Susanne Zeitz

Leas Steine


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ein Glas aus der Küche mit.« Sunny nimmt Anlauf und springt neben Marianne auf die Bank und lässt sich zufrieden auf einem Kissen neben Manu nieder. Klara setzt sich neben Marianne und schenkt sich ein Glas Rotwein ein.

      »Es tut mir leid, dass ich so ärgerlich reagiert habe.«

      »Das ist eine ganz normale Reaktion. Es macht erst einmal Angst, wieder in die normale Welt zurückzukehren. Doch ich finde, dass du sehr gestärkt und erholt nachhause gehst und du hast hier gelernt, wie du mit der aufkommenden Angst umzugehen hast. Aber du solltest das, was du dir hier in den letzten Wochen angeeignet hast, natürlich auch daheim anwenden. Viele kehren aus der Klinik zurück und fallen sofort wieder in ihre alten Muster und Lebensweisen, dann ist der Rückfall vorprogrammiert.«

      Klara nickt. »Aber ich habe Angst, dass die Panikattacken und die gedrückten Stimmungen wiederkommen!« »Denk dran, die Angst und eine negative Einstellung ziehen Angst und Probleme an. Du bestimmst, wie positiv oder wie negativ dein Leben weitergeht. Du bist die Gestalterin, nicht die anderen. Denke auch noch einmal über das Vergeben nach. Mit Groll und Hass im Herzen kann keine Heilung stattfinden. Übrigens findest du dazu gute Literatur in der Buchhandlung. Ich kann dir dazu auch ein Buch ausleihen, wenn du magst.« Doch Klara geht auf den Vorschlag nicht weiter ein.

      Die beiden Frauen sitzen noch lange in der lauschigen Lounge und genießen die warme Sommernacht. Die einzige Lichtquelle auf der Terrasse entspringt aus den vielen Kerzen, die Marianne aufgestellt und angezündet hat. Der See wird von einem hellen Mondlicht beleuchtet, das eine silberne Spur auf seine ruhige Oberfläche zeichnet. Immer wieder schwirren Fledermäuse knapp über ihren Köpfen und drehen gekonnt ihre kurvenreichen Flüge.

      Die verbleibende Zeit vergeht für Klara wie im Fluge. Die Hitze hält weiterhin an, so dass sie ihre Tage mit Baden, Malen und Spazierengehen ausfüllt.

      »Wann wollte Margo kommen?«, fragt Marianne Klara, die träge in der Hängematte liegt und den Schatten genießt, den ihr das Blätterdach des großen Apfelbaumes spendet. Diese streckt ihren Arm aus, um nach dem Wasserglas zu hangeln, das auf einem kleinen Holztisch steht und verliert dabei beinahe das Gleichgewicht. Marianne greift helfend ein, indem sie die schaukelnde Hängematte festhält.

      »Jetzt wäre ich fast aus der Matte gekippt«, meint Klara lachend und nimmt genüsslich einen großen Schluck aus ihrem Glas.

      »Sie hat gesagt, wenn es keinen Stau gibt, dann ist sie am späten Nachmittag hier.«

      Am Abend sitzen die Freundinnen auf der Terrasse. Klara hat einen griechischen Salat zubereitet, dazu gibt es warmes Baguette, Käse und einen halbtrockenen, italienischen Rotwein, den Margo mitgebracht hat. Marianne hat ein köstliches Tiramisu beigesteuert.

      »Es ist schön, wieder hier bei euch zu sein und dazu das fantastische Essen.« Margo seufzt genüsslich und lehnt sich in die Polster zurück. »Jetzt bin ich so was von satt«, stellt sie zufrieden fest.

      »Ich auch«, erwidert Klara. »Kommt, lasst uns auf meine schöne und erfüllte Zeit und auf meinen letzten Abend hier anstoßen. Vielen Dank Marianne! Für alles, was du für mich getan hast.«

      Sie lassen die Gläser aneinander klingen und Klara umarmt Marianne mit Tränen in den Augen.

      »Auch ich möchte mich bei dir für dein Vertrauen und deine Mitarbeit bedanken. Es war für mich ebenfalls eine sehr tiefe und schöne Zeit. Und jetzt bin ich froh, wenn ich ab morgen endlich wieder meine Ruhe habe«, betont sie lachend. Alle drei heben noch einmal ihre Gläser und prosten sich zu.

      »Trinken wir auf ein glückliches Wiedersehen«, sagt Margo.

      Langsam arbeitet sich Klara wieder ein. Sie besucht einige Künstler, wählt Bilder und Objekte aus und stellt Ausstellungen zusammen. Sie achtet auf sich, schaut auf ihre Ernährung und versucht Stress zu vermeiden, aber von einer versöhnlichen Stimmung ist sie noch weit entfernt. »Wir sollten jetzt endlich Mamas Wohnung ausräumen, dass wir sie bald zum Verkauf anbieten können. Ich könnte das Geld gut gebrauchen. Bist du wieder fit genug?« Andreas sitzt bei Klara im Wohnzimmer.

      »Ja, wir müssen endlich damit anfangen«, murmelt Klara kleinlaut. Am liebsten würde sie sich davor drücken. Sie hat Angst vor den Gefühlen, die aufsteigen, wenn sie sich in der Wohnung ihrer Mutter befinden und ihre Sachen aussortieren. Die Gespenster der Kindheit!

      Sie reservieren sich dafür das kommende Wochenende. Klara freut sich über Andreas’ Engagement, aber sie weiß auch, dass es ihm vor allem um sein Erbe geht. Die Möbel und anderes sperriges Gut lassen sie von einer Entrümpelungsfirma abtransportieren, um die kleinen Dinge müssen sie sich wohl oder übel selbst kümmern und das heißt, sich noch einmal mit Erinnerungen und aufsteigenden Gefühlen auseinanderzusetzen.

      Den Kleiderschrank ihrer Mutter zu leeren, kostet Klara die größte Überwindung, denn seit sie denken kann, war der Schrank ihrer Mutter verschlossen, für die Kinder ein absolutes Tabu! Sie erinnert sich, wie gerne sie nur ein einziges Mal in den Schrank geschaut, an den Kleidern ihrer Mutter den leichten Parfumgeruch geschnuppert hätte, um wenigstens auf diese Weise eine Nähe zu ihr herstellen zu können. Doch der Schlüssel wurde sicher im verschlossenen Schreibtisch ihrer Mutter verwahrt. Zögernd, als täte sie etwas Verbotenes, öffnet sie den Schrank.

      Teure Designer Kleider, Abendroben, teilweise noch mit Preisschildern versehen, hängen wohlgeordnet in Plastikhüllen auf den Bügeln. Im unteren Teil des Schrankes stehen die passenden Schuhe und Handtaschen. Klara holt tief Luft.

      »Andreas komm einmal ins Schlafzimmer! Schnell!«

      Sie kann nicht fassen, was sie da sieht. Der teure Traum ihrer Mutter! Seit sie sich erinnern kann, hatten sie nie genügend Geld. Der Vater habe kaum Unterhalt bezahlt, klagte ihre Mutter ständig. Wenn andere Kinder auf Klassenfahrten gingen, mussten Andreas und sie zu Hause bleiben, da nicht genügend Geld vorhanden war.

      Andreas fehlen die Worte.

      »Das kann doch nicht wahr sein! Für uns hat es kaum gelangt und hier hängen diese teuren Fummel, die sie noch nicht einmal getragen hat!« Andreas reißt die Kleider ärgerlich von den Bügeln. Schweigend füllen sie die Kleidersäcke. Jeder hängt seinen eigenen düsteren Gedanken nach.

      Klara nimmt sich nun noch den Schreibtisch vor, dann ist die Wohnung endlich leer. Sie findet jede Menge alte Rechnungen und Prospekte, die sie sofort in den Papiersack steckt. Plötzlich hält sie in ihrer Bewegung inne. Ein adressiertes Briefkuvert weckt ihr Interesse. Klaus Winter liest sie. Ihre Mutter hat an ihren Vater geschrieben! Klara dreht das Kuvert um. Es ist zugeklebt. Mit zitternden Händen lässt sie den Brief in ihrer Tasche verschwinden. Jetzt im Moment möchte sie ihn Andreas nicht zeigen.

      »So fertig!« Andreas kommt ins Zimmer. »Wie weit bist du?«

      »Ich bin auch fertig.« Müde steht sie auf. »Morgen kann die Putzfrau kommen und übermorgen geht der Schlüssel an den Makler.«

      Aufatmend verlassen sie die nun leere Wohnung. Jetzt ist die Kindheit endlich abgeschlossen, denkt Klara erleichtert. Trotzdem fühlt sie eine eigentümliche Leere in sich aufsteigen und ist froh, dass sie sich in Margos gemütlichem Haus zum Essen verabredet haben und dass dort ihre kleine Sunny auf sie wartet.

      Margo und Sunny erwarten sie schon im Garten.

      »Ach, tut das gut, euch beide zu sehen!« Sie nimmt ihre Freundin in den Arm und streichelt einer freudigen Sunny über den Kopf.

      »War es so schlimm?«

      »Viel schlimmer!« Klara lässt sich schwer in einen Korbstuhl fallen.

      »Was war denn? Gibt es mit der Wohnung Probleme?« Margo schenkt ihr einen Tee ein und fordert sie auf, sich ein Brot zu nehmen. Klara nimmt erst einmal einen Schluck Tee, dann erzählt sie Margo von ihrem Fund im Kleiderschrank und von dem Brief.

      »Das ist heftig! Was sagt Andreas dazu?«

      »Der ist immer noch stinksauer. Den Brief habe ich ihm gar nicht gezeigt.«

      Die beiden