eine Zustandshaftung, die an der Verfügungsgewalt z. B. des Eigentümers über eine Sache anknüpft.
Adressat der Verkehrssicherungspflicht {Verkehrssicherungspflicht, Adressat der}
Die Verkehrssicherungspflicht trifft denjenigen, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenlage für Dritte schafft oder andauern lässt und in der Lage ist, die Gefahr abzuwenden. Für die Verkehrssicherheit {Verkehrssicherheit, von Bäumen} von Bäumen ist demnach derjenige verantwortlich, der die tatsächliche Sachherrschaft über den Baum hat, also grundsätzlich der Eigentümer oder dinglich Berechtigte, daneben aber auch der Besitzer als Inhaber der tatsächlichen Gewalt, wie z. B. der Pächter einer Gaststätte.
Für den öffentlichen Verkehr gewidmete Straßen ist diejenige juristische Person verantwortlich, die den Verkehr eröffnet hat bzw. andauern lässt. Dies ist i. d. R. der Straßenbaulastträger, bei z. B. Gemeindestraßen also die Gemeinde. Dabei erstreckt sich die Verkehrssicherungspflicht des Straßenbaulastträgers grundsätzlich nur auf die sog. Straßenbäume {Straßenbäume} und nicht auf Bäume auf benachbarten Grundstücken. Straßenbäume sind solche Bäume an einer Straße, die nach der Verkehrsauffassung der Straße unmittelbar zugerechnet werden können[2]. Maßgeblich ist das äußere Erscheinungsbild, nicht das Eigentum. Der Straßenbaulastträger hat zwar keine generelle Kontrollpflicht für Nachbargrundstücke, aber er ist verpflichtet, gegen bekannte konkrete Bedrohungen der Verkehrssicherheit durch Bäume auf benachbarten Grundstücken ggf. straßenrechtlich einzuschreiten (vgl. § 11 Abs. 2 Satz 2 FStrG).
Bei öffentlichen Grünanlagen, Freischwimmbädern, Spiel- und Sportplätzen usw. ist die jeweilige Gemeinde verkehrssicherungspflichtig.
Die Verkehrssicherungspflicht für mit Waldbäumen bestockte Grundflächen trägt grundsätzlich der jeweilige Waldeigentümer.
Für Bäume im Hausgarten ist der private Grundstückseigentümer verantwortlich.
Bei einem Grenzbaum ist jeder Grundstückseigentümer für den ihm gehörenden Teil des Grenzbaums in demselben Umfang verkehrssicherungspflichtig wie für einen vollständig auf seinem Grundstück stehenden Baum (§ 923 BGB)[3].
Umstritten ist, ob die Verkehrssicherungspflicht bei einem als Naturdenkmal {Naturdenkmal} geschützten Baum beim Eigentümer verbleibt oder auf die Naturschutzbehörde übergeht (§ 28 BNatSchG). Soweit der Eigentümer aufgrund der Verbotsregelungen in der Unterschutzstellungsverordnung nicht mehr in der Lage ist, seine Verkehrssicherungspflicht wahrzunehmen, geht diese nach der Rechtsprechung[4] mit Unterschutzstellung auf die Naturschutzbehörde über. Zu beachten ist aber, dass einige Bundesländer ausdrücklich anderslautende Regelungen in ihre Landesnaturschutzgesetze aufgenommen haben (vgl. z. B. § 14 Abs. 10 Satz 2 NatSchAG M-V).
Bei Bäumen, die einer Baumschutzsatzung/-verordnung unterliegen, trägt die Verkehrssicherungspflicht grundsätzlich der Eigentümer. Er behält regelmäßig die Verfügungsgewalt über den Baum. Zum Teil enthalten die Baumschutzregelungen Freistellungsklauseln, die Maßnahmen zur Verkehrssicherung und zur Gefahrenabwehr von vornherein von den Veränderungsverboten ausnehmen. Im Übrigen besteht die Möglichkeit, Ausnahmen bzw. Befreiungen zu beantragen. Die Behörde haftet nur, wenn sie dem Baumeigentümer zu Unrecht eine Fäll- oder Behandlungserlaubnis verweigert.
Die Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht ist eine Rechtspflicht. Bei der öffentlichen Hand müssen hierfür die finanziellen Mittel sowie eine ausreichende Personal- und Sachausstattung vorhanden sein. Allgemeine Finanzknappheit ist kein Entschuldigungsgrund für eine unterbliebene Verkehrssicherung.
Haftungsgrundlagen bei der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht {Verkehrssicherungspflicht, Haftung}
Die Verletzung der Verkehrssicherungspflicht kann sowohl zu einer zivilrechtlichen Haftung (Schadensersatz) als auch zu strafrechtlichen Folgen (Geld- oder Freiheitsstrafe) führen.
Zivilrecht
Die Verkehrssicherungspflicht ist privatrechtlicher Natur und hat ihre rechtliche Grundlage in § 823 Abs. 1 BGB. Erforderlich ist die Erfüllung eines der Tatbestände des § 823 Abs. 1 BGB, d. h., die Verletzung eines der dort aufgeführten absoluten Rechte, wie z. B. Leben, Gesundheit oder Eigentum. Eine Haftung besteht nur, wenn die Verkehrssicherungspflicht schuldhaft verletzt wurde. Dabei ist zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit zu unterscheiden. Vorsatz setzt Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung voraus. Das bedeutet, dass die Herbeiführung der Schädigung wenigstens billigend in Kauf genommen wird. Vorsatz spielt deshalb bei Baumunfällen in der Praxis keine Rolle.
Im Vordergrund steht der Begriff der Fahrlässigkeit. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (vgl. § 276 Abs. 2 BGB). Der danach nicht näher bestimmte Sorgfaltsmaßstab bedarf der Konkretisierung. Einschlägige Richtlinien, DIN-Normen sowie Unfallverhütungsvorschriften sind zwar keine rechtsverbindlichen Gesetze. Sie sind aber grundsätzlich zur Bestimmung des nach der Verkehrsauffassung Gebotenen geeignet und können eine faktische Bindungswirkung haben[5]. Dies gilt jedoch nur, soweit sie tatsächlich den anerkannten Regeln der Technik[6] entsprechen.
Im Zusammenhang mit Bäumen sind v. a. nachfolgende Fachnormen und Regelwerke zu nennen:
• | Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für die Baumpflege (ZTV-Baumpflege {ZTV-Baumpflege} 2017[7] |
• | DIN 18920 Schutz von Bäumen, Pflanzenbeständen und Vegetationsflächen bei Baumaßnahmen 2014[8] |
• | RAS-LP 4 Richtlinie für die Anlage von Straßen, Teil: Landschaftspflege, Abschnitt 4: Schutz von Bäumen, Vegetationsbeständen und Tieren bei Baumaßnahmen (1999)[9] |
• | Baumkontrollrichtlinien – Richtlinien für Baumkontrollen zur Überprüfung der Verkehrssicherheit (2020)[10] |
• | Baumuntersuchungsrichtlinien {Baumuntersuchungsrichtlinie} – Richtlinien für eingehende Untersuchungen zur Überprüfung der Verkehrssicherheit von Bäumen (2013)[11] |
• | Unfallverhütungsvorschriften, wie z. B. Regel Waldarbeiten (DGUV Regel 114-018)[12]; Unfallverhütungsvorschrift Gartenbau, Obstbau und Parkanlagen (VSG 4.2)[13] |
Ferner:
• | Merkblatt DWA-M 162 Bäume, unterirdische Leitungen und Kanäle[14] |
• | Merkblatt DWA-M 616 „Verkehrssicherung an Fließgewässern“ |
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Richtlinien für die Sicherung von Arbeitsstellen an Straßen (RSA 95)[15]
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