A. F. Morland

Killer sind auch nur Mörder: 7 Strand Krimis


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      Der Tanz in den Tod konnte beginnen.

      „Wollen wir?“, fragte der Mann, der sich in Cindy Beils Begleitung befand. Er blickte zur Tanzfläche, die sich rasch füllte. Mit den Fingern der rechten Hand vollzog er den Musikrhythmus nach. Sie saßen an Tisch 13.

      „Du bist nicht im Takt“, rügte Cindy.

      Er sah sie an. Sein Name war Herb Greene. Er war neunundzwanzig und besaß ein paar Second-Hand-Läden zwischen der 105ten und 113ten Straße. Man wusste von ihm, dass er die Geschäfte nur betrieb, um seine Aktivitäten als Hehler tarnen zu können. Aus irgendeinem Grund ließ man ihn weitgehend unbehelligt, anscheinend besaß er die richtigen Drähte zur Polizei. Tatsache war, dass er sich gelegentlich als Spitzel betätigte und auf diese nicht risikoarme Weise zu besonderen Privilegien gelangt war.

      „Was ist los mit dir?“, fragte Herb und ließ die Hand sinken. „Nervös?“

      Er hatte einen kantigen Schädel und wegen einer Fehlschaltung in seiner Pigmentenzentrale schlohweißes, aber sehr dichtes Haar. Es reichte ihm bis weit in den Nacken. Er sah damit recht gut aus und hielt sich auf sein Äußeres nicht wenig zugute.

      „Wundert dich das?“, fragte Cindy und fischte ein Päckchen Zigaretten aus ihrer Handtasche. Greene gab ihr Feuer und starrte dabei fasziniert in die wohlgefüllten Tiefen von Cindys Ausschnitt.

      „Du übertreibst“, erklärte Herb Greene. „Warum teilst du dem Mann nicht ganz normal mit, was du auf dem Herzen hast und loswerden möchtest?“

      „Das habe ich dir schon einmal erklärt. Ich habe das Gefühl, dass ich beobachtet werde. Ich möchte fast wetten, dass mein Telefon angezapft ist. Der Mann, der die Informationen bekommen soll, gehört leider nicht zu denen, die eine feste Adresse mitsamt Telefonnummer haben. Er ist wie ein Phantom, aus gutem Grund. Hier im Saal lassen sich Nachrichten geradezu ideal und völlig unverfänglich austauschen. Ein Drittel der Tischtelefone wird ständig benutzt. Neun von zehn Leuten geht’s dabei ums Anbandeln, aber ein paar dürften auch dazwischen sein, die die Anlage als konspirative Kommunikationsquelle benutzen.“

      „Ist er schon da?“

      „Fragen stellst du! Ich habe keine Ahnung, wie er aussieht. Ich kann nicht mal sagen, ob sein Name stimmt. Rick Briggs. Klingt nicht sehr vertrauenerweckend, oder?“

      „Ich finde nichts Ungewöhnliches daran“, erklärte Herb Greene.

      Das Tischtelefon läutete.

      Cindy erstarrte. Sie musterte den Apparat mit einem Gesichtsausdruck, als sei zu befürchten, dass er gefährliche Stromschläge verteilte.

      „Nimm ab“, drängte Herb Greene, der einen blauen Samtblazer mit knallroter Schleife trug. „Worauf wartest du noch?“

      „Geh zur Toilette“, forderte sie Greene auf, ohne den Blick vom Telefon zu lösen.

      „Warum denn das?“

      „Ich will nicht, dass du mithörst.“ Greene runzelte die Augenbrauen. Er hatte sie, um einen Kontrast zum Haupthaar zu erzielen, schwarz gefärbt. „Vertraust du mir nicht?“

      „Das steht nicht zur Debatte. Aber wenn du mitkriegst, was ich weiß und zu sagen habe, gerätst du automatisch in den gleichen Gefahrenstrudel wie ich. Es ist nur in deinem Interesse, wenn du verduftest.“

      „Ich bin kein ängstlicher Typ, das weißt du.“

      „Verschwinde! Es ist ja nur für ein paar Minuten“, sagte Cindy.

      Herb Greene zuckte mit den Schultern. „Wie du meinst“, sagte er, stand auf und entfernte sich. Cindy griff herzklopfend nach dem Hörer. „Ja?“, meldete sie sich und war bemüht, ihre Stimme fest und ruhig klingen zu lassen.

      „Hier ist die 24, dein Traumboy“, sagte eine männliche Stimme, der anzumerken war, dass ihre Kessheit von Alkohol genährt wurde. „Du siehst mich, wenn du dein Superköpfchen nach halb links drehst. Wir sind füreinander bestimmt, Baby, das ...“

      Cindy legte auf. Sie war nicht ärgerlich. Mit solchen Zwischenspielen musste man im 'Plaza' fertigwerden. Sie rauchte weiter, ließ ihre Blicke durch den Saal wandern und fragte sich, warum sie nicht mehr richtig glücklich sein konnte.

      Du gehst zu viel aus, warf sie sich vor. Du tanzt auf zu vielen Parties. Alles wird mal zur Routine, zur Gewohnheit. Du solltest die Stadt wechseln und an einen Ort gehen, wo du nicht als Amüsierbiene abgestempelt bist und wo sich dir die Chance bietet, einen vernünftigen Mann kennenzulernen. Einen, der nicht nur seinen Spaß, sondern eine Ehefrau sucht, eine feste Bindung.

      Cindy seufzte. Sie wusste, wie sinnlos es war, sich mit diesen Gedanken im Kreise zu bewegen. Sie war in dieser Stadt groß geworden, in Calumet City, um exakt zu sein. Cindy liebte ihre Umgebung, obwohl sie tiefer und schärfer hinter gewisse Luxusfassaden als die meisten anderen geblickt hatte und genau wusste, wie viel Dreck, Brutalität und Verkommenheit sich dahinter verbargen.

      Herb Greene kehrte zurück und setzte sich. „Das ging schnell“, sagte er.

      „Bei dir auch.“

      „Ich musste nicht. Ich habe nur ’ne Runde gedreht. Alles erledigt?“

      „Nein, ein Spinner wollte mich zum Tanzen auffordern“, sagte Cindy und blickte ihrem Gegenüber ins Gesicht. Sie kannte Greene seit Jahren, aber erst vor zwei Monaten war sie mit ihm intim geworden. Sie fand ihn amüsant. Er war großzügig, ein kurzweiliger Gesellschafter. Sie hatte ihm gesagt, dass sie niemals imstande sein würde, ihn wirklich zu lieben, und er hatte das akzeptiert.

      „Du schwitzt“, stellte sie fest.

      „Es ist heiß“, sagte er.

      „Es ist eher kühl. Hast du Angst?“

      „Muss ich mich wiederholen? Ich bin kein ängstlicher Typ“, sagte Greene.

      „Was quält dich?“, fragte Cindy.

      Ihr Herz klopfte. Sie wusste, dass Greene ein Windhund war, der Freundschaft und Loyalität für einen schnellen Dollar über Bord warf, aber sie hatte nicht erwartet, dass er etwas tun könne, was ihr schadete. Plötzlich zweifelte sie an dieser Auffassung. Sie fragte sich, ob Greene zu ihren Gegnern gehörte und die Aufgabe hatte, sie zu bespitzeln. Zuzutrauen war ihm das. Er arbeitete für alle, die bereit waren, sein Engagement zu honorieren.

      Sie bedauerte plötzlich, Greene den Namen des Mafiajägers genannt zu haben.

      Rick Briggs.

      Greene machte aus allem Geld, das war sein Naturell. Es war zu befürchten, dass er auch im Falle von Rick Briggs diesem Prinzip zu huldigen gedachte.

      „Du wirst seinen Namen keiner Menschenseele nennen, verstehst du?“, murmelte Cindy.

      „Ich bin doch nicht verrückt. Ich setze mich nicht zwischen die Stühle.“

      Es war klar, was er meinte. Greene wusste, dass sie darauf brannte, mit denen abzurechnen, die ihr Glück zerstört hatten. Ihre geplatzte Verlobung verdankte sie vor allem den Intrigen der Mafia, die nicht gewillt gewesen war, einen so kapitalen Fisch wie John Hillary einem Tingeltangelmädchen zu überlassen.

      Greene wusste, dass sie seit Langem auf eine Gelegenheit wartete, ihre vielfältigen Mafiakenntnisse jenen zu vermitteln, die fähig waren, daraus die Konsequenzen zu ziehen. Mit der Polizei ließ sie sich nicht ein, der misstraute sie nach ein paar unguten, persönlichen Erfahrungen auf der ganzen Linie.

      Greene wusste, wie sie über die Mafia dachte. Wenn er davon sprach, sich nicht zwischen die Stühle setzen zu wollen, war klar, worauf er sich bezog. Es war gefährlich, die Partei der Mafiosi zu ergreifen, aber nicht weniger riskant, jene bloßzustellen, die die Ehrenwerte Gesellschaft bekämpften.

      „Wie bist du mit ihm bekannt geworden, mit Briggs, meine ich?“, fragte Greene.

      Die Kapelle spielte einen Charleston. Greene wandte den Kopf,