diese Worte aus Jesaja schon so oft gehört, ohne je ihre Kraft zu erleben, dass es ihnen völlig abwegig erschien, dass da einer auf einmal damit rechnete, dass diese Worte sich nun tatsächlich „erfüllen“, das heißt, dass nun wirklich und faktisch geschehen sollte, was die Worte sagen.
Auch heute sind viele Kirchen sehr gut darin, alle Kraft aus dem Evangelium herauszupredigen und nur Worthülsen übrig zu lassen, die keinerlei Substanz und Nährwert haben. Diese gehen den Hörern zum einen Ohr rein und zum anderen wieder heraus. Sie sind für das wirkliche Leben vollkommen nutzlos, weil sie nicht die Kraft haben, es zu verwandeln. Was also sollen die Hörer damit anfangen? Heutzutage ist die wichtigste Eigenschaft einer Predigt, dass sie „kurz“ ist. Da sie sowieso „nichts bringt“, möge sie die Hörer wenigstens nicht durch übermäßige Länge quälen. Jesus predigte völlig anders. Seine Predigt brachte die Kraft auf den Plan, die die Worte erfüllte. Da spielte Zeit für die Hörerschaft, die zu damaliger Zeit im Gegensatz zu heute vorwiegend aus Männern bestand, auf einmal gar keine Rolle mehr. Da wollten sie gar nicht wieder nach Hause gehen. Da überschlugen sich die Menschen geradezu, Jesus zu hören und ihn, wenn möglich, zu berühren, da Kraft von ihm ausging – die Kraft des Heiligen Geistes, das Wort Gottes zu erfüllen und alle Dinge zu verwandeln.
In einem kirchlichen Umfeld, in dem sich Woche für Woche, Monat für Monat und Jahr für Jahr im Großen und Ganzen nichts ändert, sondern alles seinen gewohnten Gang geht, haben es Männer schwer, den Weg der Verwandlung zu gehen, eben weil sich um sie her nichts wandelt. Sie müssen gegen den Strom der Routine schwimmen und gegen eine gepflegte Erwartungslosigkeit ankommen, die im Traum nicht davon ausgeht, dass Gott heute so dramatisch eingreifen könnte wie damals. Zu behaupten, dieser weit verbreitete Zustand der Kirche sei „biblisch“ oder entspräche dem „Reich Gottes“, ist nicht korrekt und bringt eine Menge Männer um das Eigentliche, um das es geht.
Im Folgenden gehe ich einmal das fünfte Kapitel des Lukasevangeliums durch, um dort Beispiel um Beispiel zu zeigen, wie die transformatorische Kraft des Evangeliums das Leben ganz verschiedener Männer grundlegend verwandelt hat. Dabei wird sehr deutlich, dass es sich nicht um eine bloße Veränderung der Betroffenen oder Verbesserung ihrer Umstände handelte, sondern um eine Verwandlung der Menschen und ihrer Verhältnisse.
Jesus brachte ihnen nicht lediglich eine sozial-diakonische Hilfestellung und freundliche Unterstützung mit Grüßen von der Gemeinde, sondern ein neues Leben. Los geht es mit der berühmten Geschichte der Berufung des Fischers Simon Petrus:
Als er aber aufhörte zu reden, sprach er zu Simon: Fahre hinaus auf die Tiefe, und lasst eure Netze zu einem Fang hinab! Und Simon antwortete und sprach zu ihm: Meister, wir haben uns die ganze Nacht hindurch bemüht und nichts gefangen, aber auf dein Wort will ich die Netze hinablassen. Und als sie dies getan hatten, umschlossen sie eine große Menge Fische, und ihre Netze rissen. Und sie winkten ihren Gefährten in dem anderen Boot, dass sie kämen und ihnen hülfen; und sie kamen, und sie füllten beide Boote, sodass sie zu sinken drohten.
Als aber Simon Petrus es sah, fiel er zu den Knien Jesu nieder und sprach: Geh von mir hinaus! Denn ich bin ein sündiger Mensch, Herr. Denn Entsetzen hatte ihn erfasst und alle, die bei ihm waren, über den Fischfang, den sie getan hatten; ebenso aber auch Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, die Gefährten von Simon waren. Und Jesus sprach zu Simon: Fürchte dich nicht! Von nun an wirst du Menschen fangen.
Und als sie die Boote ans Land gebracht hatten, verließen sie alles und folgten ihm nach (Lk 5,4-11).
Männer, die nichts gefangen und vergeblich gearbeitet haben, fangen Fische bis zum drohenden Sinken mehrerer Schiffe! Jesus ist an diesem Tag ihr Hauptgewinn, der ihr Verlierer-Schicksal wendet. Männer, die sich selbst angesichts von diesem Wunder als „sündige Menschen“ einschätzen, deren Leben doch wohl von einem Heiligen nicht berührt werden konnte, werden zu Berufenen, zu Menschenfischern und zu Aposteln. Erfolg, neue Identität, ein anderer Job – alles an einem Tag. Das ist so recht nach dem Geschmack von Männern! Das ist nicht nur eine „positive Veränderung“, das ist Transformation und Revolution im Doppelpack. Hier kommt für Petrus die Stunde null. Die „Reset-Taste“ wird gedrückt und das Leben beginnt unter neuen Vorzeichen noch einmal von vorne. Für diese Fischer bricht mit Jesus ein neuer Tag an, eine neue Zeitrechnung. Nicht das alte Leben wird christlich angestrichen, um nun aus Petrus und seinen Kollegen „christliche Fischer“ zu machen. Nein, hier bleibt buchstäblich nichts, wie es war. Sie „verließen alles und folgten ihm nach …“ Das liest sich so einfach. Besonders wenn wir diese „alten Geschichten“ schon so oft gehört haben, dass sie uns nur noch ein Gähnen abgewinnen. Aber wenn wir uns nur einen Moment lang in Petrus und seine Männer hineinversetzen und uns einmal vorstellen, wir wären es, in deren Alltag unvermittelt Jesus so definitiv eintritt, dann verspüren wir vielleicht etwas von der tatsächlichen Brisanz dieser Begebenheit. Dann verstehen wir vielleicht auch etwas von dem „Entsetzen“, welches Petrus angesichts der Ereignisse ergriff. Bis heute hat sich an der Lage von uns Männern nichts verändert: Solange uns das Reich Gottes nicht so tief trifft und bewegt wie damals Petrus und seine Leute, solange uns kein Erstaunen ergreift und uns buchstäblich auf die Knie wirft, sondern uns weiter das Alltagseinerlei einschläfert, während wir davon ausgehen, Gott hinge fernab unseres wirklichen Lebens in der Kirche ab, ist die Männerdämmerung für uns noch nicht angebrochen. Solange wir Gott aus unserem Alltag und unserer Arbeit raushalten und auf den frommen Sonntag in der heiligen Messe beschränken, sind wir noch die Kaulquappen im Tümpel und verstehen von der Realität des Evangeliums rein gar nichts.
Wenn das Reich Gottes auf den Plan tritt, bleibt nichts, wie es war. Da kommt Bewegung in die Routine und Farbe in das graue Alltagseinerlei. Hier wurde ein bis dahin völlig bedeutungsloses Leben zu einem Leben transformiert, welches in die Geschichte einging.
Und es geschah, als er in einer der Städte war, siehe, da war ein Mann voller Aussatz; und als er Jesus sah, fiel er auf sein Angesicht und bat ihn und sprach: Herr, wenn du willst, kannst du mich reinigen. Und er streckte die Hand aus, rührte ihn an und sprach: Ich will. Sei gereinigt! Und sogleich wich der Aussatz von ihm (Lk 5,12-13).
Hier wendet sich das Schicksal für einen aussätzigen Mann. Ein solcher Lepröser war seinerzeit „lebendig tot“. Beherrscht von einer Krankheit, die ihn zu einem Außenseiter machte, zum entstellten „Zombie“, siechte er ohne jede Hoffnung in einer Kolonie von Seinesgleichen einem elenden Ende entgegen. Was aus einem Menschen wird, der zu jedermann Abstand halten muss und verpflichtet ist „Aussatz, Aussatz!“ vor sich her zu schreien, damit bloß keiner auch nur in seine Nähe kommen und sich womöglich infizieren würde, ist schwer vorstellbar. Ob irgendjemand von uns sich ausmalen kann, was es bedeutet, so total isoliert zu sein, wie dieser Aussätzige?
Nun, ehe wir abwinken, sollten wir uns die Klagen zahlloser Ehefrauen anhören, die wie im Chor ein Lied darüber singen können, dass ihr Mann so schrecklich unberührbar ist, sie nicht an sich ranlässt, ihr Herz vor ihnen verbirgt, ihnen nicht mitteilt, was wirklich in ihm vor sich geht und genau wie der Lepröse ständig nonverbal die Botschaft ausstrahlt: „Rühr mich nicht an! Lass mich in Ruhe! Lauf mir nicht hinterher!“ Viele Männer sind an eine Menge Isolation gewöhnt und spielen sehr gekonnt die Nummer „einsamer Wolf“. Und vielen wurde offenbar auch nicht beigebracht, wie das Wort „Kommunikation“ buchstabiert wird. Ihr Aussatz ist nicht äußerlich, sondern innerlich. Dort, in ihrem Inneren, sind sie krank an Unberührbarkeit, ohnmächtig und verwirrt – und darum geneigt, jeden anzuknurren, der sich ihnen nähert.
Und „Jesus streckte die Hand aus und rührte ihn an: ‚Sei rein!‘“ Wieder liest sich dieser kleine Satz so schnell, dass uns vielleicht nicht bewusst wird, welche ungeheure Dramatik darin liegt. Mit dieser Berührung tat Jesus sowohl das Undenkbare als auch das Verbotene! Diese Worte waren es, die für den Aussätzigen die „Reset-Taste“ auslösten und die Zeit auf null drehten. Für den Mann wendete sich das grauenhafte Lepra-Schicksal, brach ein neuer Tag an und eine neue Identität wurde ihm zuteil: Er wurde vom Aussätzigen wieder zu einem menschlichen Individuum. In einem Moment. DAS nenne ich Transformation. Das nenne ich eine Revolution Gottes. Die Macht Gottes stürzte die Herrschaft der Krankheit um und befreite den