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Winterwundernacht


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trat Opa einen Schritt auf die Werkbank zu und nahm zwei Tuchzipfel in die Hand. Langsam hob er sie hoch. Als er die Decke zur Seite zog, tauchte darunter die größte und schönste Krippe aus Holz auf, die ich je gesehen hatte. An der Seite standen geschnitzte Kamele, auf denen Holzfiguren in bunter Kleidung und einem blauen Turban auf dem Kopf ritten. Auf der anderen Seite führten Holzschäfer mit winzigen Hüten auf dem Kopf und Stäben in der Hand ihre wolligen Schafe zum Stall. In der Mitte standen Josef und Maria hinter der Krippe und blickten auf ein geschnitztes Baby, das in einer Futterkrippe auf Stroh und kleinen Ästen lag.

      „Wir feiern an Weihnachten, dass Jesus geboren wird,“ sagte Mama. „Und wenn wir genau hinsehen, finden wir noch heute seine Zeichen in der Welt.“

      „Manchmal erkennen wir sie nur nicht gleich“, ergänzte Papa. „Oder sie sehen anders aus, als wir denken.“

      „Der Schlitten war ein Bollerwagen“, murmelte ich.

      „Ja, damit hat Opa das ganze Material geholt“, lachte Mama. „Und die Zweige hat nicht der Weihnachtsmann verloren, sondern sie sind Opa aus dem Korb gefallen, als er sich beeilen wollte, damit ihr ihn nicht erwischt.“

      „Aber dann musste ich doch noch durch die Hecke fliehen, als ihr runterkamt“, fügte Opa an.

      „Und was ist mit den Stiefeln?“, fragte Frida.

      „Ach, die gehören Bauer Hansen. Er wollte im Waldstück Tannengrün schneiden, aber die alten Dinger waren so durchlöchert, dass er sich dann von mir andere geliehen hat“, sagte Opa.

      „Schön, dass ihr so neugierig wart, als Opa im Schuppen die Krippe gebaut hat“, sagte Mama. „Denn Neugier lohnt sich, wenn es um Jesus geht. Der ist nämlich kein Baby geblieben, sondern ein mutiger Mann geworden.“

      „Aber die Geschichte heben wir uns für Ostern auf“, fügte Tante Lene hinzu und holte hinter ihrem Rücken eine riesige runde Dose mit braunen Kuchen hervor. Papa goss uns heiße Schokolade in Becher, die auf einem Tablett standen. Aber ich wollte mir erst mal die Krippe genauer anschauen, die wir anstatt des Weihnachtsmannes gefunden hatten.

      ANJA SCHÄFER

      Der fremde Gast

      Linus und Mia stehen gerade im Vorgarten und bauen einen Schneemann, als Mama kommt. Dick eingepackt in ihre Winterjacke trägt sie die Einkäufe vom Supermarkt nach Hause. Dank ihrer roten Mütze sieht man sie schon von Weitem. In der letzten Nacht hat es geschneit, sodass die beiden Geschwister direkt nach dem Frühstück nach draußen gegangen sind, um im Schnee zu spielen. Während Mama um die Ecke kommt, setzen Linus und Mia dem Schneemann gerade den Kopf auf seinen Körper. Deshalb sehen sie auch nicht, dass ihre Mutter auf einem glatten Stück Gehweg ausrutscht. Nur der Schrei ist zu hören. Die beiden sehen auf und rennen ihr durch das Tor entgegen. Neben ihr steht schon ein Mann, der ihr aufhilft. „Hast du dich verletzt, Mama?“ und „Ist alles in Ordnung?“ rufen die beiden durcheinander. Besorgt sieht der 7-jährige Linus seine Mama an. Währenddessen sammelt Mia die Einkäufe ein. Die Äpfel sind aus der Tüte gefallen und in den Schnee gekullert. Schnell hebt sie diese auf und legt sie zurück in die Tasche. „Mir ist nichts passiert, ich habe mich bloß erschrocken“, sagt ihre Mutter. „Zum Glück bekam ich Hilfe und bin schnell wieder auf die Beine gekommen!“

      Dankbar sieht sie den Mann an, der noch immer ihren Arm hält und sie stützt. Er sieht ein wenig zottelig aus. Sein Bart ist lang, und seine Haare stehen ihm wild vom Kopf ab. Durch die einzelnen Haarsträhnen, die ihm ins Gesicht fallen, sieht er sie aus tannengrünen Augen an. „Vielen Dank, dass Sie so schnell geholfen haben!“

      Der Mann lächelt. „Das ist doch selbstverständlich! Kommen Sie, ich bringe Sie noch bis nach Hause und trage die Einkaufstaschen!“

      „Das ist sehr nett, das müssen Sie wirklich nicht!“, antwortet Mama.

      „Doch, das möchte ich aber!“

      Und so nimmt der fremde Mann die schweren Einkaufstüten, während Linus und Mia ihre Mama an die Hand nehmen und vorsichtig mit ihr über den verschneiten Gehweg Richtung Haus laufen. Es ist der Morgen des Heiligabend. Und während Mia und Linus draußen weiter im Schnee spielen, bereitet Mama das Essen für heute Abend vor. „Feierst du heute auch mit deiner Familie Weihnachten?“, fragt Mia den Mann. Der schaut sie traurig an und sagt: „Nein, ich habe gar keine Familie.“

      „Aber wie feierst du denn Weihnachten?“, fragt Linus.

      „Ach, manchmal feiere ich in der Villa Kunterbunt. Das ist ein Haus für Menschen, die kein Zuhause haben. Und in diesem Jahr weiß ich noch nicht genau, was ich mache.“

      „Bist du obdachlos?“, fragt Mia.

      „So würden manche Menschen das nennen, ja“, antwortet der Mann. Die Kinder laufen schweigend weiter. Sie haben noch nie einen Obdachlosen kennengelernt. Manchmal haben sie in der Stadt einen gesehen. Der saß auf dem Boden und hatte ein Akkordeon auf dem Schoß. Vor seinen Füßen stand ein Becher. Während er Musik spielte, hatte Mama den beiden Geschwistern ein paar Münzen gegeben, die sie in den Becher geworfen hatten. Nun aber steht so ein Mann vor ihnen. Wie traurig, dass er gar keine Familie hat, mit der er heute Abend Geschenke auspacken kann, denkt Mia. Linus hingegen ist froh, dass sie gleich ihr Haus erreicht haben. Der Mann stinkt ein bisschen.

      Als sie vor der Haustür stehen, stellt der Mann die Taschen ab und gibt den Kindern und ihrer Mutter die Hand. „Fröhliche Weihnachten euch allen!“, sagt er. Gerade als er sich umdrehen will, fragt die Mutter: „Was halten Sie von Rinderrouladen mit Klößen und Rotkohl? Hätten Sie Lust, mit uns Weihnachten zu verbringen?“

      Linus schaut Mama entsetzt an. Was soll der fremde Mann denn bei ihnen im Haus? Und dann auch noch ausgerechnet an Weihnachten! Mia hingegen blickt den Mann erwartungsvoll an. „Au ja! Dann kannst du auch unseren Weihnachtsbaum anschauen – der ist dieses Mal besonders groß!“ Der Mann schaut verlegen von den Kindern zur Mutter. Er überlegt einen Augenblick und nuschelt dann in seinen dichten Bart: „Das fände ich wirklich sehr schön!“

      Und so ist es abgemacht. Während die Kinder draußen den Schneemann zu Ende bauen, gehen Mama und der Mann ins Haus und packen die Einkäufe aus. Manfred heißt er, so viel haben sie schon erfahren. Als Mia dem Schneemann einen Schal umgebunden hat, steckt Linus mit voller Wucht die Möhre in sein Gesicht. „Pass doch auf, Linus!“, ruft Mia. „Du machst alles kaputt!“

      „Ist mir doch egal! Weihnachten ist eh kaputt“, antwortet ihr Bruder missmutig.

      „Wieso bist du denn plötzlich so böse?“

      „Na, ist doch wohl klar! Da kommt ein wildfremder Mann und will mit uns Weihnachten feiern. Ist doch blöd! Hast du mal seinen Bart gesehen? Da leben bestimmt schon Tiere drin! Und außerdem stinkt er. Wir feiern doch sonst auch immer alleine Weihnachten. Nur Mama, Papa, du und ich. Das reicht doch! Jetzt müssen wir bestimmt auch noch unsere Geschenke mit ihm teilen!“

      „Linus, manchmal bist du wirklich blöd. Stell dich nicht so an, er hat doch sonst niemanden! Es ist doch nur für heute!“

      Schweigend stapft Linus ins Haus. Mia folgt ihm. Als sie in die Küche kommen, ist ihre Mutter alleine. Sie legt gerade die Rouladen in die Soße.

      „Wo ist denn Manfred, Mama?“, fragt Mia.

      „Der ist im Bad und duscht sich. Er wollte sich gern sauber machen, bevor er mit uns Weihnachten feiert“, sagt Mama.

      „Siehst du, Linus, es wird gar nicht so doof, wie du denkst. Gleich riecht er auch noch gut!“, grinst Mia ihren Bruder an. „Hrmpf“, grunzt der und geht die Treppe rauf. Kurze Zeit später hören sie, wie seine Zimmertür zuknallt.

      Es