Gisela Garnschröder

Der Mord am Pulverbach


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hat denn der Unfall mit unserer Cora zu tun?«

      »Gar nichts«, beruhigte Vera während Josef Tann sich schweigend umschaute. »In der Schule hat man uns berichtet, ihre Tochter sei näher mit dem jungen Mann bekannt gewesen.« Die Frau seufzte.

      »War ein ordentlicher Junge, der Volker. Die beiden haben zusammen Mathematikaufgaben gemacht. Dem Fahrer sollte man den Schein wegnehmen.« Sie trat ins Haus und rief: »Cora!«

      Oben knallte eine Tür und eine Stimme erklang: »Was ist, Mama?«

      »Komm herunter!«

      Cora Meier war schlank, etwa eins siebzig groß und hatte blondes, lockiges Haar. Gelangweilt kam sie die Treppe herunter und zuckte leicht zusammen, als sie die Beamten sah.

      »Was ist denn?«, erkundigte sie sich etwas unwillig.

      Tann und Senft zeigten fast gleichzeitig ihre Ausweise und der Hauptkommissar erklärte:

      »Wir kommen wegen des Unfalls an der Vennorter Straße. Kannten Sie Volker Wieners?«

      Cora wurde ein wenig blass antwortete aber sofort:

      »Wir haben zusammen Mathe gemacht. «

      »Können Sie sich vorstellen, was Volker in der Nacht zum Freitag in Steinhagen gemacht hat?« Cora zuckte die Schultern. »Keine Ahnung.«

      »Was hatte er denn für Hobbys?«

      »Ich weiß nicht. Karten hat er gespielt. Manchmal ist er gejoggt.«

      Tann horchte auf.

      »Karten gespielt? Wo? Mit wem? Hat er davon erzählt?«

      Cora überlegte.

      »Doppelkopf. Mit seinen Freunden. Die sind aber nicht mehr auf der Schule.«

      »Wissen Sie die Namen?«

      »Er hat selten davon gesprochen. Nur wenn er gewonnen hat. Meistens hat er verloren.« Sie lächelte schwach. »Die Mitspieler wohnen alle in Steinhagen. Sie haben sich nur hin und wieder getroffen.«

      Vera zog die Lippe zwischen die Zähne und überlegte einen Moment, dann erkundigte sie sich: »Wusste seine Mutter nichts davon?«

      »Keine Ahnung, die arbeitet immer.«

      »Waren Sie schon dort in seiner Wohnung?«

      Cora warf einen kurzen Blick zu ihrer Mutter hinüber und antwortete leise: »Nein.«

      Die Beamten verabschiedeten sich und als sie gerade ins den Wagen einsteigen wollten, kam Cora hinaus und sagte: »Tim, einer der Kartenspieler heißt Tim.« Vera bedankte sich und reichte ihr eine Visitenkarte:

      »Wenn Ihnen noch irgendetwas einfällt, melden Sie sich bitte bei mir.«

      Cora steckte die Karte ein, nickte der Beamtin zu und schaute dem Wagen nach, bis er um die nächste Kurve verschwunden war.

      Tann fuhr wieder auf die Brockhagener Straße, überholte einen Kleinlaster und murmelte:

      »Hat wohl so ihre Geheimnisse, die Kleine.«

      »Genau meine Meinung. War wohl eine ziemlich enge Freundschaft. Bloß vor ihrer Mutter wollte sie es nicht zugeben.«

      Tann grinste, dann wurde er wieder ernst.

      »Verdammt schade um den Jungen. Jetzt wissen wir wenigstens, was er in der Nacht in Steinhagen gemacht hat. Dazu müssen wir unbedingt die Mutter befragen.«

      »Die arme Frau. Am Freitag ist die Beerdigung. Wir sollten beide hingehen.«

      Tann stieß einen heftigen Fluch aus, der bei Vera ein empörtes Stirnrunzeln auslöste und sie fuhr ihn an:

      »Meinst‘e für mich ist das ein Vergnügen?!«

      Er sah sie von der Seite an und strich ihr mit dem kleinen Finger verlegen über den Arm.

      »War nicht so gemeint, Vera. Habe gerade an meinen Sohn gedacht. Himmel, ich könnte den Kerl erwürgen, der das gemacht hat. Die Frau ist Witwe, sie hatte nur noch ihren Sohn, verdammt.«

      Vera sah ihn erstaunt an.

      »Ich wusste gar nicht, dass es dich so mitnimmt.«

      »Glaubst du, ich bin aus Holz?« Er umklammerte mit beiden Händen das Steuer und sein ansonsten schmales, sympathisches Gesicht glich einer bösen Maske. Vera wollte etwas erwidern, ließ es dann aber, weil ihr einfach die richtigen Worte fehlten. Wenig später hielten sie am Baugebiet in Steinhagen an, schlüpften in ihre Stiefel und gingen über die Baustelle. An einem Haus wurde kräftig gewerkelt, aber der Bauwagen, in dem der Tote gefunden wurde, war noch versiegelt. Langsam gingen sie hin und her, dann ging Josef Tann zu den Bauarbeitern hinüber, während Vera Senft sich die anderen Bauwagen ansah. Vera hatte nichts Besonderes entdeckt und ging zu dem versiegelten Bauwagen zurück. Als sie einer Pfütze auswich, streifte sie mit der Hand einen Baum, der direkt hinter dem Wagen stand. Merkwürdige Kratzer fielen ihr ins Auge. Bei genauerem Hinsehen entdeckte sie auch Fußspuren rund um den Baum. Schnell holte sie ihre Kamera aus der Tasche und machte Fotos.

      »Du musst die Krone fotografieren, das gibt ein besseres Bild!« Josef Tann tauchte lachend hinter ihr auf, und sie lachte ebenfalls.

      »Schau mal, Jupp. Sind die Spuren nicht merkwürdig.« Sie steckte die Kamera ein, schlüpfte in dünne Handschuhe und holte ein Tütchen aus der Tasche.

      »Hier am Stamm sind Sisalfäden. Könnte sein, dass der Junge hier gefesselt war.«

      Tann hockte sich nieder und nickte anerkennend.

      »Durchaus möglich. Nimm noch etwas von dem Boden in eine Tüte. An den Schuhen des Jungen war Schmutz.« Er stand wieder auf und sah sich um.

      »Der Radweg beginnt da vorn. Er ist entweder aus dem Hilterweg gekommen oder von der Woerdener Straße. Dann hat er etwas gehört oder gesehen und wollte wissen was es war, dabei ist er entdeckt worden.«

      »Und wo hatte er sein Fahrrad? Wenn die Täter es gesehen hätten, hätten sie es sicher kaputt gemacht.«

      »Du hast recht. Komm, wir warten erst die Untersuchung ab. Wenn die Erde unter den Schuhen des Jungen mit deiner Probe übereinstimmt, wissen wir genau, dass er hier war.« Mit einem letzten Blick über die Baustelle machten sie sich auf den Weg zu Frau Wiener.

      Christa Wiener war nicht allein in ihrer Wohnung. Als die Beamten dort vorsprachen, öffnete ein Mann von etwa fünfzig Jahren die Tür und geleitete sie ins Wohnzimmer.

      »Kastner«, stellte er sich vor. »Horst Kastner, ich bin ein Bekannter von Frau Wiener. Bitte warten Sie einen Moment, ich hole sie gleich.«

      Vera setzte sich in einen Sessel und Josef Tann ging zum Fenster.

      »Einen schönen Blick hat man hier. Nur Wälder und Felder«, bemerkte er und Horst Kastner, der wieder eingetreten war, pflichtete ihm bei.

      »Außerhalb wohnt man halt mitten in der Natur.«

      Sie warteten nicht lange, dann erschien Christa Wiener, schlank und zierlich, mit ihren halblangen, blonden Haaren war sie eine attraktive Frau um die fünfzig. Ganz in Schwarz gekleidet und mit einem leicht geröteten Gesicht, dem man ansah, dass sie gerade geweint hatte, begrüßte sie die Beamten mit der Frage:

      »Wissen Sie schon, wer meinen Jungen überfahren hat?«

      Vera warf einen kaum merklichen Blick zu ihrem Kollegen und erklärte dann:

      »Es tut uns leid, Frau Wiener, bisher konnte der Unfallflüchtige noch nicht ausgemacht werden.« Frau Wiener setzte sich Vera gegenüber und knetete nervös an ihrem Taschentuch. Horst Kastner verließ wortlos den Raum. Die Kommissarin wartete einen Moment und stellte dann die erste Frage:

      »Ihr Sohn soll mit einigen Freunden Doppelkopf gespielt haben, bevor er in der Nacht überfahren wurde. Wissen Sie die Namen der Beteiligten?«

      »Doppelkopf?« Christa Wiener sah die Beamtin überrascht an. »Deshalb ist er noch