Malte Kerber

Schwarzwald - FernSichten und EinSichten während einer Wanderung über den Westweg und den Ostweg


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hätte ich erst ein Stück des Westweges, dann den Ostweg und schließlich wieder den Westweg wandern müssen. Womit etwas verklausuliert angedeutet worden ist, welchen verschlungenen Weg mein Lebenslauf bis heute genommen hat. Doch mit der eigenen Vita lässt sich Geschichte nicht erklären, höchstens illustrieren. Außerdem wurden die Wanderwege im Schwarzwald, die diesen Namen tragen, am Anfang des 19. Jahrhunderts begründet. Einfache Ossi-Wessi-Klischees spielten da noch keine Rolle für die Bewertung von Lebensläufen, wie das gegenwärtig so häufig der Fall ist.

      Und im Übrigen: Neue Wanderwege, die man gehen will, sollten nicht nach der Karte bisher gegangener Lebenswege bestimmt werden. Zu schnell geriete man in die Gefahr, dass sich manches wiederholt oder dass man enttäuscht wird, weil die Erinnerung getrogen hat. Wir ließen uns deshalb bei unserer Planung nicht von modischen West-Ost-Begriffen leiten.

      Unser grundlegender Wanderplan sah nach vielen Überlegungen folgendermaßen aus:

      Zuerst den westlichen Weg von Pforzheim nach Basel laufen, dann mit der Bahn bzw. mit dem Bus nach Schaffhausen fahren und von dort auf dem Ostweg wieder zum Ausgangspunkt der Wanderung nach Pforzheim ziehen. Start und Ziel unserer „Walz“ durch und über den Schwarzwald sollte also der „Kupferhammer“ sein.

      Der Wanderinteressierte, der diese Notizen liest, möchte vielleicht nachvollziehen, in welchen Abschnitten wir über die beiden von uns ausgewählten Wege gelaufen sind. Auch wenn ihr Verlauf genau festgelegt ist und durch die Markierungen angezeigt wird, kann man und wird man die Etappen variieren. Das ist ja unter anderem davon abhängig, wie viel Zeit man für die gesamte Tour einplant.

      Für den Interessierten also nachfolgend unsere „Fahrt“ über den West- und über den Ostweg. Allerdings nur dargestellt, indem die Start- und Zielpunkte der einzelnen Etappen genannt werden. So wie wir sie gewandert sind.

      Etappen auf dem Westweg

       Pforzheim – Weil am Rhein/Basel

      1. Pforzheim/Kupferhammer – Straubenhardt

      2. Straubenhardt – Dobel

      3. Dobel – Kaltenbronn

      4. Kaltenbronn – Forbach

      5. Forbach – Unterstmatt

      6. Unterstmatt – Darmstädter Hütte

      7. Darmstädter Hütte – Kniebis

      8. Kniebis – Auf der Hark

      9. Auf der Hark – Hausach

      10. Hausach – Silberberg

      11. Silberberg – Brend

      12. Brend – Schweizerhof

      13. Schweizerhof – Hinterzarten

      14. Hinterzarten – Feldberg

      15. Feldberg – Wieden

      16. Wieden – Haldenhof

      17. Haldenhof – Stockmatt

      18. Stockmatt – Wollbach

      19. Wollbach – Weil am Rhein/Basel

       Fahrt nach Schaffhausen

      Etappen auf dem Ostweg

       Schaffhausen – Pforzheim

      1. Schaffhausen – Stühlingen

      2. Stühlingen – Achdorf

      3. Achdorf – Geisingen

      4. Geisingen – Sunthausen

      5. Sunthausen – Villingen

      6. Villingen – Königsfeld

      7. Königsfeld – Schramberg

      8. Schramberg – Alpirsbach

      9. Alpirsbach – Freudenstadt

      10. Freudenstadt – Pfalzgrafenweiler

      11. Pfalzgrafenweiler – Altensteig

      12. Altensteig – Oberhaugstett

      13. Oberhaugstett – Calw

      14. Calw- Bad Liebenzell

      15. Bad Liebenzell – Steinegg

      16. Steinegg – Pforzheim/ Kupferhammer

      Jüngere Wanderer als wir oder die sehr Sportlichen unter ihnen werden sicherlich längere Tagesstrecken laufen. Aber für uns war entscheidend, dass wir die beiden Fernwanderstrecken „in einem Stück“ laufen. Außerdem drückte uns nicht der Gedanke, dass ein Chef oder das Arbeitsteam auf unsere pünktliche Heimkehr warten würde. Wir sind ja schon ziemlich lange in den älteren Jahrgängen zugange. Und da spielte es bei unseren zurückliegenden Wanderungen keine Rolle, ob wir eine Woche früher oder später nach Hause kämen. So auch bei unserer Wanderung über den Schwarzwald.

      Welche Tagesstrecken man sich zutrauen kann, ob man Ruhetage einplant, wie sich die „Quartierlage“ darstellt oder ob man noch speziellen Interessen nachgehen will, muss jeder für sich entscheiden. Wir machten beispielsweise schon bei der ersten Etappe einen größeren „Schlenker“, weil wir der sehr berührenden Geschichte eines Volksliedes nachgehen wollten. Darüber wird noch zu berichten sein.

      Was den Westweg anbetrifft, so entsprachen die tatsächlich gewanderten Etappen denen unserer Planung. Auf dem Ostweg wichen wir an einigen Stellen davon ab. Übrigens planten wir unsere Tour im Wesentlichen mit Hilfe des Wanderführers aus der Reihe „ROTHER WANDERFÜHRER“ (Fernwanderwege Schwarzwald. Bergverlag Rother). Sehr informativ und praktisch in der Handhabung! Deshalb nutzten wir ihn auch für die tägliche Orientierung „auf der Strecke“. Wer es allerdings etwas genauer im Hinblick auf die Orientierung im weiteren Umfeld der Fernwanderwege haben will, der sollte zusätzliches Karten wie zum Beispiel die bewährten KOMPASS-Wanderkarten nutzen.

      Von der Poesie der Adressen

      Adressen verraten immer – mehr oder weniger – etwas über den Ort, den sie benennen. Deine Heimatadresse sagt eine Kleinigkeit darüber aus, wo du lebst. Wenn ich einen Briefumschlag adressiere, überlege ich mir manchmal, warum der Empfänger gerade in dieser Stadt oder in jener Straße mit diesem oder jenem Namen wohnt. Da muss es doch einen Zusammenhang geben! Wenn nicht, so ist das Nachdenken darüber doch auf jeden Fall phantasieanregend und damit nützlich.

      In meiner Jugend wohnte unsere Familie einige Jahre in der Berliner Bornholmer Straße. Das ist die Straße, deren Endpunkt einmal nicht nur Endpunkt dieser Straße war, sondern auch zum Endpunkt der Geschichte eines deutschen Staates wurde. Die Bilder über das Geschehen auf der Bornholmer Brücke in den nun schon fernen Novembertagen 1989 gingen um die Welt und fanden Aufnahme in den Bildbänden der Geschichte. Lange davor in meinen jüngeren Jahren überlegte ich damals manchmal, wo denn die Insel Bornholm liegen würde, die der Straße den Namen geliehen hatte. Ich sann darüber nach, wie es auf ihr wohl aussehen möge. Eine unbestimmte Sehnsucht hatte mich erfasst. Sie verstärkte sich, als ich den Roman „Pelle der Eroberer“ gelesen hatte. Meine Sehnsucht sollte sich erst Jahrzehnte später erfüllen. Ein „Bornholmer Wandertagebuch“ erzählt darüber.

      In dem Tagebuch hielt ich fest, wie ich Martin Andersen Nexö, dem Autor des Pelle-Romans, näher kam. Vor allem aber schilderte ich unsere Wanderung auf dem „Kyststi“, dem alten Küstenweg. Rund um die Insel liefen wir diesen ehemaligen Weg der Bornholmer Fischer und Lotsen. Der meerumschlungene Hammeren auf der nördlichsten Spitze der Insel ist wohl der seltsamste Berg, auf dem wir je herumkraxelten.