A. F. Morland

Die Großmeister des Mordes: Alfred Bekker präsentiert 12 Strand Krimis


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      Ich griff in die Innentasche meiner Jacke und hielt ihm ein Bild von Desmond Cole hin.

      "Kennen Sie diesen Mann?"

      "Nie gesehen."

      "Vielleicht sehen Sie mal richtig hin!"

      Sorello nahm sich zwei volle Sekunden Zeit, schüttelte dann aber energisch den Kopf. Schließlich reichte er mir das Bild zurück. "Tut mir leid, G-man! Was ist mit dem Kerl?"

      "Er heißt Desmond E. Cole, ist aber auch unter ein paar anderen Namen bekannt", erwiderte ich. "Cole wurde heute bei einer Schießerei Ecke Bedford Street/Seventh Avenue umgebracht."

      Sorello hob die Augenbrauen.

      "Ich verstehe nur nicht, was das ganze mit mir zu tun haben soll! Hey, Mann, bleib cool, G-man! Ihr werdet doch nicht im Ernst auf den Gedanken gekommen sein, dass ich vielleicht mit einem Schießeisen herumgeballert habe!"

      Sorello lachte heiser auf. "Ich würde mich mit einer Waffe eher selbst verletzen als meinen Gegner."

      "Sie haben mit Cole telefoniert", stellte ich sachlich fest. "Etwa eine Stunde bevor er erschossen wurde. Vielleicht waren sie der letzte Mensch, mit dem er gesprochen hat. Am Abend zuvor haben Sie gegen zwanzig Uhr mit ihm gesprochen. Das sind Tatsachen, die Sie mit diesem Mann in Verbindung bringen."

      Sorello sah mich überrascht an.

      Einen Augenblick lang fiel die coole Maske von ihm ab, die er sich zugelegt hatte.

      Seine schmächtige Gestalt stand da wie ein Fragezeichen.

      "Hey, G-man, du redest Quatsch!"

      "Ich rede keinen Quatsch", sagte ich. "Und ich möchte jetzt wissen, was Sie mit Mister Cole zu besprechen hatten!"

      "Ihr blufft!", fauchte Sorello dann.

      "Wir haben Ihre Nummer aus dem Menue von Coles Handy", erläuterte ich kühl. "Und dazu werden Sie schon irgendeine Erklärung abgeben müssen."

      Sorello fuhr sich mit der Hand durch das ungepflegte Haar, strich es sich mit einer fahrigen Geste zurück. "Ich muss gar nichts!", meinte er. "Am besten ich rufe meinen Anwalt."

      Er ging zum Telefon, nahm den Hörer ab.

      "Das können Sie natürlich tun", sagte ich. "Aber vorher sollten Sie jedoch noch eines wissen. Desmond Cole war ein Profi-Killer. Und die Tatsache, dass Sie mit ihm telefonischen Kontakt hatten, kurz bevor er in eine Schießerei verwickelt war, kann Sie in alles Mögliche hineinziehen, Mister Sorello."

      'BigByte' legte den Hörer wieder auf.

      Er ballte die Hände zu Fäusten. Dann ließ er sich in einen der rollbaren Drehsessel fallen.

      Nervös tickte er mit den Fingern auf der Armlehne herum.

      "Vielleicht kannten Sie Cole unter dem Namen Peter Duncan", versuchte ich ihm eine Brücke zu bauen. Jedenfalls war unter dem Namen Peter Duncan sein Mobilfunkanschluss angemeldet.

      Sorello atmete tief durch.

      "Agent Trevellian, ich..."

      Weiter kam er nicht.

      In dieser Sekunde barst eine der Fensterscheiben.

      Ein Ruck ging durch BigBytes Körper. Für Sekundenbruchteile sah ich den hauchdünnen roten Laserstrahl eines Laserpointers aufzucken.

      Doch es war bereits zu spät.

      Sorello rollte die Wucht des ersten Treffers ein paar Meter auf seinem Drehstuhl zurück.

      Der erste Treffer durchschlug Sorellos Brustbein, ein zweiter erwischte ihn in der Herzgegend.

      Ich duckte mich, riss die SIG aus dem Holster.

      Der Schütze musste in einem der benachbarten Skyscraper in Stellung gegangen sein. Der nächste Schuss folgte. Einen der Computerschirme erwischte es. Milo kauerte hinter dem Schreibtisch. Per Handy verständigte er bereits die Kollegen.

      5

      Der Killer zog den Lauf des Spezialgewehrs aus dem kreisrunden Loch in der getönten Fensterscheibe. Er hatte es mit einem speziellen Glasschneider herausgeschnitten.

      Der Killer grinste.

      Die verschiedenen Schichten der Dreifachverglasung zu durchdringen war schon das Schwierigste an dem ganzen Job gewesen.

      Aber selbst das hatte der Killer in aller Ruhe durchführen können. Er hatte sich dafür ein Fenster im Treppenhaus auf Höhe des 24. Stock ausgesucht. Von hier aus hatte er einen freien Blick auf das Penthouse seines Opfers gehabt. Außerdem befanden sich im Treppenhaus weder Überwachungskameras noch musste er damit rechnen, dass plötzlich jemand vorbeikam.

      Selbst Fitness-Fanatiker gingen lieber im nahen Central Park joggen, anstatt den Lift mit der Treppe zu vertauschen.

      Es diente lediglich als Fluchtweg für den Notfall.

      Der Killer begann damit, das Spezialgewehr auseinander zu nehmen. Die Einzelteile verstaute er in einer Sporttasche mit der Aufschrift FUN GENERATION. Er hing sie sich über die Schulter und verließ dann das Treppenhaus. Erstens hatte er keine Lust, 23 Stockwerke zu Fuß hinter sich zu bringen. Und zweitens: Wenn ihn doch ein Hausmeister oder einer der Security Guards im Treppenhaus antraf, würde er auf jeden Fall auffallen.

      Und das wollte er nicht.

      Der Killer ging den Korridor entlang bis zu den Aufzügen.

      Eine der metallfarbenen Schiebetüren öffnete sich.

      Zwei der bewaffneten Security Guards, die in diesem Haus für Sicherheit und Ordnung sorgten, traten aus der Liftkabine.

      Der Größere der beiden hob seine linke Hand. Die Rechte wanderte in Höhe des Pistolengriffs, der aus dem Gürtelholster ragte.

      "Halt!", rief er. "Der Aufzug ist zur Zeit außer Betrieb..."

      "Wie ich gesehen habe, funktioniert er einwandfrei!", zischte der Killer zwischen den Zähnen hindurch.

      "Sie müssen sich trotzdem etwas gedulden, Sir! Wir haben einen Anruf vom FBI bekommen, dass aus diesem Haus heraus geschossen wurde."

      "Ach!"

      "Deswegen darf niemand die Stockwerke von 20 aufwärts verlassen, bis das abgeklärt ist."

      Der Kleinere der beiden Security-Leute ergänzte: "Die Cops sind bereits unterwegs."

      Im Gehirn des Killers arbeitete es fieberhaft.

      Er sah auf die Uhr am Handgelenk.

      "Ich habe einen wichtigen Termin."

      "Tut mir leid", erwiderte der Größere. "Wir können keine Ausnahme machen!"

      In derselben Sekunde zog der kleinere die Pistole, eine Beretta. Der Lauf zielte auf den Oberkörper des Killers.

      "Legen Sie die Tasche auf den Boden und schieben Sie sie hier her", forderte der Security Guard. "Danach nehmen Sie die Hände hoch und lehnen sich an die Wand."

      "Was soll das? Dazu haben Sie nicht das Recht!"

      "Die Rechtsgrundlage können Sie jederzeit im Mietvertrag nachlesen, Sir!"

      Der Killer nahm die Sporttasche von der Schulter.

      Der Größere der beiden Security Guards wartete nicht erst, bis der Killer sie auf den Boden gesetzt hatte. Der Uniformierte riss sie regelrecht an sich, öffnete den Reißverschluss.

      Der Killer hob inzwischen die Hände, sah wie sich das Gesicht des Größeren veränderte.

      In dieser Sekunde musste er handeln.

      Als der kleinere den Blick für einen Moment zu seinem Kollegen wandte, ließ der Killer den Fuß hochschnellen. Ein Karatetritt kickte dem Uniformierten die Waffe aus der Hand.