Walter G. Pfaus

Sommer Bibliothek 11 besondere Krimis


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da war noch etwas anderes.

      Ein ganz leises Ticken.

      Es kam von unten.

      "Verdammt raus, Milo! Sofort raus!"

      Milo starrte mich an.

      Im nächsten Moment zerriss eine Detonation den Wagen. Blechteile wirbelten wie Geschosse durch die Luft. Die Druckwelle ließ die Scheiben von Mortons Drugstore zerbersten.

      5

      Die Villa von Alex Shkoliov gab ein Bild ab, wie man es sonst von Fernsehbildern aus Kriegsgebieten gewohnt war.

      Als Clive und Orry dort mit einem Aufgebot von zwei Dutzend G-men auftauchten, waren bereits zahlreiche Einsatzfahrzeuge des Fire Service und der City Police vor Ort. Die Explosion hatte einen Brand ausgelöst, der allerdings mittlerweile unter Kontrolle war. Ein Übergreifen der Flammen auf benachbarte Häuser war inzwischen so gut wie ausgeschlossen. Aber in der Villa selbst loderten noch immer die Flammen.

      Drei Tote waren inzwischen geborgen worden.

      Allerdings waren sie bis zur Unkenntlichkeit entstellt.

      Es würde den Gerichtsmedizinern vorbehalten bleiben, sie zu identifizieren.

      Clive Caravaggio sprach zuerst mit George Rowtenburg, dem Einsatzleiter des Fire Service.

      "Sorry, aber es wird noch eine ganze Weile dauern, bis Ihre Leute sich im Inneren der Villa umsehen können!", meinte er. "Momentan herrscht dort noch akute Lebensgefahr."

      "Ist noch jemand im Haus?", fragte Clive.

      "Soweit wir wissen nicht", erklärte Rowtenberg. "Unsere Leute konnten trotz ihrer Ausrüstung bislang nur einen kleinen Teil des Gebäudes betreten."

      Clive blickte zu dem brennenden Gebäude hinüber. Beißende Qualmwolken zogen über das für New Yorker Verhältnisse sehr weitläufige Grundstück.

      Orry meldete sich zu Wort. "Ich glaube, wir kriegen Besuch!", stellte er fest. Er deutete auf einen kleinen, breitschultrigen Mann mit Halbglatze und energischen Gesichtszügen. Mit einem Gefolge von mehreren kräftig gebauten Kerlen betrat er das Grundstück.

      Einer der uniformierten Kollegen der City Police versuchte die Gruppe aufzuhalten.

      "Gehen Sie aus dem Weg, Mann! Ich bin Alex Shkoliov! Mir gehört dieses Haus - oder was von ihm übrig geblieben ist." Der untersetzte Mann verzog das Gesicht zu einer Grimasse.

      Clive, Orry und einige weitere G-men gingen auf Shkoliov zu. Clive zog seine ID-Card, hielt sie dem Ukrainer entgegen.

      "Ich bin Agent Caravaggio, stellvertretender SAC des FBI Districts New York. Es freut mich, dass Sie wohlauf sind, Mister Shkoliov."

      "Ach wirklich? Sie brauchen mir nichts vorzuheucheln, G-man! In Wahrheit haben Sie gehofft, dass ich von den Männern des Fire Service als verkohlte Leiche geborgen werde! Ihr seid doch alle gleich! Ehrliche Geschäftsleute werden von Ihnen mit Ermittlungen überzogen und nach Strich und Faden schikaniert! Aber auf der anderen Seite ist Ihre Behörde nicht in der Lage, für Sicherheit zu sorgen!" Shkoliov streckte den Arm aus und deutete auf die Villa. "Da haben Sie den Beweis! Ich hoffe, Sie verfolgen die Schuldigen genauso hartnäckig, wie Sie es mit unbescholtenen Bürgern tun!"

      "Nun mal halblang!", unterbrach Clive Caravaggio den Redefluss des Ukrainers. "Sie können froh sein, dass Sie in einem Staat leben, in dem Verdächtige relativ große Rechte genießen, sonst säßen Sie längst hinter Gittern!"

      "Ach! Jetzt wollen Sie mich auch noch beschuldigen! Dabei bin ich um ein Haar das Opfer eines Mordanschlags geworden!" Shkoliov schnappte nach Luft. Er sagte ein paar Worte auf Ukrainisch zu seinen Bodyguards. Einer der breitschultrigen Mobster reichte seinem Boss daraufhin ein daumengroßes Sprühfläschchen.

      Shkoliov sprühte sich damit in den Rachen.

      Nitro-Spray!, dachte Clive. Er wusste, dass Shkoliov herzkrank war und mehrere Bypass-Operationen hinter sich hatte.

      "Was ist Ihrer Meinung nach hier passiert?", fragte Clive in sachlichem Tonfall.

      "Ich war in der City unterwegs, als mich einer meiner Leute anrief. Victor Kosteliov. Er sagte, ein Päckchen sei für mich abgegeben worden. Von einem Kurier. Ich habe Vic gesagt, dass er es sofort öffnen soll. Dann habe ich die Explosion durch das Telefon gehört." Shkoliov schluckte. "Ich nehme an, dass Vic nicht mehr am Leben ist. Der arme Kerl. Er war mein Neffe und ich hatte eigentlich gedacht, dass er eines Tages einen Teil meiner Geschäfte weiter führt..."

      "Warum war Ihnen dieses Päckchen so wichtig, dass Sie die sofortige Öffnung anordneten?", hakte Clive nach.

      "Vic hatte mir durchgegeben, dass es von dem Juwelier Zorovsky abgeschickt worden war. Ich weiß nicht, ob jemand wie Sie das Diamond Dreamland in der Fifths Avenue kennt."

      "Ein sehr teurer Laden für handgearbeiteten Schmuck", sagte Clive gelassen.

      Shkoliov hob die Augenbrauen. "Sie überraschen mich, G-man! Wie auch immer, Zorovsky gehört das Diamond Dreamland. Ich hatte mir von ihm ein paar Schmuckstücke anfertigen lassen, die ich heute Abend einer Dame zu schenken gedachte. Ich wollte wissen, wie die Stücke geworden sind..."

      "Und das konnte dieser Victor Kosteliov für Sie beurteilen?", wunderte sich Clive. "Als was war er bei Ihnen angestellt?"

      "Als Majordomus."

      Clive wechselte mit Orry einen kurzen Blick. Dann fuhr der stellvertretende SAC fort: "Wir werden von Ihrer Aussage ein Protokoll machen müssen. Möglicherweise werden Sie Ihre Version der Ereignisse eines Tages vor Gericht wiederholen und beeiden müssen. Das ist Ihnen doch klar, oder?"

      Shkoliov verzog das Gesicht zu einem dünnen Lächeln.

      "Ihre Kollegen haben in der Vergangenheit nie versäumt, mich auf meine Rechte hinzuweisen."

      "Ich nehme an, Sie möchten mit Ihrem eigenen Wagen zur Federal Plaza fahren..."

      "Bin ich verhaftet?"

      Clive schüttelte den Kopf. "Nein, wir vernehmen Sie als Zeugen, Mister Shkoliov."

      Der Ukrainer machte eine wegwerfende Geste. "Sie können sich Ihr ganzes Theater meinetwegen sparen."

      "Möchten Sie nicht, dass die Schuldigen an diesem Anschlag auf Ihr Leben gefasst werden?", fragte Clive verwundert.

      "Doch, das möchte ich schon. Ich traue Ihnen und dem FBI nur nicht besonders viel zu!"