A. F. Morland

Die Großmeister des Mordes: Alfred Bekker präsentiert 12 Strand Krimis


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dass er sie als Geiseln genommen hatte.

      Wir pirschten uns vorsichtig weiter voran.

      Gegenseitig sicherten wir uns ab, tasteten uns jeweils bis zur nächsten Ecke vor und näherten uns auf diese Weise immer weiter dem Waschsalon. Hinweisschilder wiesen uns den Weg.

      Ich ließ den Blick schweifen. Es gab wirklich keine Überwachungskamera, die der Killer auf seinem Weg ausgelassen hatte.

      Als wir den Korridor vor dem Waschsalon erreichten, hörten wir ein leises Wimmern.

      Eine Frauenstimme.

      Orrys Gesicht wurde noch dunkler, als es bei dem G-man indianischer Abstammung ohnehin der Fall war. Er packte die SIG mit beiden Händen.

      Ich nahm an, das er im nächsten Moment voranstürmen würde.

      Ich schüttelte den Kopf, bedeutete ihm mit einer Handbewegung, sich zurückzuhalten.

      "Das ist eine Falle!"

      Ich flüsterte diese Worte nur. Aber über das Mikro an meinem Hemdkragen konnten alle an diesem Einsatz beteiligten Kollegen sie deutlich verstehen. Selbst Clive Caravaggio in der Videozentrale.

      Die Frau stöhnte jetzt schmerzerfüllt auf.

      Wut erfasste mich.

      Unser Gegner spielte mit unseren Nerven. Innerlich kochte ich angesichts der Brutalität, mit der dieser Mann vorging.

      Er war eiskalt. Und berechnend.

      Und so nahm ich an, dass jedes Detail dessen, was nun geschah, genau geplant war.

      Schritte ertönten.

      Lackschuhe auf dem gefliesten Boden des Waschsalons.

      Die Frau stöhnte wieder auf.

      Die Schritte klangen zögernd, unsicher.

      Ein Mann trat auf den Korridor hinaus. Er hatte die Hände erhoben. Das kalte Licht der Neonröhren spiegelte sich in seinem nur von einem Haarkranz umrahmten Schädel.

      "Nicht schießen!", rief er.

      Er blickte sich um, sah zurück in den Waschsalon.

      Zweifellos hatte der Killer die Geisel jetzt noch im Visier.

      Sobald der Mann eine falsche Bewegung machte, würde ihn eine Kugel treffen.

      Er zitterte leicht.

      Schweißperlen rannen ihm von der Stirn.

      Er sah uns an.

      "Wenn ich mich weiter zu Ihnen hin begebe, wird der Kidnapper eine der beiden Frauen erschießen", sagte der Mann dann mit tonloser Stimme. "Vielleicht auch mich... Ich muss also hier stehen bleiben."

      Ich nickte ihm zu.

      Im Augenblick konnte ich nichts für den Mann tun. Er stand wie auf dem Präsentierteller vor der Tür des Wachsalons.

      Er presste die Lippen aufeinander.

      "Sie sollen sich zurückziehen", erklärte er dann tonlos. "Das ist die Forderung dieses Mannes. Und Sie müssen sie erfüllen, sonst wird es Tote geben..."

      Das wird es in jedem Fall!, ging es mir bitter durch den Kopf. Denn wenn es diesem Killer gelang, in Freiheit zu bleiben, dann gab es zwangsläufig früher oder später neue Opfer.

      "Können Sie mich hören?", rief ich an die Adresse des Killers gerichtet. "Sie haben keine Chance. Das Haus ist umstellt. Ihr Gesicht ist auf Video gespeichert! Sie können nicht entkommen..."

      Eine Pause entstand.

      Der Mann wandte den Kopf, versuchte aus den Augenwinkeln heraus in den Waschsalon zu sehen.

      Dann machte er einen schnellen Schritt nach vorn, wollte sich damit aus der Schusslinie bringen.

      Eine Panikreaktion.

      Und ein tödlicher Fehler.

      Eine Kugel traf ihn an der Schläfe.

      Er taumelte zu Boden und blieb regungslos liegen.

      "Schätze, dass war so eine Art Antwort!", knurrte Orry grimmig.

      Uns waren die Hände gebunden. Noch hatte dieser Wahnsinnige zwei Geiseln in seiner Gewalt.

      Wieder waren Schritte zu hören. Sie wirkten noch unsicherer als es die des Mannes gewesen waren. Eine junge Frau Mitte zwanzig trat aus dem Waschsalon heraus. Sie trug mittelhohe Absätze, hielt die Hände empor. Die enganliegenden Jeans und das knappe T-Shirt betonten ihre Figur. Das rostbraune Haar hing ihr zerzaust im Gesicht.

      Sie hatte Mühe, ein Schluchzen zu unterdrücken.

      Der Killer musste sie angewiesen haben, sich nicht umzudrehen. Starr blickte sie erst gegen die Wand, dann in unsere Richtung.

      "Ziehen Sie sich zurück!", bat die Frau. Ein Weinkrampf durchfuhr sie, ließ sie zittern. Sie war mit den Nerven völlig am Ende. Kein Wunder. Schließlich hatte sie soeben mit ansehen müssen, wie eine Mitgeisel kaltblütig erschossen worden war. Ihr Blick verweilte kurz bei dem Toten.

      "Bitte!", wimmerte die junge Frau. "Dieser Verrückte ist zu allem fähig..."

      Sie machte einen Schritt rückwärts, auf die Tür zum Waschsalon zu. Dabei drehte sie sich jedoch nicht um.

      "Ich muss zurück", sagte sie. "Sonst erschießt er mich. Bitte, ziehen Sie sich zurück... Der Kerl macht ernst!"

      Ich wechselte einen Blick mit Milo, dann mit Orry.

      "Wir gehen auf die Bedingung ein", rief ich, in der Hoffnung, dass der Killer das hörte. "Wir ziehen uns zurück."

      Clive Caravaggio meldete sich über Funk. "Der Kerl muss früher oder später durch Bereiche, in denen es noch Kameras gibt!"

      Die weibliche Geisel ging rückwärts zurück in Richtung des Eingangs zum Waschsalon.

      Schritt um Schritt näherte sie sich ihrem Peiniger.

      Aber sie hatte keine andere Wahl.

      Ein Stöhnen drang aus dem Waschsalon, das in ein entsetztes Wimmern überging.

      Dann folgte ein Schussgeräusch.

      "Dieses Schwein", murmelte Orry.

      Kein Zweifel, der Kerl hatte seine zweite Geisel erschossen! Möglicherweise hatte sie die Nerven verloren und irgendeine Dummheit begangen.

      Die junge Frau, die sich unweit des Waschsalon-Eingangs befand, warf sich zu Boden. Ein Schuss zischte über sie hinweg. Die Kugel drang in die Wand ein und ließ den Putz bröckeln.

      In diesem Moment stürmte ich nach vorn, die SIG in der Faust.

      Milo und Orry waren mir dicht auf den Fersen.

      Mit der SIG in beiden Händen stürzte ich in den Waschsalon, ging in die Hocke dabei und legte die Waffe an.

      Zu beiden Seiten befanden sich Waschmaschinen. Mindestens eine davon war sogar in Betrieb. Ein Summton erfüllte den Raum. Auf der gegenüberliegenden Seite stand eine Tür halb offen. Dahinter war Dunkelheit.

      Sekunden nachdem ich in Stellung gegangen war, sah ich dort ein Mündungsfeuer aufblitzen.

      Ich spürte, wie das Projektil mich mitten in die Brust traf. Die Wucht des Geschosses riss mich zurück, streckte mich zu Boden. Die Kevlar-Weste rettete mir das Leben. Aber selbst wenn man so etwas trug, konnte ein Treffer wie ein kräftiger Tritt wirken.

      Mir blieb für eine Sekunde die Luft weg, während ein weiterer Schuss dicht über mich hinwegzischte.

      Ich rollte mich zur Seite, verschanzte mich hinter einer der Waschmaschinen. Dabei rang ich nach Luft.

      Unser Gegner ballerte wild drauf los.

      Schuss um Schuss zischte in unsere Richtung. Ich hatte keine