Fritz Dieter Erbslöh

Der Weg zur Energiewende


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nur sehr kleine Veränderungen fand und zu dem Schluss kam, dass die Absorptionsbänder des Kohlendioxids, in denen Wärmestrahlung absorbiert wird, schnell gesättigt waren ‒ also sozusagen verstopften, wodurch die Absorption ihr Ende fand.

      ARRHENIUS und andere kritisierten zwar die Messungen ÅNGSTRÖMS, jedoch blieb es dann in der Wissenschaft common sense, dass er, ARRHENIUS, falsch gelegen hatte.

      So geriet die CO2-Hypothese für die nächsten Jahrzehnte praktisch in Vergessenheit.6 Zur Gesamtschau gibt Abb. 5‑2 eine Zeitleiste der bis ca. 1930 angewachsenen Kenntnisse.

      Anfang der 1930er Jahre gewannen der Treibhauseffekt und seine möglichen Folgen wieder neue Aufmerksamkeit. Im Jahre 1931 widerlegte der US-Physiker E. O. HULBURT die Findungen ÅNGSTRÖMS und betonte die Klimarelevanz des atmosphärischen Kohlendioxids.

      Abb. 5‑2:

      Zeitleiste zur Auffindung des atmosphärischen Treibhauseffektes, bis ca. 1930; Quelle: Grafik jg in J. Mason, Zwei Jahrhunderte Klimageschichte, Teil 1

      Sieben Jahre später war es der Engländer G. CALLENDER, der die Problematik wieder aufgriff. Er war eigentlich Ingenieur, hatte aber ein Faible für Meteorologie und war in Thermodynamik geschult. Sein Ausgangspunkt waren Temperaturaufzeichnungen der letzten 50 Jahre von 200 meteorologischen Stationen, aus denen er eine statistisch signifikante Temperaturerhöhung ermitteln konnte, s. Abb. 5‑3.

      Abb. 5‑3:

      Die von Callendar ermittelten Temperaturkurven, seinerzeit die besten verfügbaren Daten; sie zeigen einen weltweiten Anstieg von den 1880er Jahren bis zur Mitte der 1930er; Quelle: Quarterly J. Royal Meteorological Society 64, S.223 (1938).

      Für den Anstieg der CO2-Konzentration fand er eine Rate von 10 % im untersuchten Zeitraum. Zum ersten Male gab es damit einen durch Messwerte belegten statistischern Zusammenhang. Hierauf gestützt, ergaben seine Berechnungen für die Verdopplung der aktuellen CO2-Konzentration einem Temperaturanstieg von 2 °C. Seine Veröffentlichung von 19387 beeindruckte den deutschen Meteorologen H. FLOHN, der fortan die Klimaproblematik in aller Welt ansprach.8

      FLOHN selbst ging in seiner Habilitationsvorlesung in Würzburg 1941 auf das Thema ein und erörterte die Möglichkeit einer Großklimaänderung durch das CO2.9

      Er versuchte nach dem Krieg das Thema auf nationalen und internationalen Tagungen unterzubringen, ohne auf großes Interesse zu stoßen, wie er selbst in seinen Erinnerungen sagt. „Aktuell wurde das CO2-Klima-Problem erst wieder 1956, als G. N. PLASS, ein amerikanischer Autor, ein Modell über die Erwärmung durch CO2 veröffentlicht hatte“ (FLOHN).10

      Inzwischen standen Computer zur Verfügung, wenn auch mit begrenzter Rechenleistung. G. PLASS machte sich das für sein Modell zunutze und konnte so zeigen, dass eine höhere Kohlendioxid-Konzentration die Erde aufheizen würde. Konkret errechnete er eine Erwärmung zwischen 3 und 4 °C bei einer Verdopplung der CO2-Konzentration.

      Bei den noch geringen Emissionsraten Mitte der 1950er Jahre hätte dies einen Temperaturanstieg von ungefähr 1,1 °C pro Jahrhundert zur Folge gehabt. Immer noch fanden sich Skeptiker, von denen die einen bemängelten, dass Wasserdampf und Bewölkung in PLASS’ Modell keine Rolle spielten, während andere die CO2-Aufnahmefähigkeit der Ozeane als natürliches Korrektiv sahen.

      Das zweite Argument war verbreitet, bis der Amerikaner R. REVELLE 1953 fand, dass die Meerwasser wegen eines leicht basischen Zustandes in ihrer Aufnahmefähigkeit eng begrenzt sind. REVELLE wertete 14C-Messungen an Eiskernen aus und errechnete hieraus den Anteil des atmosphärischen CO2, der sich tatsächlich im Meer löste. Er kam auf nur 20 %. Seine Schlussfolgerung war daraufhin, dass ein Anstieg des atmosphärischen CO2 von etwa 40 % in den folgenden Jahrhunderten möglich wäre.

      Die zwei schwedischen Meteorologen B. BOLIN und E. ERIKSON fanden parallel hierzu heraus, dass die Zeiträume eine große Rolle spielen und die Vermischung in die Tiefe sich über hunderte bis tausende von Jahren vollzieht. Wie es sich um die CO2-Konzentration verhielt, konnten nur Messungen über größere Zeiträume zeigen. Messungen an Stationen in Skandinavien misslangen – sie waren vom Rauschen überlagert.

      In Kalifornien war es CH. D. KEELING jedoch gelungen, eine rauschfreie Messtechnik zu entwickeln. REVELLE und SUESS holten ihn zu ihrer Scripps Institution of Oceanography und verschafften ihm einen Etat11. Eine geeignete Messstelle wurde am Mona Loa auf Hawaii gefunden, und KEELING begann seine Messungen, die zunächst auf die Ermittlung einer Referenzkonzentration abzielten.

      1958 war KEELING damit fertig, und zwei Jahre später konnte er mitteilen, dass in der Tat die Konzentration anstieg, und auch noch mit Steigerungsraten, die mit den von REVELLE errechneten Werten übereinstimmte. Die Messungen am Mona Loa werden bis in die Gegenwart fortgesetzt. Der sich ergebende Kurvenverlauf ist heute unter dem Begriff Keeling-Kurve bekannt und in der Grafik der Abb. 5‑4 wiedergegeben.

      Die Keeling-Kurve stellt unter Beweis, dass und wie die CO2-Konzentration ansteigt. Dies ist ihre einzige, jedoch überaus bedeutsame Aussage. Über die Erdtemperatur, das Meeresspiegelniveau und andere zivilisatorisch relevante Parameter und insbesondere deren weitere Entwicklung sind aus der Keeling-Kurve allein keine Aussagen möglich – hierzu bedarf es weiterer Nachweise, wie sie heute in den sogenannten Klimamodellen geliefert werden.

      Abb. 5‑4:

      links die KEELING-Kurve, fortgeführt bis in die Gegenwart; Quelle: Scripps CO2-Programm; rechts Charles Keeling bei der Verleihung der National Medal of Science durch Präsident George W. Bush; Quelle: National Science Foundation

      Über die bis zu KEELING erreichten Fortschritte in der Atmosphärenforschung gibt die Zeitleiste der Abb. 5‑5 in der Zusammenfassung Auskunft.

      Abb. 5‑5:

      Zeitleiste zur Atmosphärenforschung 1930–1960; Quelle: Grafik jg in J. Mason, Zwei Jahrhunderte Klimageschichte, Teil 2

      Die Jahre nach 1970 waren in der Klimaforschung vor allem fünf Gebieten gewidmet:

       Dem Nachweis der anthropogenen Herkunft des CO2-Anstiegs,

       der Gewinnung einer verlässlichen Datengrundlage in den zivilisationsrelevanten Klimaparametern wie Temperatur und Meeresspiegel, Eisbedeckung, Sättigung der Meere,

       der Rückschau in die tiefe Vergangenheit der Klimageschichte der Erde,

       ein tieferes Verständnis der klimarelevanten Bestandteile der Atmosphäre, nicht nur von CO2,

       der Simulation der Zukunft mit immer komplexeren Klimamodellen.

      Da die von KEELING gemessenen Steigerungsraten ziemlich genau den durch Verbrennung fossiler Brennstoffe erwarteten Werten entsprach, wurde schnell unterstellt, dass der Anstieg auf die Tätigkeit und Wirtschaftsweise des Menschen zurückgeführt werden kann, also anthropogen ist. Dass dies nicht nur ein statistischer Zusammenhang ist, wurde auf folgende Weise nachweisbar:

       Berechnung der freigesetzten Mengen aus nationalen Statistiken,

       Ermittlung des aus Verbrennung stammenden CO2-Anteils aus dem Isotopenverhältnis und

       Hinzunahme der O2-Konzentration als Indikator für Verbrennung / Vulkaneruptionen12

      Abb. 5‑6 zeigt in der Tat, dass sich die anthropogenen CO2-Emissionen aus Verbrennung und die atmosphärische CO2-Konzentration im Gleichlauf bewegen.

      Systematische Temperaturmessungen im heutigen Sinn wurden erst seit den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts durchgeführt (Deutschland 1881). Echte Messungen waren erst seit G. GALILEI zuverlässig möglich,