Pete Hackett

Trevellian und der Mann, der den Wind säte: Action Krimi


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aber konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass uns Sommerby nicht die ganze Wahrheit erzählt hatte. Das sagte mir mein Instinkt, der sich im Laufe der Jahre im harten Geschäft der Verbrechensbekämpfung entwickelt hatte. Ein unbestimmtes Gefühl, dessen Ursprung ich nicht zu analysieren vermochte.

      Unten empfing uns Lew Harker, der fliegende Reporter. „Hi, Jesse, hi, Milo. Soviel ich weiß, hattet ihr diesen Sergio Antonelli schon öfter mal in der Mangel. Er ist euch aber immer wieder ausgeschlitzt. Sagt mal, der Bursche, auf den er schoss ... Ich schnappte einen Namen auf. Sommerby. Ist das richtig?“

      „Yeah“, gab ich Antwort. „Tom Sommerby. Investment-Makler aus Jersey City. Wollte nur eine Nacht hier wohnen.“

      Versonnen starrte Lew auf seine Schuhspitzen hinunter. „Sommerby“, murmelte er wie im Selbstgespräch, und wir konnten es ihm von der Nasenspitze ablesen, dass er angestrengt nachdachte. „Tom Sommerby ...“

      „Hast du was auf der Pfanne, Lew?“, grollte Milo.

      Harker nagte kurz an seiner Unterlippe. „Der Name sagt mir was, Leute. Ich komm im Moment nur nicht drauf. Aber in irgendeinem Zusammenhang hab ich diesen Namen schon gehört. Verdammt, wenn ich nur drauf käme.“

      „Herr Doktor, ich kann mir nichts mehr merken ...“, grinste ich anzüglich.

      „Seit wann haben Sie das, Mr. Trevellian?“, fragte Milo mit gespieltem Ernst.

      „Was?“

      Lew schaute uns an wie zwei Spinner. Der grübelnde Ausdruck in seinem Blick aber verlor sich nicht. Plötzlich verzog er den Mund. Wir konnten ihm kein noch so winziges Lächeln abnötigen. Er sprach es aus: „Was unterhalte ich mich überhaupt mit euch hohlen Nüssen? Ihr seid zwei arme Irre. Aber mir fällt‘s schon noch ein. Ich ruf euch an.“

      Er wuselte davon, und wir wussten, dass er in den 12. Stock fuhr, um seinen Lohn zu verdienen.

      3

      Verhör, Spurensicherung und Fragen der Presse dauerten bis 17 Uhr. Tom Sommerby hatte es plötzlich eilig. Er wollte nur noch weg hier, wo er um ein Haar sein Leben ausgehaucht hätte. Er packte seine wenigen Habseligkeiten zusammen, zahlte an der Rezeption die Rechnung und fuhr mit dem Aufzug in die Tiefgarage. Da stand sein stahlblauer Chevy.

      Er schaute sich um. Seit dem Anschlag vor drei Stunden misstraute er sogar seinem eigenen Schatten. Er war sich sicher, zu wissen, wer es auf sein Leben abgesehen hatte. Dass sie so weit gehen würden, hätte er nicht geglaubt. Im Traum hätte er nicht daran gedacht, dass Dexter Morgan seine hassvolle Prophezeiung in die Tat umsetzen würde.

      Er hatte die Worte noch im Kopf, die Dexter Morgan ins Telefon brüllte: „Hören Sie endlich auf, uns die Hölle heiß zu machen, Sommerby. Ihr Sohn hatte es sich selber zuzuschreiben. Wir machen Sie kalt, wenn uns noch eine einzige Drohung ins Haus flattert. Das ist unsere letzte Warnung. Verschwinden Sie aus unserem Leben, lassen Sie uns in Ruhe. Ansonsten sind Sie ein toter Mann.“

      Er, Tom Sommerby, hatte den vier ehemaligen Kumpels seines Sohnes als Antwort auf diese Drohung – diese leere Drohung, wie er meinte –, Pakete geschickt, deren Inhalt eine sauber geknüpfte Henkerschlinge war und ein Hinweis, dass sie hängen würden – genauso, wie sein Sohn gehängt worden war.

      Er wollte sie nicht zur Ruhe kommen lassen.

      Tom Sommerby warf die Reisetasche in den Kofferraum des Chevy, dann schwang er sich auf den Fahrersitz. Sommerby stieß zurück, legte den ersten Gang ein, den zweiten und folgte im Schritttempo den Hinweisen zur Ausfahrt.

      Vor einer Schranke musste er anhalten und den Chip in einen Automaten werfen, damit die Schranke aufschwang.

      In diesem Moment spürte er einen stahlharten Druck zwischen seinen Schulterblättern, eine scharfe Stimme sprang ihn an: „Ich weiß zwar nicht, wohin du fahren willst, Sommerby, aber das spielt jetzt auch keine Rolle. Denn ich werde dir sagen, wohin wir fahren.“

      Erst überrollte Tom Sommerby eine Welle des Erschreckens, dann kam die kalte, verzehrende Furcht.

      „Wer – wer sind Sie?“, brachte er mühsam hervor. Vergeblich versuchte er, das Zittern in seiner Stimme zu verbergen.

      „Fahr weiter“, zischte der Bursche, der sich zwischen Rücksitz und Rückenlehne der vorderen Sitze versteckt hatte. Der Druck von Sommerbys Rücken verschwand. Der Bursche hinter Sommerby ließ wieder seine Stimme erklingen: „Ich werde dich durch die Rückenlehne erschießen, wenn du nicht spurst. Also, fahr los.“

      „Wohin?“, entrang es sich Sommerby. Eine kalter Finger hatte sich mit hartem Druck auf sein Herz gelegt. Schweiß bildete sich in seinem Haaransatz, sein Atem ging stoßweise und flatternd.

      „Zu den Chelsea Piers.“

      „Was – warum – wer – wer schickt Sie? Gehören Sie zu dem Kerl – diesem Sergio Antonelli, der – der mich im Hotel umbringen sollte?“

      Die Panik verzerrte Sommerbys Denken und ließ ihn keinen zusammenhängenden Satz sprechen.

      „Nein. Den haben dir Morgan und O'Leary auf den Hals geschickt.“ Der geheimnisvolle Bursche hinter Sommerby lachte fast amüsiert auf. „Vor dem habe ich dich gerettet, Mann. Ich habe den Detektiv angerufen. Du bist mir was schuldig.“

      Hinter ihnen hupte es anhaltend. Sommerby schaute in den Rückspiegel. Ein Auto wartete darauf, dass er weiter fuhr. Der Fahrer gestikulierte, seine Lippen bewegten sich, und es waren gewiss keine Freundlichkeiten, die er gegen die Windschutzscheibe spuckte.

      Von seinem Kidnapper konnte Sommerby im Rückspiegel nichts sehen. Der kauerte hinter ihm und hielt gewiss die Pistole gegen die Rückenlehne.

      Sommerby fuhr an. Er zwang sich zur Ruhe. „Wer schickt sie dann, wenn nicht diese Schufte?“ Er steuerte den Wagen zum Times Square und folgte der vierspurigen Seventh Avenue Richtung Midtown South.

      Der Kidnapper lachte kehlig. „Einer, der dich lebend braucht.“

      Verständnislos starrte Sommerby auf das Heck des Autos, das vor ihm fuhr. Er hatte Mühe, sich auf den Verkehr zu konzentrieren. „Ich verstehe nicht“, murmelte er.

      „Das ist auch nicht notwendig.“

      „Was haben Sie vor, Mister? Was soll ich bei den Chelsea Piers. Was erwartet mich dort?“

      Vor ihm gingen die Bremslichter an, im letzten Moment trat auch Sommerby aufs Pedal.

      „Bau nur keinen Unfall. Könnte peinlich für mich werden.“ Der Bursche im Fond des Chevy kicherte. „Was ich vorhabe? Das kann ich dir sagen, Sommerby. Ich werde dich dort auf einem alten Kahn verstecken, der etwas abseits dümpelt und vor sich hin rostet. Ja, ich werde dich so lange dort verstecken, bis du nicht mehr gebraucht wirst.“

      Siedend durchfuhr eine neue Woge der Angst Tom Sommerby. „Und wenn ich nicht mehr gebraucht werde?“, stotterte er.

      „Mal seh‘n.“

      Der Chevy ruckte wieder an.

      „Sie werden mich umbringen?“

      „Wahrscheinlich. Du hast genug Unheil angerichtet.“

      Sommerby zermarterte sich das Hirn nach einem Ausweg. Bremsen und