Pete Hackett

Trevellian und der Mann, der den Wind säte: Action Krimi


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im „The Marriott Marquis“ versucht, einen Mann umzunieten, hatte aber vorbeigeschossen und war von den Hoteldetektiven in der Bar festgenagelt worden.

      Der Haken an der Sache war allerdings, dass sich Sergio Antonelli eine Geisel geschnappt hatte.

      Als wir alarmiert wurden, war es kurz nach 14 Uhr, etwa 14 Uhr 10. Milo und ich schwangen uns in den Sportwagen und rasten mit heulender Sirene und rotierendem Blinklicht zum Broadway. Das Hotel befand sich zwischen der 45th und 46th Straße.

      Das „The Marriott Marquis“ schien fast völlig aus Glas errichtet zu sein. Vor dem Hotel hatte ein ganzes Aufgebot von Polizeifahrzeugen Aufstellung genommen. Die Lichtbalken auf den Fahrzeugen warfen blaue und rote Reflexe gegen die Häuserwände und Glasscheiben. Ein hochrangiger Officer erstattete uns einen knappen Bericht, nachdem wir uns als G-men ausgewiesen hatten.

      Einige Cops versuchten, die Neugierigen zurückzudrängen, sie zum weiterfahren oder weitergehen zu bewegen. Es war vergebliche Liebesmüh. Die Gaffer schienen regelrecht aus dem Boden zu wachsen. Selbst die Tatsache, dass hier Kugeln fliegen konnten, konnte sie nicht veranlassen, ihre Ärsche in Sicherheit zu bringen.

      Die Sensationsgier feierte wieder einmal Urständ.

      Der Broadway war verstopft. Irgendwo in der Nähe krachte es dumpf, Scherben klirrten. Jemand hatte einen Auffahrunfall verursacht. Ein Mann fing an zu brüllen wie ein Stier, ein anderer brüllte zurück. Sie erlitten mit ihrem Geschrei und den Kraftausdrücken, die sich sich gegenseitig an den Kopf warfen, einen herben Rückfall in die Zeit der Jäger und Sammler.

      Etwas abseits sah ich Lew Harker, den fliegenden Reporter von der New York Times mit seiner teuren Blitzlichtschleuder in beiden Händen. Er winkte uns zu.

      Wir fuhren mit einem der Aufzüge im Innenhof nach oben. Auch die Wände der Aufzüge waren durchsichtig; Glas oder Plexiglas. Ich machte mir keine großen Gedanken darüber.

      Wir hatten unsere SIG Sauer Knarren in den Fäusten. Ich schaute in Milos Gesicht und sah in seiner Miene die immense Anspannung, die ihn erfüllte. Nun, mein Face sah gewiss nicht weniger angespannt aus.

      Im 7. Stock verließen wir den Aufzug. In die 8. Etage, wo sich die Bar des Hotels befand, liefen wir auf Schusters Rappen. Auch hier überall Cops. Zwei Männer in Zivil mit Pistolen in den Händen gehörten sicher zum Personal und waren als Hoteldetektive beschäftigt. Gewiss waren es die Burschen, die den guten Sergio in die Enge getrieben hatten.

      Das besondere an dieser Bar war, dass sie sich – wie auch das Restaurant im 46. Stockwerk –, um die eigene Achse drehte. Man konnte also hier oben in Zeiten, in denen sich nicht gerade ein bezahlter Killer verschanzt hatte, einen phantastischen Ausblick genießen.

      Jetzt war die Bar wie leergefegt. Einige Stühle lagen am Boden. Der Mechanismus, der die Bar drehte, war abgestellt. Das hatte der Gangster verlangt mit dem Hinweis, dass er seiner Geisel sonst den Kopf von den Schultern schießen würde.

      Ein Captain der City Police, der sich mit gezückter Waffe neben einem schweren Ledersessel verschanzt hatte, gebot uns, in Deckung zu gehen. Aber das hätten wir auch ohne seinen freundlichen Hinweis getan, denn es gab hier fast nur Glaswände und wir hätten uns dem Killer dargeboten wie auf einem Präsentierteller. Lebensmüde waren wir schließlich nicht.

      Wir versenkten unsere Bodys hinter einem hüfthohen Mauervorsprung, auf dem polierte Kästen aus Metall mit hängenden und rankenden Grünpflanzen standen.

      „Bei der Geisel handelt es sich um einen Pagen. Johnny Myers, neunzehn Jahre alt“, rief der Captain. „Antonelli hat sich mit dem Jungen am Ende des Tresens verschanzt.“

      Von dem Gangster war nicht mal die Nasenspitze zu sehen.

      „Was ist mit Scharfschützen? Habt ihre welche postiert?“, rief Milo.

      „Yeah, rundum in den Buildings. Aber wir können das Feuer nicht freigeben, solang er dem Boy die Kanone an die Schläfe hält.“

      Ich nahm alles in mich auf. Die Bar hatte mehrere große Eingänge – Glastüren natürlich. Die meisten waren geöffnet.

      „Na schön“, knurrte ich. „Dann wollen wir mit Sergio mal ein paar Takte reden.“

      „Er wird sich auch von dir nicht überzeugen lassen, dass Aufgabe das klügste für ihn wäre“, kam es wenig motivierend aus Milos Mundwinkel.

      Ich grinste säuerlich. „Während ich ihn mit Worte erschlage, kannst du ja hineinspazieren und ihn dir holen.“

      Milo schaute mich verdutzt von der Seite an.

      Ich rief: „Sergio Antonelli, hier spricht G-man Trevellian, FBI New York. Sie kommen hier nicht raus. Also lassen Sie den Jungen laufen und ergeben Sie sich. Wenn Sie dem Jungen auch nur einen Kratzer zufügen, verschlimmern Sie Ihre Lage nur.“

      Ein erzwungenes, blechernes Lachen erklang. Sergio war gewiss nicht nach Lachen zumute. Dann ließ der Italoamerikaner seine Stimme erklingen: „Ah, Trevellian, der Oberschnüffler. Steh‘n wir uns wieder mal gegenüber, wie? Und jetzt bist du voll des Jubels, weil du denkst, du kriegst mich endlich.“

      „Ich kann fast nicht mehr vor Freude, Sergio. Und du wirst es nicht glauben, ich denke nicht nur, dass ich dich heute erwische, ich bin sogar fest überzeugt davon.“

      „Dann vergiss nur nicht den zitternden Knaben, den ich vor der Knarre habe. Du hast doch noch nie unschuldiges Blut vergossen, Trevellian.“

      „Werd ich auch heute nicht, alter Kumpel. Warum wolltest du eigentlich den Mann erschießen?“

      „Privatsache. Eine alte Rechnung.“

      „Glaub ich dir nicht.“

      „Glaub es oder glaub es nicht. Vielleicht kannst du die Cops überzeugen, Trevellian, dass es besser wäre, Sie ließen mich mit meiner Geisel abziehen. Alles, was ich will, ist eine vollgetankte Karosse mit Sicherheitsglas. Man soll mir den Wagen vor die Tür stellen, die Bullen sollen sich verziehen, und vor allem soll man nicht versuchen, mich hereinzulegen. Der Knabe hier – du weißt schon.“

      Ich wusste jetzt genau, wo der Bursche hinter dem Tresen saß. Der Barraum war riesig. Ein Ding der Unmöglichkeit, auf die andere Seite des Tresens zu gelangen, ohne dass Sergio Antonelli seine Stahlmantelgeschosse in den hineinjagte, der verrückt genug war, es zu versuchen.

      „Ich glaube nicht, dass man darauf eingehen wird, Sergio“, rief ich.

      Milo lugte um die Mauerecke. Irgendwie ahnte ich, dass er verrückt genug sein wollte. Ich zupfte ihn am Ärmel und schüttelte den Kopf.

      Der Verbrecher schwieg.

      Ich hub wieder an. „Versuchter Mord und Geiselnahme, Sergio. Ein paar Jahre gibt‘s sicherlich dafür. Aber bei vollendetem Mord kriegst du lebenslänglich. Und weil es eine ganz besonders verwerfliche Tat ist, lebenslänglich ohne die Aussicht, jemals begnadigt zu werden. Man wird dich hinter Zuchthausmauern lebendig begraben. Das ist das selbe wie ein Todesurteil. Nein, das ist schlimmer als ein Todesurteil.“

      „Red dir ruhig den Mund fransig, Trevellian. Wenn der gepanzerte Wagen nicht in fünfzehn Minuten unten vorfährt, spalte ich dem Haufen Elend hier mit einer fünfundvierziger Kugel den Kopf. Das ist mein letztes Wort.“

      „Und dann? Ohne ihn bist du ganz schön aufgeschmissen.“

      „Ein paar von euch werde ich jedenfalls noch mitnehmen.“

      Ich überlegte. Was nützt es uns, wenn wir seiner habhaft werden oder ihn mit einem Schuss kalt stellen, fragte ich mich, wenn er die Geisel erschießt. Das Leben des Jungen durfte auf keinen Fall durch uns aufs Spiel gesetzt werden.

      Sergio Antonelli war unberechenbar und gefährlich. Ein Auftragsmörder, dem wir bisher nicht das Handwerk legen konnten. Und wenn er versprach, einige von uns mitzunehmen auf die Reise ohne Wiederkehr, dann glaubte ich ihm das auch.

      Wenn ich über die Blumentöpfe hinweg linste, konnte ich durch