John Farndon

Big Ideas. Das Film-Buch


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      WORAUF WARTEN WIR NOCH?

      PANZERKREUZER POTEMKIN / 1925

       IM KONTEXT

      GENRE

       Historiendrama

      REGIE

       Sergej Eisenstein

      DREHBUCH

       Nina Agadschanowa

      STARS

       Alexander Antonow, Wladimir Barski, Grigori Alexandrow

      FÜRHER

      1925 Eisensteins erster abendfüllender Spielfilm Streik erzählt von der Arbeitsniederlegung in einer russischen Fabrik im Jahr 1903 und ihren negativen Folgen für die Arbeiter.

      SPÄTER

      1928 Eisensteins Zehn Tage, die die Welt erschütterten erzählt in dokumentarischem Stil die Oktoberrevolution 1917.

      1938 In einem politisch restriktiven Klima weicht Eisenstein mit Alexander Newski in die ferne Vergangenheit aus.

      Sergej Eisensteins Panzerkreuzer Potemkin war von der sowjetischen Regierung beauftragt worden, um des 20. Jahrestages der Revolution von 1905 zu gedenken, als sich russische Matrosen gegen ihre Offiziere erhoben und im Hafen von Odessa (heute Ukraine) meuterten. Das Ergebnis war ein Film, der das Kino revolutionierte. 90 Jahre später gibt es kaum einen Actionfilm, den er nicht inspirierte.

      Die Eröffnungsszenen sind historisch belegt. Die Köche beanstandeten das von Maden befallene Fleisch, das dennoch als essbar deklariert wurde. Der Sprecher der Belegschaft, Quartiermeister Grigori Wakulintschuk (Alexander Antonow) rief zum Boykott auf und wurde erschossen. Daraufhin richtete sich die Crew gegen ihre Offiziere, hisste die rote Flagge und segelte nach Odessa, wo schon seit Längerem Unruhen in der Bevölkerung herrschten. Wakulintschuks Leiche wurde öffentlich ausgestellt, mit dem Kommentar: »Vor euch liegt die Leiche des Matrosen Wakulintschuk, brutal ermordet vom Ersten Offizier des Panzerkreuzers Fürst Von Taurien.«

      »Schauen Sie ihn so an, wie Künstler einen Rubens oder Raffael anschauen und studieren würden.«

       David O. Selznik

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      Dies war eines der ersten Filmplakate der niederländischen Grafikerin Dolly Rudeman. Es zeigt einen kosakischen Soldaten mit einem seiner Opfer. Der kühne futuristische Stil ist typisch für die Plakate der 1920er-Jahre.

      In dem Moment, in dem die Matrosen im Film Odessa erreichen, wird dieser zur Propaganda. Zwar trifft zu, dass Zar Nikolaus II. gegen die aufbegehrenden Bürger von Odessa vorging, doch war nicht die Treppe der Schauplatz. Der Regisseur nutzte jedoch alle 200 Stufen der Potemkinschen Treppe, ursprünglich Boulevard-Treppe genannt, um die zaristischen Truppen vorrücken zu lassen. Die Feier der Bevölkerung mit den Matrosen wird bald durch den kurzen Zwischentitel »Und plötzlich« unterbrochen. Das folgende Massaker beeindruckt bis heute. Niemand ist vor den Truppen sicher, die aus starker Untersicht gefilmt und oft kräftig beschnitten sind: Für den Regisseur mussten nur ihre Gewehre zu sehen sein. Die Matrosen feuern mit Granaten zurück, bevor sie sich aufs Meer zurückziehen.

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      Ein Kinderwagen holpert die Treppe hinunter, an Toten und Sterbenden vorbei. Die Mutter des Babys war erschossen worden. Als sie stürzte, stieß sie den Wagen an und setzte seine fatale Abwärtsfahrt in Gang.

       Montage und Kollision

      Obwohl Geschichtslektion erlaubte sich Panzerkreuzer Potemkin gewisse Freiheiten, zumal genaue Fakten nie Eisensteins Ziel waren. Er wollte eine neue Filmsprache entwickeln, indem er die Montage-Experimente, in denen der sowjetische Filmtheoretiker Lew Kuleschow von 1910 bis 1920 führend war, fortführte. Für Kuleschow gaben nicht Einzelbilder die Bedeutung, sondern deren Zusammenhang, den der menschliche Geist herstellt: Indem er das Gesicht eines Mannes mit einem Suppenteller, einem Sarg und einer Frau montierte, konnte er z. B. Bilder von Hunger, Trauer und Begehren evozieren. Einsteins Glaube an die Montage – er zog die »Kollisionsmontage« vor – lässt sich auch statistisch belegen: Bei unter 80 Minuten zählt Panzerkreuzer Potemkin 1346 Aufnahmen, während der Durchschnittsfilm jener Zeit etwa 600 aufwies.

       Manipulation der Gefühle

      Eisensteins Erzähltechnik ist bis heute radikal. Sein Nebeneinanderstellen des Epischen und des Intimen verhindert, dass man sich mit den Charakteren identifiziert. In diesem Punkt ist der Film tatsächlich kommunistisch. Selbst Wakulintschuk, Held und Märtyrer, wird nur als Symbol der Menschlichkeit den gesichtslosen zaristischen Truppen gegenübergestellt. Die berühmteste Szene – ein Kinderwagen, der die Stufen hinabpoltert – ist Sinnbild für die Art, wie der Film unsere hilflosen Gefühle manipuliert. image

      Sergej Eisenstein Regisseur

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      Sergej Eisenstein, 1898 in Lettland geboren, begann 1920 als Regisseur im Proletkult-Theater in Moskau. Seine Bildtheorie setzte er in der »Revolutionstrilogie« (Streik, Panzerkreuzer Potemkin und Zehn Tage, die die Welt erschütterten) um. 1930 lud man ihn nach Hollywood ein. Nach stagnierenden Projekten zurück in der Sowjetunion hatte sich das politische Klima von seinen »formalistischen« Ideen ab- und dem traditionellen Erzählen zugewandt. Er starb 1948 und hinterließ acht Filme.

       Wichtige Filme

      1925 Panzerkreuzer Potemkin

      1928 Zehn Tage, die die Welt erschütterten

      1938 Alexander Newvsky

      Ebenfalls sehenswert: Streik (1925) image Zehn Tage, die die Welt erschütterten (1928) image Der Mann mit der Kamera (1929) image Die Unbestechlichen (1987) image JFK – Tatort Dallas (1991)

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      DIESES LIED VON MANN UND FRAU ERKLINGT NIRGENDS UND ÜBERALL

      SONNENAUFGANG – LIED VON ZWEI MENSCHEN / 1927

       IM KONTEXT

      GENRE

       Stummfilmdrama

      REGIE

       F. W. Murnau

      DREHBUCH

       Carl Mayer (Drehbuch); Hermann Sudermann (Erzählung)

      STARS

       George O’Brien, Janet Gaynor, Margaret Livingston, Bodil Rosing