Stephan Elbern

Frieden - eine verlorene Kunst?


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Während auf den Sieg von Pydna über die makedonische Phalanx (168 v. Chr.) kein Friedensschluss folgte – stattdessen teilte man das unterworfene Land nach der altbewährten Devise „divide et impera“12 in vier streng voneinander geschiedene Gebiete auf –, hatte man Antiochos zumindest die Fiktion eines Abkommens zwischen gleichberechtigten Vertragspartnern gewährt. Tatsächlich stand jedoch die Souveränität aller Völker und Länder des Mittelmeerraumes seither auf dem (noch nicht erfundenen) Papier. Denn nach einem bekannten Wort Th. Mommsens ist ein Staat nur dann wirklich souverän, wenn er (mit Aussicht auf Erfolg) gegen jedes andere Land Krieg führen kann. Angesichts der militärischen Übermacht Roms war dies jedoch keinem potentiellen Gegner mehr möglich – die Tiberstadt war zur unbestrittenen Herrin der Welt aufgestiegen.13

      Die innenpolitische Lage zwingt den römischen Heerführer Sulla, dem pontischen König Mithridates einen maßvollen Frieden zu gewähren; erst Jahrzehnte später gelingt die endgültige Niederwerfung des verhassten Feindes.

      In den Wirren nach dem Tod Alexanders d. Gr. war im nordöstlichen Kleinasien das Königreich Pontos entstanden; den Höhepunkt seiner militärischen Macht und historischen Bedeutung erlebte es unter Mithridates VI. Eupator (112 – 66, geb. um 132 v. Chr.), einem der ausdauerndsten und zähesten Gegner der römischen Expansionspolitik. Nach innerdynastischen Auseinandersetzungen zur Herrschaft gelangt, gewann er durch Erbschaft auch das Bosporanische Reich (auf der Krim), später eroberte er außerdem Kolchis und Kleinarmenien (am oberen Euphrat). Im Bund mit dem König von Bithynien besetzte er Paphlagonien; dann aber zerbrach die Allianz, da sich der Verbündete durch Heirat die Herrschaft über Kappadokien sicherte. Gemeinsam mit seinem Schwiegersohn Tigranes von Armenien entriss ihm Mithridates dieses Gebiet; eine Intervention des später so mächtigen L. Cornelius Sulla, der damals als Propraetor Kilikien verwaltete, blieb trotz anfänglicher Erfolge ohne dauerhafte Wirkung (92 v. Chr.). Das nächste Opfer des pontischen Königs wurde Bithynien, wo Mithridates einen eigenen Prätendenten einsetzte; der vertriebene Herrscher bat in Rom um Hilfe, ebenso der rechtmäßige König von Kappadokien.

      Als der Senat ihre Wiedereinsetzung verfügte (89 v. Chr.), führte der Konsular Manius Aquilius als Leiter einer römischen Delegation die Weisung aus, ohne auf Widerstand zu stoßen. Mit diesem Erfolg noch nicht zufrieden, veranlasste er den bithynischen Herrscher zum Angriff auf den pontischen König. Daraufhin eröffnete dieser den 1. Mithridatischen Krieg (88 – 85 v. Chr.); als „Zweiter Alexander“ und „Neuer Dionysos“ gefeiert, überrannte er mit einer gewaltigen Armee nahezu ganz Kleinasien einschließlich der Provinz Asia.14 Willig vernahm man dort seine Parole, er wolle die Unterworfenen von der Fremdherrschaft befreien, weithin wurde der König mit Jubel begrüßt; denn in den langen Jahren der systematischen Ausplünderung durch die römischen Statthalter und Steuerpächter hatten sich Hass und Erbitterung angestaut. Nur allzu bereitwillig befolgten die Bewohner Kleinasiens daher den Blutbefehl, den Mithridates im Taumel seiner Siege zu Ephesos erließ: Alle Italiker im Machtbereich des pontischen Herrschers sollten getötet, den Ermordeten zudem die Bestattung verweigert werden; angeblich fielen 80.000 Menschen der „Vesper von Ephesos“ zum Opfer. Danach errang der König die Seeherrschaft über die Ägäis und setzte nach Hellas über, auch dort von vielen Städten begeistert empfangen.

      Im folgenden Jahr landete auch Sulla in Griechenland (87 v. Chr.), der zuvor durch einen Marsch auf Rom den ersten Bürgerkrieg der römischen Geschichte eröffnet und seinen Rivalen C. Marius aus der Stadt vertrieben hatte (inzwischen waren die popularen Gegner Sullas wieder zurückgekehrt und hatten erneut die Macht übernommen). Nach langer Belagerung zwang der römische Feldherr das abgefallene Athen zur Übergabe und schlug das Heer des pontischen Königs bei Chaironeia und Orchomenos (86 v. Chr.). Gleichzeitig errangen die Truppen seiner innerrömischen Gegner (die ebenfalls in die Kämpfe eingegriffen hatten) weitere Erfolge; die mögliche Gefangennahme des Mithridates scheiterte jedoch, da sich Sullas Quaestor Lucullus weigerte, mit den innenpolitischen Rivalen gegen den Feind des römischen Volkes zusammenzuwirken (ganz modern, wurde hier das Parteiinteresse über das Gesamtwohl gestellt!).

       Frieden mit Mithridates – Massenmord bleibt ungesühnt

      Im folgenden Winter fanden bereits Friedensgespräche statt, auf pontischer Seite durch den griechischen Feldherrn Archelaos, der auch beim Gegner hohes Ansehen genoss (daher fand er später in Rom Zuflucht, als er am Hof des Königs wegen seiner Verhandlungsführung des Verrats beschuldigt wurde). Schließlich kam es zu Dardanos (in der Troas) – auf einer Ebene zwischen beiden Heeren – bei einer persönlichen Begegnung Sullas mit dem feindlichen Herrscher zum Friedensschluss (85 v. Chr.). Mithridates musste alle Eroberungen aufgeben (also auch Bithynien, Galatien und Kappadokien); der Krieg endete demnach mit dem Status quo ante. Der König gab alle Gefangenen frei und lieferte die Überläufer aus, übergab den Römern seine Kriegsflotte und leistete eine Reparationszahlung von 2.000 Talenten; außerdem übernahm er Sold und Verpflegung für Sullas Truppen.

      Die milden Friedensbedingungen mussten verwundern, zumal angesichts der ungezählten Opfer des Blutbefehls von Ephesos. Aber der römische Heerführer wollte so schnell wie möglich nach Italien zurückkehren, wo sich die Macht seiner popularen Gegner immer mehr konsolidierte; der Kampf gegen die innenpolitischen Rivalen war wichtiger geworden als die Rache für das vergossene Römerblut. Dass der Schuldige straflos blieb, erbitterte auch die siegreichen Soldaten; vielleicht deswegen wurde der Vertrag nicht schriftlich festgehalten. Nachdem er zahlreiche Maßnahmen des Königs (u. a. die Befreiung der Sklaven sowie einen allgemeinen Schuldenerlass) aufgehoben und die wieder gewonnene Provinz Asia reorganisiert hatte, schiffte sich Sulla nach Italien ein, um dort die Macht zurück zu gewinnen und seine restaurative Ordnung zu begründen.

      Bereits zwei Jahre nach dem Friedensschluss griff der römische Statthalter L. Licinius Murena den pontischen König an, wurde aber zurückgeschlagen (2. Mithridatischer Krieg, 83 – 81 v. Chr.); auf Sullas Geheiß wurde der Vertrag von Dardanos bestätigt. Über diesen Rechtsbruch erbittert, rüstete Mithridates erneut und verbündete sich mit den kilikischen Seeräubern sowie dem römischen Heerführer Q. Sertorius, einem Anhänger des Marius, der sich in Spanien eine eigene Machtstellung aufgebaut hatte. Als sich die politischen Kräfteverhältnisse in Kleinasien entscheidend verschoben – der letzte bithynische Herrscher hatte sein Reich testamentarisch dem römischen Volk vermacht – eröffnete der König den 3. Mithridatischen Krieg (74 – 63 v. Chr.). Doch nun traf er auf feindliche Feldherren, die nicht von innenpolitischen Auseinandersetzungen gehemmt wurden; durch die glänzenden Feldzüge des Lucullus und Cn. Pompeius aus Kleinasien vertrieben, setzte er schließlich selbst seinem Leben ein Ende. Pontos wurde zunächst zu einem römischen Vasallenstaat, unter Nero zur Provinz; das Bosporanische Reich auf der Krim erlebte als Klientelkönigreich des Imperiums eine Jahrhunderte lange wirtschaftliche und kulturelle Blütezeit.

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