Malte Kerber

Schwarzwald - FernSichten und EinSichten während einer Wanderung über den Westweg und den Ostweg


Скачать книгу

Über manches, was wir darüber erfuhren, wird noch zu berichten sein. Bereits hier soll aber festgehalten werden: Die Schwarzwälder Leute zeichnen sich durchweg durch Hilfsbereitschaft, Freundlichkeit und besonders durch Gastfreundlichkeit aus. Und unterhalten kann man sich richtig gut mit ihnen. Da war für uns immer etwas zum Dazulernen dabei.

      Vom Weitwandern

      Das Weitwandern wird zunehmend beschrieben und beredet. Das trifft auch auf das Pilgern zu. Manchmal könnte man meinen, letzteres sei zu einem modischen Trend geworden. Der Jakobsweg, der nach Santiago de Compostela im spanischen Galicien führt, ist zum Beispiel in vielen Mündern. Und die Zahl der Bücher über ihn und über das Weitwandern wächst stetig. Der Journalist, der Manager, die ältere Schauspielerin, die „mal zu sich finden wollen“, sie wandern beispielsweise einhundert oder zweihundert Kilometer auf dem Jakobsweg. Dann schreiben sie ein Buch über ihre Erkenntnisse, wie sie „zu sich gekommen sind“. Das ist zugespitzt und ironisch von mir formuliert. Ich gebe es zu. Aber keine Sorge, ich werde die Bemerkung sofort relativieren!

      Die Zahl der Weitwanderer wird meist überschätzt. Fast alle Wanderer, die auf Weitwanderwegen unterwegs sind, wandern nur wenige Kilometer, sind auf einer Tages- oder Wochentour unterwegs. Viele nehmen sich vor, irgendwann auch einmal einen Weitwanderweg in voller Länge zu begehen. Meist bleibt es bei den Träumen. Wir trafen auf den zirka 540 Kilometern, die wir in einem Stück über den Schwarzwald gezogen sind, keine Wanderer, die allein, zu zweit oder in der Gruppe einen der drei Schwarzwaldfernwege insgesamt in Angriff genommen hätten. Geschweige denn gar zwei oder drei „zusammengeknüpft“!

      Umso größer unsere Hochachtung vor denen, die sich auf die lange Strecke machen, um mit sich und mit der Natur wieder ins Reine zu kommen! Übereinstimmung mit denen, die die Einsamkeit suchen, die aber auch das Gespräch mit anderen Menschen finden möchten, um von deren Erfahrungen zu lernen! Gleiches Mitfühlen mit denjenigen, die „draußen“ Ruhe suchten und zu sich gefunden haben! Und von denen, die weit über die Lande und lange über die Tage, Wochen und gar Monate wandern, gibt es vielleicht doch mehr, als ich annehme. Ihnen meinen Respekt! Jetzt beim Aufschreiben fällt es mir ein: Einen dieser Art Wanderer, der gleich uns auf langer Strecke dahinzog, trafen wir auch im Schwarzwald.

      Diejenigen, die von den langen unbeschwerten Wanderungen träumen, ihnen will ich Mut machen! Das Erlebnis, aus eigener Kraft durch Lande und Landschaften und über die Zeit zu ziehen, es führt zu Erinnerungen, die nicht zu löschen sind, und zu Erfahrungen, die man auf andere Art nur schwer gewinnen kann. Man wird durch das Dahinziehen über lange Strecken stärker, bescheidener und auch sich seiner selbst bewusster. Bei allem behält eine bekannte Prämisse ihre Gültigkeit:

       Der Weg ist das Ziel.

      Gleich, ob du wanderst, pilgerst oder trampst. Sportliches oder naturbezogenes Weitwandern und Pilgern haben ja manche Verwandtschaft miteinander. Aber der genannte Weg-Ziel-Grundsatz spiegelt doch nur einen Teil der Wirklichkeit wider. Um überhaupt auf den Weg zu kommen, musst du dich in Bewegung setzen!

       Der erste Schritt ist der wichtigste!

      lautet folglich eine weitere grundlegende Anforderung an dich. Oft ist der erste Schritt auch der schwerste. Noch eine Einschränkung zum Weg-Ziel-Verhältnis will ich formulieren:

       Auf deinem Weg gibt es immer ein Ziel.

       Dort angekommen, wächst dir ein neues Ziel!

      Das eben macht den herausfordernden Reiz des Weitwanderns aus. Und da tun sich dir wieder Parallelen zu deinen Lebenswegen auf. Auch das ist, wie ich glaube, gemeint, wenn vom Wert und Sinn des Wanderns oder Pilgerns gesprochen wird: zu sich selbst und zu seinem Leben finden.

      West-, Ost- oder Mittelweg?

      Auf drei Fernwanderwegen kann man über und durch den Schwarzwald „fahren“. Fahren meint hier nicht die autogestützte Fortbewegung. Wer nach alter Wanderfahrensleute Sitte „über die Lande ausfahren“ will, der muss sich zünftig in Bewegung setzen – also „auf Schusters Rappen“ und mit dem Rucksack am Mann bzw. an der Frau. Ein wenig zeitgemäßer und bequemer geht es in bekannten Wanderregionen auch „mit Gepäcktransport und vorbereiteten Quartieren“. Verschiedene Reiseveranstalter bieten da unterschiedliche Möglichkeiten für die Tourgestaltung an.

      Wer also – so oder so – zu Fuß eine lange Strecke durch den Schwarzwald wandern möchte, hat nicht die Qual, sondern das spannende Vergnügen der Wahl. Denn, wie festgestellt: Auf drei Fernwanderwegen kann man über und durch den Schwarzwald „fahren“. Von Norden nach Süden gewandert, beginnen die drei Wege in Pforzheim. Am Rande der Stadt, wo einst eine Erzschmelze und Schmiede standen, der so genannte „Kupferhammer“. Heute bemüht sich an dieser Stelle ein weithin bekannter Biergarten mit eben diesem Namen, seine durstigen oder hungrigen Gäste zufrieden zu stellen. Und wie eh und je fließt dort die Würm in die Nagold.

      Der Westweg ist der älteste und bekannteste der drei Fernwanderwege, er beendet seinen Lauf über den Schwarzwaldkamm nach 285 Kilometern in Basel.

      Der Mittelweg, der anspruchsvollste von den dreien, hat sein Ziel nach 225 Kilometern in Waldshut am Rhein erreicht.

      Der Ostweg führt den Wanderer von Pforzheim über 240 Kilometer nach Schaffhausen in der Schweiz.

      Dank der verdienstvollen Arbeit vieler Mitglieder des Schwarzwaldvereins sind diese drei Wege durchgehend markiert. Vom Start am Pforzheimer „Kupferhammer“ bis hin zu ihrem Ziel in Basel, Waldshut oder Schaffhausen. Die Rauten, also die Wanderzeichen, leiten die Wanderer sicher über die Fernwege. Eine gute Wanderkarte sollte man aber außerdem bei sich haben. Der Orientierungsblick auf die Übersichtskarte verschafft mehr Sicherheit. Unsere drei großen Schwarzwaldwege haben ihre eigenen charakteristischen Markierungen bzw. Wanderzeichen.

      Angebracht sind die etwa siebenmal zehn Zentimeter großen emaillierten Metallschildchen im Wald an den Bäumen, außerhalb des Waldes oft an Pfählen oder Zäunen. In Ortschaften sieht man die Rautenzeichen an gut sichtbaren Stellen meist als Aufkleber.

Westweg rote Raute
Mittelweg rote Raute mit senkrechtem weißen Strich in der Mitte
Ostweg schwarz-rot gehälftete Raute

      Ausdrücklich sei hier vermerkt, dass es eine große Wandersünde darstellt, eines dieser Metallschildchen abzumontieren und als Andenken „mitgehen“ zu lassen. Wer solch ein unsportliches oder unkameradschaftliches Tun zeigt, denkt nicht an die Wanderer, die nach ihm kommen. Er denkt auch nicht an die vielen ehrenamtlichen Markierer des Schwarzwaldvereins, die ihre Freizeit opfern, damit die Wanderer sicher über die Wege geleitet werden und ihr Ziel erreichen. (Siehe auch das Kapitel „Die Beruhigungsmarkierung“, Seite 135.)

      In diesem Zusammenhang sei darauf aufmerksam gemacht, dass man die originalen Wegezeichen der drei Fernwanderwege bei der Hauptgeschäftsstelle des Schwarzwaldvereins in Freiburg bestellen und kaufen kann. Wer also diesen ehrlichen kleinen Umweg wählt, der kann wie wir seine heimatliche Erinnerungsecke mit diesen Souvenirs schmücken. Ohne dass er ein schlechtes Gewissen haben müsste.

      Von den drei Fernwanderwegen über den Schwarzwald wollten wir, meine Frau und ich, zwei wandern: am „Kupferhammer“ starten, dann Richtung Süden zum Rhein ziehen. Auf einem anderen Weg sollte es wieder zurück nach Pforzheim