in Sakrow übernachten? Die andern werden ja alle ihre Pläne schon gemacht haben. Es ist wirklich sehr widerwärtig in dieser Zeit hier unnötig sitzen zu müssen und zu warten. Hoffentlich auf baldiges Wiedersehen!
D.
13. An Karl und Paula Bonhoeffer
7. August 1943
Liebe Eltern!
Dieser Brief geht nun doch wieder an Euch statt, wie eigentlich geplant, an Maria. Ich weiß nämlich nicht, ob es richtig ist, ihr Briefe mit meiner gegenwärtigen Anschrift auf dem Umschlag zu schicken. Auf dem Dorf schwatzt sich alles gleich herum, und es könnte doch einer da sein, der weiß, was Tegel, Seidelstraße 39, bedeutet; und das würde ich Maria gern ersparen. Außerdem ist sie jetzt nicht einmal zu Haus, und da möchte ich erst recht vorsichtig sein, um sie nicht in eine Lage zu bringen, die ich von hier aus nicht übersehen kann. Sie hat schon genug durchzumachen. So warte ich also, bis ich von ihr höre, wie sie sich das denkt. Dieses in allen Dingen Angewiesensein aufs Warten ist ja überhaupt das Kennzeichen meines gegenwärtigen Zustandes, und je näher man dem Ziel zu kommen hofft, desto schwieriger ist es, sich in Geduld zu fassen.
Nun ist die Hitze ja gebrochen, und ich sitze schon wieder in der Jacke am Tisch. Aber ich möchte Euch doch noch einmal danken, dass Ihr mir die heißen Tage so erleichtert habt. Dabei war die Fahrt nach Tegel für Euch ja auch immer eine schlimme Strapaze.
Ob Ihr nun auch sehr in Luftschutzvorbereitungen seid? Nach allem, was die Zeitung in den letzten Tagen bringt, kommt man ja nicht umhin, sich alles bis in die Einzelheiten hinein noch einmal zu überlegen. Da geht mir z. B. durch den Kopf, dass wir doch einmal vom Gebälk im Keller gesprochen haben und gewisse Bedenken hatten; an dem Hauptbalken in der Mitte sollten doch noch irgendwelche Veränderungen vorgenommen werden? Ob Ihr noch daran denkt und ob die Hilfskräfte dafür zu kriegen sind? Das stelle ich mir jetzt sehr schwierig vor. Wie gern würde ich Euch dabei helfen. Lasst mich doch alles wissen; es interessiert einen ja jede Einzelheit.
Was für Pläne haben die Geschwister mit den Kindern? Werdet Ihr nach Sakrow gehen, wenigstens für die Nächte?
Um mich aus diesen Gedanken für kurze Zeit wenigstens ganz herausreißen zu lassen, habe ich in den letzten Tagen Hauffs Märchen mit großem Vergnügen gelesen. Man wird in eine ganz andere Welt versetzt, und man hat nur immer etwas Angst, aus dem Bereich des Fantastischen und der Träume wieder allzu nüchtern zu erwachen! Ich würde gern mal wieder den „Lichtenstein“ lesen; ich habe ihn in einer Reclamausgabe zu Haus; der kleine Druck würde mich nicht stören.
Im Grunde hoffe ich von Tag zu Tag, dass Ihr nicht mehr so oft nach Tegel fahren müsst, sondern endlich beruhigt die so nötigen Ferien machen könnt.
Dieser Tage las ich von der Anmeldepflicht von Kupfergefäßen. Darunter fällt auch mein spanischer „Brassaro“; nur müsste man vermerken, dass es sich um ein Kunstwerk aus dem 18. Jahrhundert handelt. Merkwürdig, wie gleichgültig einem in solchen Zeiten derartige Dinge werden.
Von meinen Büchern hätte ich gern Vilmar, Schlatter, Calvin sichergestellt, vielleicht auch die alten Bilder in meiner Stube; aber bitte macht Euch nicht zu viel Mühe damit! Bücher kann man sich ja später schließlich immer wieder kaufen, und vor allem müsst Ihr in diesen Zeiten bei Kräften bleiben; demgegenüber ist alles andere wirklich ganz nebensächlich!
Der Sonntag ist inzwischen auch fast vorüber, und ich gehe der neuen Woche mit großer Erwartung entgegen. Hoffentlich kommt auch bald wieder Post von Euch und von Maria.
Ich glaube, ich habe bisher noch nie erzählt, dass ich täglich, wenn ich nicht mehr lesen und schreiben kann, etwas Schachtheorie treibe; das macht mir viel Spaß. Wenn Ihr etwas Kleines, Gutes, vielleicht mit Aufgaben, darüber findet, wäre ich dankbar; aber macht Euch keinerlei Umstände damit; es geht auch so.
Nun grüßt bitte wieder alle Geschwister und lasst mich bitte bald alle Eure Pläne und Entscheidungen wissen. Würdet Ihr mit Maria bitte besprechen, wie sie es sich mit der Post denkt, und grüßt sie dabei bitte sehr! – Es denkt sehr an Euch alle und grüßt Euch
Euer dankbarer Dietrich
14. An Maria von Wedemeyer
12. August 1943
Meine liebste Maria!
Als ich den letzten Brief an Dich abgeschickt hatte, bekam ich plötzlich einen Schrecken, Dir könnte vielleicht meine Tegeler Adresse auf dem Umschlag im Dorf Unannehmlichkeiten machen. Und wenn ich auch förmlich zu hören glaube, wie Du darüber laut lachst – ich freue mich über dieses Lachen –, so meine ich, man soll solche Dinge doch nicht leichtfertig behandeln; es ist wirklich nicht nötig, dass Du einen Dorfklatsch über Deinen Bräutigam über Dich ergehen lassen musst. Um auch jede Möglichkeit in dieser Hinsicht auszuschließen, habe ich Dir also nicht wieder geschrieben, sondern zu Haus angefragt, wie Du darüber denkst. Nun kam aber heute Dein lieber Brief; daraufhin kann ich nun einfach nicht stumm bleiben. Aber bitte schreibe mir das nächste Mal, wie ich künftig an Dich schreiben soll; vorher schreibe ich jetzt nicht wieder. –
Und nun also zu Deinem Brief. Du kannst es gar nicht ermessen, was es für mich in meiner jetzigen Lage bedeutet, Dich zu haben. Es ist mir gewiss, dass hier eine besondere Führung Gottes über mir waltet. Die Art, wie wir uns gefunden haben, und der Zeitpunkt so kurz vor meiner Verhaftung sind mir zu deutliche Zeichen dafür; es ging wieder einmal „hominum confusione et dei providentia“ [nach des Menschen Verwirrung und Gottes Vorsehung]. Täglich überwältigt es mich aufs Neue, wie unverdient ich solches Glück erfuhr, und täglich bewegt es mich tief, in eine wie harte Schule Gott Dich im letzten Jahr genommen hat, und wie es offenbar sein Wille ist, dass ich Dir, kaum dass wir uns kennen, Leid und Kummer zufügen muss, damit unsere Liebe zueinander den rechten Grund und die rechte Tragkraft bekommt. Wenn ich dazu die Lage der Welt, die völlige Dunkelheit über unserem persönlichen Schicksal und meine gegenwärtige Gefangenschaft bedenke, dann kann unser Bund – wenn er nicht Leichtsinn war und das war er bestimmt nicht –, nur ein Zeichen der Gnade und Güte Gottes sein, die uns zum Glauben ruft. Wir müssten blind sein, wenn wir das nicht sähen. Bei Jeremia heißt es in der größten Not seines Volkes, noch soll man Häuser und Äcker kaufen in diesem Lande, als Zeichen des Vertrauens auf die Zukunft. Dazu gehört Glaube; Gott schenke ihn uns täglich; ich meine nicht den Glauben, der aus der Welt flieht, sondern der in der Welt aushält und die Erde trotz aller Not, die sie uns bringt, liebt und ihr treu bleibt. Unsere Ehe soll ein Ja zu Gottes Erde sein, sie soll uns den Mut, auf der Erde etwas zu schaffen und zu wirken, stärken. Ich fürchte, dass die Christen, die nur mit einem Bein auf der Erde zu stehen wagen, auch nur mit einem Bein im Himmel stehen. –
Übrigens bin ich durchaus der Meinung, dass Euer Pastor uns trauen soll. Ich finde, man soll in solchen Dingen immer das Nächstliegende tun; das ist wichtiger als irgendein persönlicher Wunsch. – Und nun habt Ihr also das Haus voller Leute. Wie gern würde ich Dich in diesen Tagen das Hausregiment führen gesehen haben! Die Mutter hat mir wieder so einen sehr schönen Brief geschrieben und mir darin mancherlei erzählt; sag ihr doch bitte vielen Dank dafür; ich weiß, wie sehr sie sich die Zeit absparen muss, um mir zu schreiben. Aber es gibt hier auch keine größere Freude, als Briefe zu bekommen. Man liest sie ungezählte Male, um mitleben zu können. –
Draußen ist ein trüber Regentag, der so recht zu dem vergeblichen Warten auf Klärung und Aufhellung passt. Aber wir wollen keinen Augenblick vergessen, für wie vieles wir dankbar sein müssen und wie viel Gutes wir immer noch erfahren; ich brauche dabei nur an Dich zu denken und jede kleine Trübung der Seele wird wieder hell. Und nun wollen wir für den Rest der Zeit, der uns noch auferlegt ist, wirklich geduldig bleiben, keine Stunde mit Murren und Hadern vergeuden: Diese Wartezeit ist – von Gott her gesehen – eine ungeheuer kostbare Zeit; es liegt viel daran, wie wir sie bestehen und dass wir uns später nicht schämen müssen, dass wir das Geschenk, das Gott uns mit diesen Monaten der Bewährung gegeben hat, nicht erkannt haben. Ich bin