Peter Rosegger

Jakob der Letzte


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dem Hause, am Holzschoppen-Kobel, stand mit versilbertem Halsbande geschmückt, der große schwarze Kettenhund. Er riß nicht an seiner Kette, er keifte und bellte nicht aufgeregt, wie die kleinen Kläffer, die an anderen Häusern hingen, er rasselte nur ein wenig und ließ in gemessenen Zwischenpausen ein würdiges Knurren hören.

      Die Männer traten nun in das Haus und ohne viel Umstände in die große Stube. Da war niemand. Sie setzten sich an die Wandbank und der Sepp und der Rodel stopften ihre Pfeifen an. Der Jakob rauchte nicht, er schaute für sich in der Stube umher und dachte: Schöner, als die meinige, ist sie nicht. Aber größer ist sie. Tische stehen hier zwei, weil einer für die vielen Leute zu klein wäre. An der Stubenecke sind die Heiligenbilder nicht anders, wie bei mir. An der Wand bei den Tischen in Lederheftlein herum stecken die Löffel nicht anders, wie bei mir. Nur ihrer viel mehr. Sechsundzwanzig Löffel, und große! Das braucht was, jeden Tag in so einem Haus! Sechsundzwanzig Löffel! und was sie erst mit der Gabel essen! Und mit den Fingern! Und was sie trinken! Schlecht, hört man, wird nicht gelebt beim Guldeisner. Er selber versteht’s und seinen Leuten gunnt er auch was. Soll unter seinem jungen Gesinde ja viele nahe Verwandte haben, der Guldeisner. – Na, ist recht.

      So waren sie da und dachten ihr Teil und warteten in der geräumigen Stube. Alle Fenster waren geschlossen, und daß die Luft in solchem Raume etwas mürfelt, das bemerkt ein Bauer nicht. Die alte langweilig tickende Wanduhr hinter dem massigen Kachelofen zeigte schon die siebente Abendstunde. Von den gegenüberliegenden Waldbergen leuchtete das Sonnengold noch so hell zurück und zu den Fenstern herein, daß in der Stube eine grünliche Dämmerung war.

      Jetzt kam von der Küche herein eine runde Magd mit feingeflochtenen Haarzöpfen, freundlichen Augen und frischer Gesichtsfarbe. Sie bedeutete den Männern, wenn sie etwa bei dem Guldeisner was zu schaffen hätten, so sollten sie so gut sein und ein klein wenig warten, dann möchten sie ins Stübel kommen. Er sei just aufgestanden.

      Als die Magd hernach wieder zu ihrem prasselnden Herdfeuer hinausgegangen war, schmunzelte der Sepp, und sein Schmunzeln sagte mehr als sein Wort: „Das ist sie gewesen.“

      „Schau einmal zum Fenster hinaus“, sagte der Rodel und tastete in die Luft hinein, „dort beim Brunnen steht auch eine!“

      „Richtig!“ sprach der Sepp, „eine säuberer, wie die andere. Diese schwarzen Augen! Die sind schwärzer wie der Teufel!“

      „Und leicht auch gefährlicher!“ meinte der Rodel.

      „Und im Garten dort steht auch noch was!“ sagte der Sepp.

      „Meiner Seel’!“ rief der Rodel, „das ist erst die Schönste! Salat begießen tut sie. Herrschaft, bei der ihrem Begießen muß es gut wachsen sein!“

      „Ihre Kittel tragen da heroben die Weibsbilder nicht allzu lang. “

      „Macht aber nichts, haben keine zerrissenen Strümpfe an.“

      „Haben halt gar keine an.“

      „Der Guldeisner hat’s gern so, essen mögen seine Weiberleut’, so viel sie wollen, aber mit dem Gewand sollen sie sparsam sein, wird er halt meinen.“

      „Tut’s eh leicht, wenn’s schön warm ist.“

      So tratschten sie, auch Männer können es, wenn sie Langweile haben. Der Guldeisner war unverheiratet, wußte die fleißigsten und frischesten Dienstboten in seinem Hof zu versammeln, und so ging die Arbeit allzeit munter von statten.

      „Das ist halt das Schlimme!“ sagte nun der Jakob mit einem schwermütigen Atemzug.

      „Was meinst, Nachbar“, fragte der Rodel, „der Sparsamkeit mit dem Gewand wegen?“

      „Wenn er Kinder tät’ haben, der Guldeisner, rechtmäßige Kinder, er wäre festgenagelt an sein Haus und Grund.“ So der Jakob.

      Dann kam die Magd wieder: Jetzt könnten sie schon ins Stübel gehen.

      „In Gottesnamen!“ sagte der Rodel und zwinkerte mit dem einen Auge, das er hatte, „packen wir ihn an.“

      Und sie gingen in das Nebenstübel, das voller Sonnenlicht war, weil das große blanke Fenster gegen Sonnenuntergang hin stand. Und wie vornehm eingerichtet! Am Fenster rosenrote Vorhänge, die an einem Eisenspänglein zum Verschieben waren. An den Wänden, über alten kunstvoll geschnitzten Schränken, Porzellankrüge und Teller, gegenüber der Tür ein Spiegel übergeneigt an der Wand hängend, so daß die Eintretenden darinnen ihre eigenen Füße wie über einen schiefen Fußboden herabsteigen sahen. Ferner an der Wand ein paar vielgabelige Hirschgeweihe, ein Schießgewehr und ein Weidmesser. Auf Bett und Stühlen war die grauenhafteste Unordnung, und der Guldeisner saß in Hemd und Unterhose an dem unbedeckten braunen Tischchen und schlürfte just seinen Morgenkaffee, wobei er das Gesicht in die Schale steckte, so daß die Eintretenden von seinem Kopfe nichts sahen als den schwarzen wirren Haarwust.

      „Geht’s nur her, Nachbarn!“ rief er mit schnarrender Stimme noch zuhalb in das Kaffeegefäß hinein. Als er dieses endlich pfusternd auf den Tisch gestellt hatte, sah man den Altenmooser Großbauer von Angesicht zu Angesicht. Auf breiten Achseln saß kurz- und dickhalsig ein runder Kopf. Üppiges verfilztes Haar, kleines Gesicht mit stark vorstehenden Wangen- und Backenknochen, buschige Augenbrauen, große schwarze und unruhige Augen, plumpe Stumpfnase, an der sich die Nüsternflügel weit aufzogen, wenn er in Erregung kam. Das einzige, was an dem Manne wohlgepflegt war, mußte wohl der Schnurrbart sein; der war so kohlrabenschwarz, daß man ihn für gefärbt hätte halten können, war so dicht und kurzgeschnitten und mit dem Schermesser scharf abgegrenzt, daß es aussah, als hätte der Guldeisner zwischen Mund und Nase ein wulstiges Filzlein geklebt. Alles übrige war sorgfältig rasiert, was an der sonst ungefügen und verwahrlosten Gestalt das einzige Anzeichen gab, daß der Mann kein gewöhnlicher Waldbär sei. Er war in der Tat ein ungewöhnlicher.

      „Geht’s her, geht’s her!“ schnarrte er mit seiner breiten, fast schmetternden Stimme; man merkte gleich, der Mann war gewohnt, scharf in die Welt hinein zu reden, ohne die Worte viel zu mustern.

      „Man kennt sich frei nicht aus“, bemerkte der Sepp in der Grub, „stehst erst auf, Nachbar, oder gehst schon schlafen.“

      Er stand freilich erst auf, und ein Guldeisner kann die Tageszeiten umkehren wie er will, darüber hat er niemandem Rechenschaft abzugeben. Er überhörte also die Bemerkung. Sie sollten die Hosen, Leibeln und Pfaiden von den Stühlen werfen und sich selber draufsetzen, war sein Rat, den die drei Männer sofort auch befolgten. Hierauf griff er, ohne sich von seinem Sitze zu heben, mit einer langen Hand ins Wandkastel, nahm einen Tonplutzer hervor, schenkte daraus drei Stengelgläschen voll und rief: „Mögt’s ein’ Schnaps?“

      „Du kannst dir’s halt anschicken, da heroben“, sagte nun der Rodel einlenkend, nachdem er ein paarmal mit der Hand in die Luft gefahren war, als wollte er Fliegen fangen, „du laßt dir nichts abgehen auf deinem Berg, und recht hast. Ich tät’s auch an deiner Stell’, gunn’ dir’s. Du kannst besser leben, als wie etwan so ein Kampelherr, der im Land umfährt, um sein Geld loszukriegen, sich damit wohl Bauernhäuser kaufen kann, aber nicht das Ansehen und die Altgesessenheit vom Guldeisnerhof!“

      „Hei, der Kampelherr!“ schmetterte der Guldeisner lachend hervor.

      Der Sepp blies von seiner Pfeife rasch nacheinander Rauch aus. „Die neueste Lug’“, sagte er dann und paffte wieder, „die neueste Lug’, die in Altenmoos umgeht, hast sie schon gehört, Nachbar? Wird dir Spaß machen.“

      „He, Lug’? So!“ schnarrte der Großbauer.

      „Ja, ja! Sie sagen, der Guldeisner wollt’ sein Haus verkaufen, sagen sie.“

      „Sagen sie das?“ lachte der Guldeisner laut.

      „Es wird nicht wahr sein“, sprach nun der Jakob.

      „Warum soll’s nicht wahr sein?“ schnauzte ihn der Großbauer an. „Morgen laß ich einspannen und fahr’ nach Sandeben zum Kampelherrn. Ein Narr müßt’ einer sein!“

      „Nachfahren?“ sagte der Sepp, „nachfahren