Fritz Dieter Erbslöh

Der Weg zur Energiewende


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für Förderung und Verarbeitung. In den 1960er Jahren wurde Erdgas erstmals im großen Stil zum Beheizen von Häusern genutzt. Damit war eine weitere neue Energiequelle gefunden und für die Energieversorgung nutzbar.

       Im August 1955 begann in Genf auf der ersten Konferenz der Vereinten Nationen das Zeitalter der zivilen Nutzung der Kernenergie. Auf Präsident D. D. EISENHOWER geht die Initiative zurück, die friedliche Nutzung der Kernenergie auch für jene Staaten zu öffnen, die (noch) nicht im Besitz atomarer Waffen waren. Vor allem in der jungen Bundesrepublik war die Euphorie besonders groß. K. ADENAUER gründete im Oktober 1955 ein Bundesministerium für Atomfragen; zuständiger Minister wurde F. J. STRAUSS, der für Deutschland die Chance sah, sich mittels Kerntechnik in der „vordersten Reihe der Industrienationen“ zu behaupten.

       Die ursprünglich als begrenzt angesehenen Reserven und damit Reichweiten von Kohle und Erdöl, später auch von Erdgas vergrößerten sich entgegen den Erwartungen massiv.

      Was den letzten Punkt der Reichweiten betrifft, begnügen wir uns hier mit der Sicht auf Bilanzen um die Jahrtausendwende. Hierzu gab und gibt es immer wieder neue Schätzungen, die es näher zu verfolgen nicht lohnt. Für die Kohle deutet sich in Abb. 2‑3 ein Phänomen an, das auch bei Öl und Gas wiederkehrt: die relative Konstanz der prognostizierten Reichweiten über die Erhebungsjahre, bei Öl und Gas sogar deren Anstieg, s. Abb. 2‑4 und Abb. 2‑5.

      Abb. 2‑3:

      Weltweite Kohleförderung, Preis und Vorräte in Verbrauchsjahren, Förderung in Mrd. Tonnen1888–1999, Preis pro Tonne in US-$ von 2000 und Vorräte in Verbrauchsjahren 1975–1999 in hundert Jahren; Quelle: B. Lomborg, Apocalypse No!, Abb. 70

      Dass sich trotz steigenden Verbrauchs die Reserven bis zur Gegenwart konstant oder leicht ansteigend zeigen, hat nachvollziehbare Gründe:

       Die Exploration geschieht nur mit kurzem Vorlauf zu Verbrauch bzw. Nachfrage, nicht auf Vorrat – das wäre zu teuer. So werden immer neue Funde gemeldet.

       Die Ausbeutung der Ressourcen verbessert sich ständig. So werden Vorkommen interessant, deren Förderung bis dahin nicht lohnend erschien. Ein Beispiel sind die Ölsande in Nordamerika, speziell Kanada.

      Abb. 2‑4:

      Ölvorräte in Verbrauchsjahren, Ölreserven weltweit Im Vergleich zur Jahresproduktion, 1920–2000 (bis 1944 nur USA); Quelle: B. Lomborg, Apocalypse No!, Abb. 66

      Abb. 2‑5:

      Weltweite Erdgasförderung. Erdgaspreise, Vorräte in Verbrauchsjahren. Förderung in Exajoule 1925–1999, Preise 1949–2000 in US-$ von 2000 pro Gigajoule und Vorräte in Verbrauchsjahren 1975–1999; Quelle: B. Lomborg, Apocalypse No!, Abb. 69

      Während sich also die Reichweitenproblematik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts relativierte, nahm die Wahrnehmung von Natur und Umwelt national und international zu, wie mehrere Abkommen und Bündnisse belegen:

       1946 KRW, Internationale Konvention zur Regelung des Walfangs,

       1948 Gründung der Welt-Naturschutzorganisation,

       1959 Antarktisvertrag,

       1961 Gründung der OECD, der Gesellschaft für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung,

       1968 Europäische Wassercharta.

      Erste Regierungsverantwortung für den Umweltschutz in Deutschland übernahm im Herbst 1969 Innenminister GENSCHER in der sozialliberalen Koalition BRANDTS38. Er erkannte, welche Gestaltungsmöglichkeiten ihm der Themenstrauß in der neu übernommenen Abteilung „Gewässerschutz, Luftreinhaltung und Lärmbekämpfung“ bot. Er suchte als erstes nach einer Alternative zum sperrigen Namen der Abteilung und entschied sich für „Abteilung U“, mit U für den in Deutschland noch kaum bekannten Begriff „Umweltschutz“ (wohl vom englischen environmental protection). Bald stellte GENSCHER ein „Sofortprogramm zum Umweltschutz“ vor, 1971 folgte das erste Umweltprogramm einer deutschen Bundesregierung.39 Bis zu seinem Wechsel an die Spitze des Auswärtigen Amts im Jahr 1974 setzte GENSCHER ein ambitioniertes Reformprogramm um, für das es nicht nur in Deutschland kein Vorbild gab. Er legte u.a. das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm, das Benzinbleigesetz, das Abfallbeseitigungsgesetz und das Bundesimmissionsschutzgesetz vor, schuf den Sachverständigenrat für Umweltfragen und gründete das Umweltbundesamt in Berlin. Zum Naturschutzbeauftragen der Bundesregierung machte er den international anerkannten Frankfurter Tierarzt und Verhaltensforscher B. GRZIMEK.

      1972 wurde dann für den Umweltschutz zum Schlüsseljahr. Die UNO stellte sich diesem Thema und berief eine Weltkonferenz über die menschliche Umwelt mit dem Ziel einer Bestandsaufnahme aller Umweltgefahren ein (5.−16. Juni 1972 in Stockholm).

       Mit der Konferenz in Stockholm 1972 begann die internationale Umweltpolitik. Ihr kalendarischer Beginn, der 5. Juni, ist heute noch der „Internationale Tag der Umwelt“.

      Im Abschlussdokument der Umweltschutzkonferenz, der „Deklaration von Stockholm”, bekennen sich die 122 Teilnehmerstaaten (ohne die Ost-Staaten) zur Grenzen überschreitenden Zusammenarbeit, zu 26 Prinzipien für Umwelt und Entwicklung und dazu, dass zwar jeder Staat seine eigenen Ressourcen heben kann, dabei aber anderen Staaten kein Schaden zugefügt werden darf.

      Auf Vorschlag der Stockholmer Konferenz wurde im gleichen Jahr durch die UN-Vollver-sammlung das UN-Umweltprogramm (UNEP) mit Sitz in Nairobi/Kenia gegründet. Ins Leben gerufen wurde auch das Erdbeobachtungssystem „Earthwatch”, ein Aktionsplan zum Monitoring und zur Bewertung der globalen Umwelt.40

      3 Club of Rome: Grenzen des Wachstums?

      1972 ist auch das Jahr der ersten und bekanntesten Veröffentlichung des Club of Rome, der „Grenzen des Wachstums“ mit D. MEADOWS als Herausgeber.

      Der Club of Rome ist, wie „Club“ nahelegt, ein informeller Zusammenschluss von etwa 70 Mitgliedern aus 25 Staaten. Seine spektakuläre Geschichte beginnt 1967 mit einer Begegnung zwischen A. PECCEI, einem Manager der FIAT, und A. KING, einem schottischen Chemiker. Während seiner Arbeit um die Welt reisend, wurde PECCEI über das Tempo der sozioökonomischen Entwicklung, die Umweltzerstörung und das Nord-Süd-Gefälle zunehmend besorgter. Seine Bedenken äußerte er in einer Grundsatzrede vor ADELA, einer neuen Investmentgesellschaft. Zufällig landete sein Redetranskript auf dem Schreibtisch von A. KING, der so beeindruckt war, dass er PECCEI kontaktierte und ein Treffen vorschlug.1

      Auf Einladung der beiden versammelten sich 1968 rund 30 europäische Wissenschaftler, Ökonomen und Industrielle in Rom, um über globale Probleme zu diskutieren. Das Treffen war nicht unbedingt ein Erfolg, auch weil das Hintergrundpapier für die Diskussion zu abstrakt, kompliziert und kontrovers geraten war. Bei einem Abendessen in kleiner Gruppe waren sich die Teilnehmer einig, dass sie „zu dumm, naiv und ungeduldig“ gewesen seien und sich eingehender mit der Thematik beschäftigen müssten. Sie beschlossen, sich hierfür ein Jahr Zeit zu geben und sich dann neu in einem Diskussionskreis zu treffen, den sie fortan den „Club von Rom“ nannten.2

      Bis 1969 war der Club eine informelle Gruppe von Personen, die sich häufiger trafen, um globale Probleme besser zu verstehen. Als ihre Zahl wuchs, wurde es notwendig, eine rechtliche Struktur zu schaffen und A.PECCEI als Präsidenten zu ernennen. Sein Credo war, dass das Verständnis der „Problematique“, wie der Club die miteinander verbundenen Herausforderungen nannte, unerlässlich sei, um für die Zukunft zu planen.3

      Auf Einladung der Schweizer Regierung hielt der Club 1970 seine erste offizielle Sitzung in Bern ab. PECCEI hatte den türkischen Zukunftsforscher H. OZBEKHAN eingeladen, ein Modell vorzuschlagen, um die missliche Lage der Menschheit zu untersuchen. Dem Forum erschien dies Modell nicht geeignet; es akzeptierte dann aber einen Vorschlag des MIT-Professors J. FORRESTER, das Potential seiner Computermodelle zu nutzen. Der Club beschloss, eine Gruppe