucksvoll ist auch die Wehranlage vor der Stadt. Auf mindestens 50 Meter wird das Flussbett hier breitgezogen, Seitenarme rechts und links weggeleitet. Es gab furchtbare Überschwemmungen, und der Klimawandel verspricht keine Besserung. Fast menschenleer liegt dann der schmale, asphaltierte Radweg schnurgerade vor uns. In den Auwäldern ist es selbst an einem heißen Sommertag angenehm kühl. Ein Teich mit Seerosen schimmert so idyllisch durch die Böschung, als wäre er von Claude Monet gemalt.