Georg Ebersbach

Pflege von Menschen mit Parkinson


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Die »Online Pflegeschule – Parkinson« bietet Podcasts, Videos und Textmaterialien zu allen pflegerisch relevanten Aspekten der Parkinson-Krankheit und kann somit jederzeit und überall, ohne zeitlich festgelegte Präsenzveranstaltungen absolviert werden. Insbesondere das begleitende Videomaterial stellt eine ideale Ergänzung zu den Inhalten dieses Buches dar.

      Darüber hinaus besteht in Deutschland seit 2007 die Möglichkeit für eine Weiterbildung zur Fachpflegekraft für die Parkinson-Krankheit (Parkinson-Nurse) im stationären sowie zur Parkinson-AssistentIn (PASS) im ambulanten Bereich. Die Weiterbildung zur Parkinson-Nurse (bestehend aus Wochenend-Lehrgängen zu speziellen Themen sowie einer zweiwöchigen Hospitation in einer Parkinson-Fachklinik) wird in Zusammenarbeit mit der Deutschen Parkinson Vereinigung und der Deutschen Parkinson Gesellschaft angeboten. Parkinson-Nurses wirken in ihren Einsatzbereichen (aktuell ausschließlich im stationären Sektor) z. B. in engem Austausch mit dem ärztlichen Team direkt an der Betreuung Betroffener mit tiefer Hirnstimulation und Infusionspumpen mit, stehen auch über den stationären Aufenthalt hinaus als Ansprechpartner bei Versorgungsproblemen zur Verfügung und sind aktiv an der Durchführung klinischer Studien beteiligt. Parkinson-AssistentInnen unterstützen die spezialisierte Parkinson-Versorgung in fachärztlichen Praxen.

      1 Grundlagen

      1.1 Bedeutung pflegerischen Handelns bei der Parkinson-Krankheit

      Die Vielschichtigkeit der Parkinson-Erkrankung macht eine multiprofessionelle Versorgung erforderlich. Während viele beteiligte Berufsgruppen (Ärzte, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden, Psychologen, Sozialarbeiter) meist nur kurze und sporadische Begegnungen mit den Betroffenen haben, befinden sich Pflegekräfte oft in einem durchgehenden und engen Kontakt. Neben den direkten pflegerischen Leistungen ergeben sich durch diese Schlüsselposition der Pflegekräfte bei der multiprofessionellen Versorgung zusätzliche Aufgaben.

      Besonders Therapeuten und Ärzte sind auf die Beobachtungen und Einschätzungen der Pflegenden angewiesen, da die Momentaufnahmen der Sprechstunden, Visiten oder Therapiesitzungen kein vollständiges Bild von den oft wechselhaften Zuständen der Betroffenen vermitteln können. Pflegekräfte sind zudem erste Ansprechpartner für ein weites Spektrum an Fragen zu jedem Aspekt der Erkrankung, zur Medikation und zu Unterstützungsmöglichkeiten im Alltag sowohl von Seiten der Betroffenen selbst als auch deren Angehörigen. Auch innerhalb des pflegerischen Teams gehört eine Weitergabe von Wissen und Kenntnissen durch regelmäßige Fortbildungen zu den zentralen Aufgaben der geschulten Pflegekraft.

      Diese zentrale und koordinierende Funktion der Pflegekraft innerhalb des therapeutischen Teams mag gerade im deutschsprachigen Bereich, wo die Akademisierung der Pflege weiterhin Neuland ist, ungewohnt sein. Multidisziplinäre Versorgungskonzepte bei Parkinson und anderen chronischen Erkrankungen finden aber international zunehmende Verbreitung und bieten die Chance für eine Verbesserung des individuellen Gesundheitszustandes, direktere Teilhabe der Betroffenen, verbesserte Work-Life-Balance der Mitarbeiter und effektive Kostenkontrolle.

      1.2 Geschichtlicher Hintergrund

      »Die ersten Erscheinungen dieser Krankheit sind derart flüchtig und fast unmerklich, […] dass der Patient sich nur selten an den präzisen Zeitpunkt ihres Beginns erinnern kann. Die ersten wahrgenommenen Symptome sind ein leichtes Schwächegefühl sowie die Neigung, an einem bestimmten Körperteil zu zittern. […] Nach Ablauf einer gewissen Zeitspanne, […] macht sich der krankhafte Einfluss in einem anderen Körperteil bemerkbar. Einige Monate später scheint der Patient seine üblicherweise aufrechte Haltung nicht mehr so gut einnehmen zu können. Das Gehen ist so erschwert, dass es ohne beträchtliche Aufmerksamkeit nicht mehr gelingt. Die Beine können nicht mehr so weit oder so schnell gehoben werden, wie es der Wille verlangt. Zur Vermeidung von wiederholten Stürzen [ist] äußerste Vorsicht geboten.«

      image James Parkinson image

      Diese Zeilen, verfasst im Jahr 1817 von James Parkinson, sind Teil der berühmten »Abhandlung über die Schüttellähmung«. In diesem Buch beschreibt der Autor, ein Londoner Arzt, ein neues Krankheitsbild, dass er bei insgesamt sechs Patienten beobachtet hatte.

      James Parkinson (1755–1824) war ein typischer Mensch der Aufklärung, der auch nach seiner Ausbildung zum Wundarzt und neben seiner Tätigkeit als Arzt in der von seinem Vater übernommenen Praxis vielfältige Interessen an allen Bereich der Wissenschaft zeigte. Er war Begründer der heute noch bestehenden Londoner Geologischen Gesellschaft, verfasste eine Vielzahl medizinischer, soziologischer und geologischer Abhandlungen und war aktiv im Bereich sozialer und politischer Reformbewegungen. Sein bekanntestes Werk blieb aber die Abhandlung über die Schüttellähmung von 1817. Nachdem die Veröffentlichung durchaus auf ein positives Echo gestoßen war, dauerte es trotzdem noch knappe 60 Jahre, bis die Erkrankung den Namen »Morbus Parkinson« erhielt. Hierfür verantwortlich war Jean-Martin Charcot, ein französischer Neurologe, der in seiner Pariser Klinik ebenfalls viele Patienten mit dem von James Parkinson beschriebenen Krankheitsbild beobachtet hatte. In diesem Zusammenhang war ihm aufgefallen, dass die Bezeichnung »Schüttellähmung« für die Erkrankung unpassend war, da nur ein Teil der Patienten an einem Tremor litt und dass vielmehr bei allen Patienten eine allgemeine Bewegungsverlangsamung im Vordergrund stand. Er schlug daher erstmalig die Bezeichnungen »Parkinson-Erkrankung« oder »Morbus Parkinson« vor. Für seine Vorlesungen fertigte Charcot eine Vielzahl von Zeichnungen und Abbildungen, die auch heute noch beeindruckende und lehrreiche Bilder der verschiedenen Krankheitssymptome darstellen (image Abb. 1).

      Auch wenn die Erkrankung Ende des 19. Jahrhunderts unter ihrem neuen Namen in der wissenschaftlichen Literatur etabliert war, blieben Ursache und Therapieoptionen weiter unklar. Erst 1963 wurden bei Autopsiestudien an Parkinson-Betroffenen Veränderungen im Bereich einer bestimmten Struktur im Mittelhirn, der Substantia nigra, gefunden. Da diese Gehirnregion eine zentrale Rolle in der Produktion des Botenstoffes Dopamin spielt, war somit 150 Jahre nach der ersten Beschreibung der Symptome durch James Parkinson erstmals ein Zusammenhang zwischen der Erkrankung und einem Mangel an Dopamin hergestellt.

      Abb. 1: Fotografie eines Parkinson-Betroffenen aus der Dissertation eines Studenten von Jean Martin Charcot (aus: Lewis et al. 2020).

      image Substantia nigra image

      Die Substantia nigra (lat. schwarze Substanz) ist Teil einer Ansammlung von Nervenzellen im Gehirn, die in ihrer Gesamtheit als Basalganglien bezeichnet werden und die eine zentrale Rolle bei der Entstehung und Ausführung von Willkürbewegungen haben. Einer der wichtigsten Neurotransmitter (Botenstoffe) für die Weitergabe von Nervenimpulsen innerhalb der Basalganglien ist Dopamin, welches v. a. in den Zellen der Substantia nigra produziert und gespeichert wird. Der aus dem Untergang von Nervenzellen in der Substantia nigra resultierende Mangel an Dopamin beeinträchtigt die Funktion der Basalganglien und führt dadurch zu einer Störung der Bewegungskontrolle. Da diese Veränderungen langsam entstehen und fortschreiten, werden auch die Symptome nur schleichend sichtbar. Meist sind zum Zeitpunkt der ersten Bewegungsstörungen bereits ein Großteil der dopaminproduzierenden und -speichernden Zellen untergegangen (image Abb. 2).

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