Alice Frontzek

Die Pfaffenhure


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      Alice Frontzek

       Die Pfaffenhure

      Ein Roman um Martin Luther

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      Erfurt 1501 Martin Luther, der spätere deutsche Reformator, zieht im Alter von 17 Jahren aus seiner beschaulichen Heimat nach Erfurt, um sich dort als „Martinus Ludher ex Mansfeld“ in die Matrikel der Universität einzuschreiben. Schnell erliegt er den Versuchungen, die die Großstadt für ihre jungen Bewohner bereithält. Trinkgelage und Begegnungen mit dem weiblichen Geschlecht – das „leichte Leben“ erscheint Martin zunächst wie ein Befreiungsschlag von der harten Erziehung, die er vor allem durch seinen streng gläubigen Vater erfahren hat. Doch als er die schöne Anna – die Tochter einer Pfaffenhure – kennenlernt und die Verbindung mit ihr nicht folgenlos bleibt, brechen sich die alten Muster von Schuld und Sühne wieder Bahn. Die Suche nach dem richtigen Ausweg stellt Martins Gewissen auf eine harte Probe und bringt ihn in einen moralischen Zwiespalt …

      Alice Frontzek, 1966 in Berlin geboren, ist bei Hildesheim aufgewachsen und hat in Erlangen studiert. 1993 zog sie mit ihrem Mann von Nürnberg nach Erfurt. Mit der Familiengründung entschloss sie sich zur Freiberuflichkeit, um ihren vier Kindern gerecht zu werden. So arbeitet sie als Übersetzerin, Stadtführerin sowie Dozentin für Englisch und Deutsch in der Erwachsenenbildung. 2010 begann sie mit verschriftlichten Stadtrundgängen und Thüringenbeiträgen in Zeitschriften ihre Autorenlaufbahn. Mittlerweile ist sie in Thüringen verwurzelt und widmet sich der Regionalliteratur.

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      Alle Rechte vorbehalten

      Lektorat: Susanne Tachlinski

      Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht

      Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

      unter Verwendung der Bilder von: © https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Lucas_Cranach_d.Ä._-_Porträt_einer_Frau.jpg

      und https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Portrait_of_Martin_Luther_as_an_Augustinian_Monk.jpg und https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Vermeersch_IA_Dom_Erfurt.JPG

      ISBN 978-3-8392-6906-0

      Kapitel 1

      1501

      Hans Ludher hatte beschlossen, mit seinem ältesten Sohn Martin über Eisenach nach Erfurt zur Intitulation zu reisen. Er war stolz auf ihn. Martin hatte nicht nur in der Lateinschule im heimischen Mansfeld und in der Domschule in Magdeburg gute Leistungen erbracht. Nein, er hatte diese sogar noch übertroffen und sich in den letzten vier Jahren an der Pfarrschule St. Georg in Eisenach zu einem wohlerzogenen und gebildeten jungen Mann entwickelt. In der Grammatik und in lateinischen Versen war er seinen Gesellen weit überlegen. Natürlich war das zu einem großen Teil auch der wohlhabenden Bürgersfrau Ursula Cotta zu verdanken, die seinen Knaben, wie sie einmal schrieb, um seines hellen Singens und seiner aufrichtigen Andacht willen lieb gewonnen hatte und ihn unter Zustimmung ihres Eheherrn an ihren Tisch nahm. Ihr wollte Hans noch einmal persönlich danken.

      Anfang April hatte Martin in Eisenach die Schule beendet, war nach Hause gekommen und sie hatten kaum eine Woche Zeit gehabt, sich um seinen Umzug nach Erfurt zu kümmern. Die Erfurter Universität war die größte, beste und vor allem nächste. Darüber hinaus neben der Kölner die einzige, an der nicht nur Kirchenrecht, sondern auch bürgerliches Recht gelehrt wurde – man sprach vom »Bologna des Nordens«. Martin würde ein hervorragender Jurist werden, Berater hoher Herren, vielleicht sogar der Rechtsbeistand eines Fürsten oder Herzogs. Wer konnte es schon voraussagen! Des Menschen Herz erdenkt sich seinen Weg, Gott allein lenkt seinen Schritt!

      Hans goss sich zufrieden etwas von der heißen Milch auf dem Herd in seinen Becher, schnitt eine Scheibe Brot vom Laib und setzte sich damit an den großen Holztisch neben dem Ofen. Es war still im Haus. Seine Frau Margarethe, die nur »Grete« gerufen wurde, war draußen bei den Hühnern. Martin schlief noch. Ja, er sollte sich nur ruhig ausschlafen. Er hatte es sich verdient. Ein wohlhabender Rechtsgelehrter würde er werden, in eine reiche Familie einheiraten. Hier hatte Hans schon genaue Vorstellungen, wie sich das Haus des Ratsherrn von Eisleben und das seine verbinden würden. Martin würde es einmal leichter haben als sein Vater. In Eisenach hatte er höfliche Sitten gelernt. Hans hatte ihn wohlwollend beobachtet und musste sich eingestehen, dass er zu tun hatte, einen ebenso feinen Eindruck zu machen wie sein Sohn. Wir Bergbauern, dachte er, ein bräunlich Volk, die wir weder Wind noch Sonnenbrand scheuen und einen großen Teil unserer Zeit im dunklen Schacht tief unter der Erde zubringen. Er seufzte, nahm einen großen Schluck, schaute in den Sonnenstrahl, der durch das kleine Fenster fiel, und sein Gesicht nahm einen zuversichtlichen Ausdruck an. Dank seines Onkels ging es ihm jetzt recht gut. Der hatte eine eigene Hütte im Kupferbergbau, der er als Vorarbeiter vorstand. Die harte Arbeit machten nun andere. Er führte die Aufsicht, eignete sich kaufmännische Kenntnisse an, verwaltete die Bücher und war bei Vertragsverhandlungen dabei. Oft hatten sie schon im Wirtshaus zusammengesessen und geplant, wie er bald seine eigene Hütte haben würde. Ja, er wurde langsam in die bessere Gesellschaft eingeführt. Mittlerweile konnte er es sich leisten, seinen Sohn auf die Universität zu schicken. Wenigstens den ältesten.

      Die schwere Holztür, die zum Hof ging, öffnete sich knarrend, und Grete, mit Holz auf dem Rücken und einem Korb Eier in der Hand, schob sie mit der Schulter weiter auf. Hans erhob sich von seinem Stuhl, hielt ihr die Tür und nahm ihr die Trage vom Rücken. »Du sollst mir doch Bescheid sagen, wenn wir Holz brauchen.«

      »Ich habe es mein ganzes Leben selbst gesammelt. Es geht schon. Außerdem ist es nicht viel. Es wird heute warm. Ich brauche nur ein wenig zum Kochen. Wie wäre es mit ein paar Eiern? Komm, deck den Tisch! Ich höre schon die Kinder. Ich mache Rührei mit Kräutern, dazu Brot mit Butter. Schenk doch schon mal sechs Becher von der Ziegenmilch ein und gib in jeden einen kleinen Klecks Honig!« Sie lächelte ihn freundlich an und machte sich am Herd zu schaffen.

      Wie immer trug sie ihr weißes Kopftuch streng bis in die Stirn gezogen. Kein Haar schaute hervor. Nur Hans wusste, dass sie wunderschönes langes, mittlerweile grau-blondes Haar hatte, das sie sich jeden Morgen zu einem Knoten band. Die Enden des weißen Kopftuchschals hingen rechts und links über ihre Brust. Die Furchen um ihre Lippen waren tiefer geworden. Sie hatten nicht wenig Sorgen gehabt, und wenn seine Grete etwas besonders beschäftigte, pflegte sie die Lippen zusammenzupressen und die Stirn in Falten zu legen. Bald würde er sich für sie eine Haushaltshilfe leisten können.

      »Hey, schubs mich nicht!« Die zwei Mädchen hüpften die Holztreppe hinunter, gefolgt von den beiden Brüdern, die noch etwas verschlafen die Stufen hinunterschlichen. Alle hatten sie noch Schulferien und deshalb länger liegen bleiben dürfen.

      »Morgen!«, sagte einer nach dem anderen und setzte sich auf die lange Bank an den Tisch. »Flegelt euch nicht hin! Sitzt aufrecht! Und es