dringenden Auftrag für dich. Eine mehrwöchige Dienstreise nach Angola. Melde dich unverzüglich beim Ministerium für Handel und Versorgung der DDR, in der Abteilung Gaststätten und Hotelwesen. Dort bekommst du weitere Informationen.“
MEINE DIENSTREISE IN DIE VR ANGOLA
VOM 28. MÄRZ – 16. APRIL 1979
Die Il-62 der Interflug schwebt hoch über den Wolken, auf Südkurs, in Richtung Luanda. In den späten Abendstunden begann der Flug mit einem bedrückenden Gefühl. Es war die Nachricht im Radio, eine Interflugmaschine vom Typ IL-18, mit Hilfsgütern nach Angola, ist am Flughafen in Luanda verunglückt. Ich sitze an der Fensterseite, schaue nach draußen und beobachte die Lichter am rechten Flügel der Maschine. Unter den Passagieren sind alte und junge Afrikaner, vermutlich Angolaner, Studenten, Facharbeiter, Dienstreisende, aber auch eine Vielzahl Europäer – scheinbar DDR-Bürger, Diplomaten, Spezialisten, Außenhändler. Die Maschine ist nicht ausgebucht. Die freien Plätze sind vielleicht für neue Passagiere in Algier oder Lagos. Die Stewardessen versorgen uns sehr gut, sie sind sehr freundlich, aber bestimmend in der Sache.
Wenige Tage vor der Dienstreise las ich in Nachschlagwerken über Angola und bekam folgendes Bild über dieses Land: Am 11. November 1975 wurde die Unabhängigkeit der Volksrepublik Angola proklamiert. Bis zu diesem Zeitpunkt war Angola portugiesische Kolonie, eine sogenannte überseeische Provinz, an der südwestlichen Küste Afrikas. Nach der Unabhängigkeit von Portugal entbrannt ein Konflikt mit der Rebellengruppierung UNITA, die von Jonas Savimbi geführt wird, dieser Konflikt dauert noch an und nimmt an Schärfe zu. Die USA und Südafrika unterstützen die prowestliche UNITA-Rebellen, wiederum die Sowjetunion und Kuba die MPLA, aber auch andere sozialistische Länder – darunter die DDR – solidarisieren sich mit der VR Angola im Kampf gegen die UNITA-Rebellen.
Daraus kann geschlussfolgert werden, die junge Volksrepublik Angola ist noch ein instabiles Land.
Unsere Delegation, auch Arbeitsgruppe genannt, besteht aus acht Mitgliedern: Harri Peters als Delegationsleiter, Renate Petrahn als Dolmetscherin. Von der angolanischen Seite, dem Ministerium für Binnenhandel, wurde an die DDR das Ersuchen herangetragen, sie bei der Organisierung und Realisierung der Inbetriebnahme einschließlich Renovierung einer Reihe von Hotels in Luanda zu unterstützen.
Unter vorgehaltener Hand wird gesagt, während des Partei- und Staatsbesuches in Angola wurde diese Bitte an Dr. Günter Mittag, Politbüromitglied und zuständig für Wirtschaft, herangetragen. Mittag gab den Auftrag weiter, den Umfang der Leistungen zu untersuchen. In Vorbereitung dieser Reise wurde mir folgendes Aufgabengebiet übertragen:
Beratung des Delegationsleiters zu allen Fragen, die das Bauwesen betreffen;
Erfassung der erforderlichen Bauleistungen zur Inbetriebnahme der besichtigten Hotels;
Einschätzung der erforderlichen Baukapazitäten nach Mengen und Währungseinheiten, Arbeitszeit- und Bauzeitaufwand sowie erforderliche Maschinen, Geräte und Kleinmechanisierung;
Wünsche der angolanischen Seite entgegenzunehmen und Lieferungen und Leistungen des Bauwesens der DDR hinsichtlich der Fertigungsstellung der Hotels zu prüfen.
Die Nacht wird vom Tag abgelöst. Über uns ein herrlicher blauer Himmel. Unter uns ein lang gestrecktes Wolkenfeld. Wir fliegen in 10.000 m Höhe. Unsere IL-62 fliegt immer tiefer in den Süden Afrikas. Wir überqueren den Äquator, unter uns ist der Atlantische Ozean. Eine Stewardess überreicht jedem Fluggast, der zum ersten Mal den Äquator überquert, eine bunte Urkunde der Interflug, auf meiner mit dem Vermerk: „Die Äquatortaufe am 28. 3. 1979, 13:40 MEZ wird dem Kollegen Günter Mosler bescheinigt. Er kam mühelos über das Zentrum der Erdkugel. Es soll ihm gelingen, weitere Male diese Schwelle zu überfliegen.“
Plötzlich wird die Stille von der Ansage zur bevorstehenden Landung in Luanda unterbrochen. Luanda, die Hauptstadt Angolas, hat ca. 450.000 Einwohner, einen Hafen, eine Erdölraffinerie und eine traurige Vergangenheit. Von hier aus wurde der Sklavenhandel hauptsächlich nach Brasilien getrieben.
Wir landen mit leichtem Aufschlag auf dem Rollfeld des Flughafens Luanda. Objekte auf dem Boden gleiten an uns vorbei, die Geschwindigkeit lässt nach und unsere Il-62 kommt zum Stehen. Beim Betreten der Gangway spüren wir das tropische Klima Angolas. Die meisten meiner mitreisenden Kollegen der Arbeitsgruppe sind zum ersten Mal in einer tropischen Klimazone. Es ist schwülwarm, Erinnerungen an Vietnam werden in mir wach. Das Schwitzen und Stöhnen nimmt seinen Lauf. Nach der Pass- und Zollabfertigung, beides verläuft zügig, werden wir vom Camarada Fernando Continho, Abteilungsleiter Tourismus im Ministerium für Bienenhandel der VR Angola, begrüßt. Hier bietet sich die Gelegenheit, meine portugiesischen Sprachkenntnisse auf den Prüfstand zu stellen. Ich spitze meine Ohren und vergleiche mein Verstehen mit der Übersetzung unserer Dolmetscherin Renate. Oje, ich verstehe kaum was, unser Gastgeber spricht stark nasal und sehr schnell.
Wir werden im neusten Hotel „Presidente“ in der Palmenallee, die entlang des Atlantischen Ozeans führt, untergebracht. Ein gewaltiges mehrstöckiges Scheiben-Bauwerk, das von Portugiesen im Jahr 1975, kurz vor der Unabhängigkeit, fertiggestellt wurde. Nachdem wir unsere Zimmer belegt haben, beginnt das Einführungsgespräch zwischen unserem Delegationsleiter und dem Minister für Binnenhandel der VR Angola Camarada Van Dumen.
Blick vom Hotel „Presidente“ auf den Ozean
In Luanda sind alle Hotels mit ca. 85% ausländischen Spezialisten belegt, die restlichen 15% stehen zur Unterbringung von Gästen zur Verfügung. Eine Reihe von Hotels kann nicht vollständig belegt werden, denn der technische Zustand ist mangelhaft. Der Bedarf an Hotelplätzen ist sehr groß und wächst zunehmend weiter, informierte der Minister.
Wir registrieren uns in der DDR-Botschaft und erhalten ein Aufenthaltsvisum für die VR Angola. Hier werden wir über die besorgniserregende Wirtschaftslage des Landes, über die unzureichende Ernährungs- und Gesundheitssituation der angolanischen Bevölkerung und über die unzureichende reine Trinkwasserversorgung besonders im Landesinneren informiert. Jährlich sterben Tausende Menschen an leicht heilbaren Krankheiten wie Malaria, Durchfallerkrankungen und Atemwegentzündungen. Meningitis, Tuberkulose und Erkrankungen durch Wurmbefall sind an der Tagesordnung. Die Sterblichkeitsrate von Kindern unter fünf Jahren ist sehr hoch. Angola braucht allseitige Unterstützung von außen. Wir werden über Aktivitäten der konterrevolutionären Banden informiert, die auch in Luanda operieren und zu hoher Wachsamkeit in der Stadt und außerhalb angehalten. Die Genossen der Botschaft belehren uns über Verhaltensweisen der angolanischen Gesprächspartner bei Verhandlungen, Entscheidungsfindung und Terminen. Sie empfehlen, viel Geduld beim Partner aufzubringen.
In der Stadt sind mehrere DDR-Bürger, darunter FDJler, Spezialisten verschiedener Branchen und Berater, zu denen wir schnell Kontakt finden. Unter vorgehaltener Hand erfahren wir, dass Kubaner in Angola besonders gefährdet sind. Man erzählt, dass ein Angolaner der einen Kubaner tötet und der als Beweis seiner Tat die Zunge oder beide Ohren seines Opfers vorführt, von konterrevolutionären Banden 500 Dollar für einen Toten erhält. Die meisten Kubaner, auch Zivilisten, sind bewaffnet.
An den folgenden Tagen suchen wir Kontakt zum angolanischen Partner, der uns Objekte zur Besichtigung benennen soll. Die verantwortlichen angolanischen Camaradas sind nicht aufzufinden, nicht kompetent für Aussagen oder es mangelt ihnen an Zeit für uns.
Es folgt das erste Wochenende. Wir spazieren in der Stadt und auch außerhalb. Es ist schwülwarm, ein typisches Tropenwetter. Das Angebot in den Geschäften erinnert an Vietnam, wobei das Angebot dort noch besser war.
Luanda
Die Hauptstraßen sind breit, die Fahrbahndecken asphaltiert, der Verkehr mäßig, es gibt Kraftfahrzeuge westlicher oder japanischer Produktion, sehr viele Häuser sind renovierungsbedürftig. Wir gehen an einer gepflegten katholischen Kirche mit architektonischen Elementen verschiedener Epochen vorbei. Es scheint Gottesdienst gewesen sein, denn die Menschen