Riesen“, meinte der Anrufer, „immer vorausgesetzt, dass du deine Sache gutmachst.“
„Sie können sich auf mich verlassen, Sir“, erklärte Greene und spürte selbst, wie fremd und bitter seine Stimme klang.
5
Zweiundzwanzig Uhr fünfzig.
Es klingelte.
Rufus Maretti runzelte irritiert die Augenbrauen. Er stand auf und säuberte sich seine Finger mit einem weichen Lappen. Vor ihm lag das auseinandergenommene, gereinigte Gewehr auf dem Küchentisch. Der scharfe Geruch des Gewehröls hing in der Luft. Er war auch mit Hilfe des weit geöffneten Fensters nicht ohne weiteres zum Abzug zu bewegen. Rufus Maretti ging in die Diele. Er schloss die Küchentür hinter sich und rief misstrauisch: „Wer ist da?“
„Polizei. Öffnen Sie!“
Rufus Maretti fuhr zusammen. Er war sich seiner Sache völlig sicher gewesen, sonst hätte er schwerlich den Nerv gehabt, mit der Mordwaffe geradewegs in seine Wohnung zurückzukehren. Seine Gedanken wirbelten durcheinander. Er dachte an Flucht, begriff aber im nächsten Moment, wie sinnlos ein solcher Versuch sein würde. Wenn sie hinter ihm her waren, standen sie nicht nur vor der Tür, dann hatten sie das Haus umstellt und warteten nur darauf, dass er sich mit einer Panikaktion verriet.
Er durfte nicht die Nerven verlieren. Noch gab es dafür keinen Anlass. Er hatte häufig Ärger mit den Bullen. Oft bezichtigten sie ihn irgendeines Verbrechens, das scheinbar seine Handschrift trug, in Wahrheit aber von der Konkurrenz verübt worden war.
„Moment“, sagte er laut. „Nur eine halbe Minute. Ich ziehe mir was über.“
Er ging ins Bad und wusch sich die Hände. Er rieb sie trocken und hielt sie unter die kritisch schnuppernde Nase. Das Parfüm der Seife war außerstande, den Geruch des Gewehröls zu überdecken. Maretti zerquetschte einen Fluch zwischen den Zähnen, kehrte zurück in die Diele und öffnete die Wohnungstür.
Vor ihm stand ein Mann, den er nicht kannte.
Der Mann war nicht älter als dreißig, mittelgroß, breitschultrig und irgendwie sehr kompakt. Dieser Eindruck wurde verstärkt durch einen zu kurz geratenen Hals, der einen vierkantigen Schädel mit dunkelblondem Stoppelhaar, schorfigen Lippen und dunklen, weit auseinanderstehenden Augen trug.
Der Mann hatte ein mehr als unangenehmes Gesicht, aber es wirkte geradezu süß und anheimelnd im Vergleich zu dem, was seine Finger umspannten.
Es war ein Revolver mit aufgesetztem Schalldämpfer. Die Waffe zielte geradewegs auf Rufus Marettis Brustpartie.
6
Marettis Blut strömte vom Herzen weg und schlug in einer heißen Welle dorthin zurück.
Er starrte dem Fremden ins Gesicht und hatte wahrhaftig keinen Anlass, froh zu sein. Mit Bullen ließ sich reden, mit Gunmen nicht.
Trotzdem, irgendetwas musste geschehen, und zwar rasch. Er konnte nicht einfach dastehen und darauf warten, dass der Besucher den Finger am Abzug krümmte.
Maretti schlug die Tür zu. Er versuchte es jedenfalls, aber sie wurde hart gestoppt und schwang sofort wieder zurück. Der Fußkonter des Mannes zeichnete sich durch genaues Timing aus.
„He, was soll das?“, würgte Maretti hervor.
„Nimm die Klauen hoch, Killer“, sagte der Fremde.
Maretti gehorchte.
Die Stimme des Eindringlings war nicht sehr laut, ziemlich hell und für Maretti quälend unangenehm. Sie enthielt den gezielten Spott eines Mannes, der Vergnügen daran empfindet, sein Opfer zu demütigen.
Maretti machte kehrt. Er trabte mit erhobenen Händen ins Wohnzimmer, ohne dazu aufgefordert worden zu sein. Der Revolvermann folgte ihm, nachdem er die Schwelle überschritten und die Wohnungstür hinter sich geschlossen hatte.
Im Sideboard lag im oberen Schubfach eine geladene, entsicherte Pistole. Maretti hegte die Hoffnung, die Waffe gegen den Besucher ins Spiel bringen zu können. Jedenfalls war Maretti entschlossen, seine Haut so teuer wie nur möglich zu verkaufen.
Der anfängliche Schock ließ nach. Der Fremde hatte nicht sofort abgedrückt, das war ein gutes Zeichen und berechtigte zu einer etwas optimistischeren Lagebeurteilung. Maretti war gespannt, was der unheimliche späte Besucher von ihm zu wissen begehrte.
Maretti ging bis zum Sideboard, dort drehte er sich um und blickte dem Fremden ins Gesicht. „Ich habe nicht viel Geld im Hause“, sagte Maretti. „Nur vierzig oder fünfzig Dollar. Sie sind in meiner Geldbörse. Sie steckt im Mantel. Er hängt in der Garderobe.“
Der Besucher drückte mit dem Fuß die Wohnzimmertür hinter sich ins Schloss, dann lehnte er sich mit dem Rücken gegen deren weiß lackierte Füllung. Er ließ Maretti keine Sekunde aus den Augen.
„Du hast wie ein blutiger Anfänger gearbeitet“, sagte der Besucher. Seine sanfte Stimme war verächtlich und voller Hohn.
„He?“, entfuhr es Maretti. Er riss die Augen weit auf und begann zu ahnen, wen er vor sich hatte.
Der Fremde konnte nur von Archie Wingate geschickt worden sein.
ARCHIE WINGATES KILLER!
Maretti war zumute, als würde seine Kehle von einer Seidenkordel zugeschnürt. Er hatte Mühe zu atmen und begriff, wie falsch es gewesen war, den Auftrag als ein sicheres Indiz dafür zu werten, dass die Großen der Stadt ihn endlich bemerkt und anerkannt hatten.
Archie Wingate hatte ihn lediglich als billiges Werkzeug missbraucht und war, wie es schien, fest entschlossen, sich davon zu trennen.
„Du hast die Puppe umgelegt, okay“, sagte der Fremde. Seine kräftigen Hände steckten in dünnen, nagelneu aussehenden Lederhandschuhen. Sein Finger lag am Druckpunkt des Abzugs. „Dann bist du nach Hause gefahren. Wir haben dich beobachtet. Und wir haben beobachtet, dass du beobachtet wurdest.“
Maretti schluckte. Er hatte keinen Blick zurückgeworfen. Warum auch? Es war ihm gelungen, den Auftrag zu erledigen, glatt und ohne Pannen. Er hatte sich voller Stolz an die umfangreichen Vorbereitungen erinnert und gemeint, den perfekten Mord verübt zu haben. Jetzt zeigte es sich, wie dumm es gewesen war, in eine solche Euphorie zu verfallen.
Er hätte sich sagen müssen, dass Wingate ihm ein paar Aufpasser auf den Hals hetzen würde. Wingate überließ nichts dem Zufall, er traute keinem über den Weg. Wingate war stets gut informiert und galt als das größte organisatorische Talent der Stadt.
„Nach