Gerhard Seidel

Berufsbezogenes Marketing


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       Was sagen die Experten?

      Als Ergänzung zu meinen Ausführungen möchte ich aus diversen Untersuchungen zitieren:

      • Das Robert-Koch-Institut stellte fest, dass arbeitslose Menschen einen schlechteren Gesundheitszustand haben als Berufstätige: Ein oder mehrere Jahre lang arbeitslose Männer geben bis zu vier Mal so häufig einen weniger guten oder schlechten Gesundheitszustand an wie berufstätige Männer ohne Zeiten von Arbeitslosigkeit. Arbeitslose Frauen verbringen 1,7 Mal so viele Tage im Krankenhaus wie berufstätige Frauen.

      • Nach einer anfänglichen Phase des Schocks sucht der Betroffene noch zuversichtlich nach einem neuen Arbeitsplatz. Nach wiederholten Misserfolgen folgt die Phase des Pessimismus und der Hoffnungslosigkeit. Angst, Verzweiflung und Ohnmacht sind prägend und führen in die letzte Phase, die durch Fatalismus gekennzeichnet ist. Nicht selten führt diese Hoffnungslosigkeit zu Alkoholmissbrauch und Drogenabusus.

      • Durch Dauererwerbslosigkeit werden Menschen in eine Situation hineingestoßen, auf die sie in keiner Weise vorbereitet sind. Daraus entsteht eine Vielzahl von persönlichen und sozialen Konflikten, die eine Vermittlung erschweren.

      • Die Erwerbslosen reagieren unterschiedlich auf ihre Arbeitslosigkeit. Die Reaktionen hängen von verschiedenen Faktoren ab, wie beispielsweise der Dauer der Arbeitslosigkeit, dem sozialen Netz, der finanziellen Situation bis hin zu lokalen Gemeinschaften und der persönlichen Interpretation des Stellenverlustes.

      • Studien über Arbeitslosigkeit haben gezeigt, dass die meisten Individuen Arbeitslosigkeit überwiegend destruktiv erleben. Dies manifestiert sich in gesundheitlichen Problemen, Suchtproblemen, chronischer Lethargie und Verlust von sozialen Kontakten und Freundschaften.

      • Zu den potenziellen psychischen Folgen zählen Hoffnungslosigkeit, Selbstzweifel und Resignation. Darüber hinaus wird kritisiert, dass infolge vonseiten der Politik in den Medien ausgetragenen „Faulheitsdebatten“ ein Klima entstanden sei, das die Diskriminierung von Arbeitslosen begünstige. (Unterschiedliche Quellen)

      Ich komme noch einmal auf die schon mehrfach angesprochene Vermittlungsquote zurück (die sich auch im weiteren Verlauf wie ein roter Faden durch das Buch ziehen wird) und kann mir vorstellen, dass diese drastische Darstellung so manchen Teilnehmer aufrüttelt und zum Handeln bringt.

      Ein Trainer sagte am Schluss, wenn er die Spirale erläutert hatte, zu seinen Teilnehmern:

       Es ist Ihre Entscheidung, ob Sie diese Phasen bis zum Ende durchlaufen wollen oder ob Sie hier und jetzt die Chance nutzen möchten, diese Zustände zu Ihren Gunsten zu verändern. Mein Auftrag ist es jedenfalls, Ihnen dabei zu helfen, dass Sie nicht weiter leiden müssen. Und ich halte es für Quatsch, wenn Sie glauben, dass es bei Ihnen ganz anders ist. Wenn das stimmen würde, dann würden solche Seminare nicht mehr stattfinden. Lassen Sie uns einfach prüfen, was bei Ihnen anders ist und dann schauen wir gemeinsam, wie wir Ihr Anderssein vermarkten können.

      Wenn in einer der letzten Phasen dem Arbeitslosen eine Qualifizierungsmaßnahme angeboten wird, die die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zum Ziel hat, dann ist es gut nachzuvollziehen, dass der Betroffene dieses Angebot nicht mit Begeisterung akzeptiert. Die erduldeten Niederlagen, die inzwischen entstandenen vermittlungshemmenden Faktoren, die erlebten Überzeugungen, dass nichts mehr geht, und die Erfahrung, dass angebliche Hilfen in Wirklichkeit nicht helfen, all das überzeugt den potenziellen Seminarteilnehmer, wie lästig und sinnlos solche Veranstaltungen sind.

       Nicht auf falsche Probleme richtige Lösungen suchen!

      Meiner Erfahrung nach müsste man in den Seminaren viel mehr „therapeutisch“ tätig werden (was nur teilweise erlaubt ist), um das beeinträchtigte, das gestörte Bewusstsein der Betroffenen zu korrigieren. Die Qualifizierung und Betreuungsinhalte müssen eine individuelle Hilfestellung ermöglichen, da ist Frontalunterricht ungeeignet. Denn wer Suchtprobleme hat, wer psychisch krank ist, wer von Schulden erdrückt wird und wem die familiären Schwierigkeiten alle Energien rauben, dem hilft ein Bewerbertraining nur wenig.

       Erfolgsquoten

      Hinzu kommt sicher auch die Erkenntnis: Die Erfolgsquoten der staatlich geförderten Maßnahmen sollen in der Regel 60–70 Prozent betragen. Das heißt, von zwanzig Teilnehmern sollten am Ende des Seminars bzw. drei Monate später mindestens zwölf bis vierzehn einen dauerhaften Arbeitsplatz gefunden haben. Entscheidend für diesen Erfolg sind – neben den Kompetenzen der Trainer – vor allem die Art und die Dauer der Maßnahmen. Nach meinen Erfahrungen dauert die Wiedereingliederung eines Arbeitnehmers

      • vor der Arbeitslosigkeit im gekündigten Zustand im Rahmen eines Gruppenoutplacements im Durchschnitt zwei bis zehn Tage.

      • Bei einer Arbeitslosigkeit von bis zu drei Monaten sollte die Dauer des Seminars etwa zwei bis drei Wochen betragen.

      • Ist der Teilnehmer bereits mehr als sechs Monate arbeitslos, dauert der Wiedereingliederungsprozess mindestens sechs Wochen.

      • Dauert die Arbeitslosigkeit schon mehr als ein Jahr an, ist mit etwa sechs Monaten zu rechnen.

      • Bei einer mehrjährigen Arbeitslosigkeit dauert es mindestens ein Jahr, um die geforderten 60 Prozent Vermittlungserfolg zu erreichen.

      Auch die Betroffenen entscheiden, wie schnell sie sich helfen lassen wollen bzw. wie lange es dauert, wieder ins normale Arbeitsleben zurückzukehren!

      Eng mit einem möglichen Vermittlungserfolg hängt die richtige Auswahl der Hilfen in einem Seminar zusammen. Es ist ein Waageprinzip. In der einen Waagschale liegen die Probleme, die eine Wiedereingliederung ins Arbeitsleben behindern, auf die andere Seite gehören die adäquaten Lösungskonzepte.

      Dem Teilnehmer zu helfen, setzt aber zwei Dinge voraus:

      • die genaue Kenntnis des Problems und dessen Ursachen,

      • die Ressourcen als Helfer zu besitzen, um die Ursachen gemeinsam mit dem Hilfesuchenden zu lösen.

      Denn es ist nicht nur unnütz, die falschen Hilfen zu geben, sondern es potenzieren sich unter Umständen die Schwierigkeiten und die Frustration der Teilnehmer, wenn die gewünschten Erfolge trotz starken Engagements ausbleiben.

      Als Trainer solcher Seminare, Qualifizierungsmaßnahmen oder Weiterbildungskurse sollte uns bewusst sein, dass die Menschen, die zu uns kommen, einer adäquaten Hilfe bedürfen. Oft sind derartige Maßnahmen die letzte Chance, ihre schwierige Lebenssituation zu verändern.

      Wir sind eine Art Transmissionsriemen zwischen den arbeitslosen Teilnehmern und den Entscheidern in den Unternehmen. Es geht eben nicht nur – und ich wiederhole mich da gerne, weil ich immer wieder die Erfahrungen mache – darum, jemandem die deutsche Sprache, das Kochen, EDV oder Buchführung beizubringen. Entscheidend ist die dauerhafte Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt.

       3.3 Seminarstrukturen

      Um festzulegen, wie die Seminare aufzubauen sind, stellt sich zunächst die Frage, welche Kernprobleme die arbeitslosen Teilnehmer haben.

      • Brauchen sie eine zukunftsorientierte Umschulung? Manchmal!

      • Sollten sie ihre Rechte und Pflichten als Arbeitslose kennen? Vielleicht!

      • Müssen sie mit den Möglichkeiten des aktiven Bewerbens vertraut gemacht werden? Wäre nicht schlecht!

      • Ist es wichtig, die deutsche Sprache zu beherrschen! Wahrscheinlich!

      Das wirkliche Kernproblem von Arbeitslosen aber ist, sie brauchen einen neuen Arbeitsplatz! Dabei kann es sein (oder auch nicht), dass sie

      • umgeschult werden müssen,

      •