Forum Verlag Herkert GmbH

Friedhöfe 2020


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4.1.1 Letzte Ruhe unter Ginkgo-Bäumen

       4.1.2 Überlegungen zur Planung

       4.1.3 Überlegungen vor der Umsetzung der Planungen

       4.1.4 Erstellung der Urnengrabfläche

       4.1.5 Fazit aus den Erfahrungen der letzten Jahre

       4.2 Praxisbeispiel: Anlage des Friedparks Lutherrose Petersaurach

       4.2.1 Verortung des Friedhofs

       4.2.2 Friedhofserweiterung mit einem Friedpark

       4.2.3 Fazit

       4.3 Praxisbeispiel: Gärtnergepflegte Gemeinschaftsgrabanlagen nach dem Modell Bestattungsgärten Köln

       4.3.1 Bestattungskultur im Wandel

       4.3.2 Herausforderungen für die Gewerke

       4.3.3 Lösungsansätze bei friedhofsgärtnerischen Konzepten

       4.3.4 Projektplanung und gärtnerische Ausführung

       4.3.5 Marketing und Öffentlichkeitsarbeit

       4.4 Praxisbeispiel: Muslimisches Gräberfeld Berlin-Neukölln

      4.4.1 Vorgeschichte

      4.4.2 Ein muslimisches Gräberfeld

      4.4.3 Erfahrungen

      4.4.4 Fazit

       Stichwortverzeichnis

      link1 Trends in der Bestattungskultur

      link1.1 Baumbestattungen und weitere Formen der Naturbestattung

       {Baumbestattung}

       {Naturbestattung}

      Im frühen 21. Jahrhundert wandelt sich die Bestattungs- und Friedhofskultur durch den Trend zu Naturbestattungen. Neben dem Friedhof wird die freie Natur zum Schauplatz von Beisetzungen. In vielen europäischen Ländern spielen Baum-, Berg-, Flussbestattungen u. Ä. eine immer wichtigere Rolle. Auch länger geläufige Formen der Naturbestattung, wie die Seebestattung, finden in diesem Umfeld neue Beachtung. In Deutschland stehen dabei Baumbestattungen und sog. Bestattungswälder im Vordergrund.

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      Bild 1: Der erste deutsche Bestattungswald, der Friedwald in Reinhardwald, Foto aus 2001 (Quelle: Norbert Fischer)

      Allerdings stehen in Deutschland vielen Wegen der Naturbestattungen die Bestattungsgesetze der Länder entgegen. Ausnahmen sind das Bundesland Bremen, das seit dem 01.01.2015 u. a. das Verstreuen auf besonders ausgewiesenen öffentlichen Flächen erlaubt sowie die Anlage von Bestattungswäldern in Waldflächen und die Seebestattung.

      Bestattungswälder wurden in den einzelnen Bundesländern seit 2001 schrittweise zugelassen.

      Die v. a. in Norddeutschland praktizierte Seebestattung ist bereits seit den 1970er-Jahren bekannt und in den Bundesländern unterschiedlichen gesetzlichen Rahmenregelungen unterworfen (in Schleswig-Holstein ist sie der üblichen Aschen- bzw. Erdbeisetzung gleichgestellt). In Teilen Österreichs ist die Flussbestattung von Aschen ebenso gesetzlich gestattet wie die Bergbestattung.

      Im Umfeld zunehmender Popularität der Naturbestattungen verändern sich die Friedhöfe. Eine entscheidende Rolle spielt dabei der verstärkte Einsatz von naturlandschaftlichen Elementen in der Gestaltung der Begräbnisplätze. Vielerorts werden die klassischen, abgegrenzten Reihen- und Familiengräber abgelöst durch naturnah gestaltete Miniaturlandschaften. Friedhofsflächen werden als Bestattungswälder gestaltet, auch Themenfelder wie „Baumgräber“ oder „Apfelgarten“ verweisen symbolisch auf den Trend zu naturnahen Bestattungsräumen.

      Diese Entwicklungen repräsentieren für die Bestattungs- und Friedhofskultur das vielfältige Spektrum der aktuellen gesellschaftlich-kulturellen Wandlungsprozesse: Grenzen lösen sich auf, Übergänge werden fließend. Eine wichtige Rolle spielt dabei die stetig steigende Zahl von Feuerbestattungen und Aschenbeisetzungen. Entscheidend ist die – im Vergleich zur Körper-(Erd-)Bestattung – hohe Mobilität der Asche, die flexible Beisetzungsmöglichkeiten erlaubt und der Bestattungskultur neue Räume eröffnet. Auf dem Friedhof ermöglicht die platzsparende Urnenbestattung neue Gestaltungsmöglichkeiten.

      link1.1.1 Bestattung, Tod und Natur: zur Geschichte

      Der Blick in die Geschichte zeigt, dass die Verknüpfung von Tod und Natur eine lange Tradition hat. Im bürgerlichen Zeitalter des 19. Jahrhunderts wurden neue Muster der Friedhofskultur entwickelt, bei denen Natur und Landschaft ein zentrales Leitbild bildeten. Einzelne Vorbilder stammten aus dem 18. Jahrhundert. Zwar frühe Ausnahme, jedoch in der Öffentlichkeit vielbeachtet, war der Friedhof der pietistischen Herrnhuter Brüdergemeine (Herrnhut, 1730) mit seinen gepflegten Rasenflächen und den für alle gleich gestalteten Grabstätten. Knapp 30 Jahre später erwarb der Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock auf dem ländlichen Kirchhof von Ottensen am hohen Elbufer bei Altona eine naturgeprägte Grabstätte für seine früh im Kindbett verstorbene Frau Meta. Ein weiteres prominentes Beispiel für die Synthese von Tod und arkadischer Natur bildet das Inselgrab des französischen Philosophen Jean-Jacques Rousseau im Park zu Ermenonville (1776/78). Wie die Klopstock-Grabstätte wurde es zu einer vielbesuchten Pilgerstätte des gebildeten Bürgertums. Der französische Philosoph sah den Garten als idealen Schauplatz jener Verschmelzung mit der Natur, von der er die wahrhafte ideale Bildung des bürgerlichen Individuums erhoffte.

      Auch die Theorie wandte sich der Synthese von Tod, Friedhof und Natur zu. In seiner mehrbändigen, 1779–1785 erschienenen „Theorie der Gartenkunst“ widmete der Kieler Philosophieprofessor Christian Cay Lorenz Hirschfeld dem Friedhof eigene Abschnitte. Hirschfeld konzipierte hier den Friedhof als Parklandschaft nach englischem Muster.

      Diese Visionen hingen mit veränderten Vorstellungen vom Tod zusammen. Natur und Landschaft sollten den Tod versöhnlich gestalten. Als Katalysator fungierte eine, durch die Malerei vorgeprägte Landschaftsästhetik, die Natur als arkadisches Idyll idealisierte. Nicht zuletzt spielte die in der Kulturgeschichte seit Langem verankerte Idee des Gartens als irdisches Paradies eine wichtige Rolle. Diese Ideale wirkten sich im bürgerlichen Zeitalter auf die Friedhöfe aus. Neben dem weithin als internationales Vorbild wirkenden Pariser Friedhof Père Lachaise als erstem europäischen Friedhof im Stil des englischen Landschaftsparks sorgte die aus den USA kommende „rural cemetery“-Bewegung (zuerst Mount Auburn, Cambridge/Massachusetts, 1831) für einen weiteren Ästhetisierungsschub.

      In Deutschland waren es zunächst kleinere Anlagen, die naturlandschaftlich gestaltet wurden, u. a.

der französisch-reformierte Friedhof in Hamburg 1825 und
der Domfriedhof in Braunschweig (Umgestaltung bis 1835).

      In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden dann auch größere städtische Anlagen als Parkfriedhöfe gestaltet:



Hauptfriedhof Schwerin 1863
Südfriedhof Kiel 1869
Friedhof Riensberg in Bremen 1875
Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg 1877