oder später die Aufmerksamkeit verschaffen, derer sie jetzt schon so dringend bedürfte.
Ich habe mein Leben meinem Herzensanliegen gewidmet, wirklich nachhaltig zu werden. Als ich acht Jahre alt war, fasste ich den Entschluss, dass ich unserer Umwelt, Menschen und Tieren durch meine Handlungen kein Leid zufügen möchte. Erst viel später habe ich gelernt, dass man diese Lebensweise als nachhaltig bezeichnet. Drei Studienabschlüsse, ein ökosoziales Unternehmen und ganze 25 Jahre später muss ich mir aber eingestehen, dass ich kläglich gescheitert bin. Nachhaltigkeit ist ein unvorstellbar komplexes Konstrukt mit unzähligen Implikationen in allen Lebensbereichen. Es ist allumfassend und daher nahezu un(be)greifbar. Auf meinem Weg fand ich zwar viele Antworten, aber noch wesentlich mehr offene Fragen. Aufgegeben habe ich trotzdem nicht, sondern vielmehr meine eigene Nachhaltigkeit gefunden. Ich bin davon überzeugt, dass die mangelnde Definition von Nachhaltigkeit und die zu geringe sachliche Aufklärung bestehende Vorurteile vervielfachen und bereits erkennbare destruktive Dynamiken verstärken, die uns als Gesellschaft in Bezug auf dieses Thema immer mehr spalten. Doch Nachhaltigkeit darf nicht das Ziel einiger weniger bleiben, sondern muss schnellstmöglich Einzug in unser aller Leben finden.
Auch ich habe die eine Lösung nicht gefunden, die unsere Welt retten kann. Dieses Buch ist weder ein weiterer Ratgeber, mit den besten und schnellsten Tricks zu einem nachhaltigeren Leben, noch eine Feel-Good-Theorie, die nur überspielt, wie dramatisch die Situation tatsächlich ist. Ich habe sehr lange nachgedacht, wie ich euch, liebe Leser*innen, dieses für mich so wichtige Thema „Nachhaltigkeit“ näherbringen kann. Und ich habe mich dafür entschieden, so ehrlich und offen wie möglich meine ganz persönliche Geschichte zu erzählen. Es ist die Geschichte vom Bestreben, wirklich nachhaltig zu werden, auch die Geschichte des konstanten Scheiterns, und ich erzähle euch, warum ich trotzdem nie aufgegeben habe. Ich habe die große Hoffnung, dass dieses Buch – egal aus welchem Grund du dich dafür entschieden hast – zu einem gemeinsamen Verständnis der Bedeutung von Nachhaltigkeit beitragen kann und aufzeigt, weshalb wir sie so dringend brauchen.
Nachhaltigkeit – die Anfänge
Wie Schweinchen Babe mich zur Vegetarierin machte
Weihnachten 1995 – damals war ich acht Jahre alt – wurde im Fernsehen zum ersten Mal der entzückende Film Ein Schweinchen namens Babe ausgestrahlt. Darin begleitet man das Schweinchen Babe, das dem Maskottchen einer bekannten österreichischen Biomarke ähnelt, durch ein ungewöhnliches Leben auf seinem Weg zum Hirtenschwein. Das einsame kleine Ferkel wird am Hof des Schafzüchters Hoggett von einer Border-Collie-Hündin aufgenommen. Schnell merkt das Ferkel, dass alle Tiere am Hof einen Zweck erfüllen. Der Gockelhahn weckt frühmorgens den Hof, die Kuh gibt Milch, die Hühner legen Eier, die Schafe geben Wolle und die Hunde hüten die Schafe. Da muss Babe realisieren, dass der einzige Zweck eines Schweins darin besteht, möglichst schnell groß und fett zu werden, um irgendwann als köstlicher Sonntagsbraten auf den Tellern der Menschen zu enden. Um dieses Schicksal nun abzuwenden, versucht sich Babe mit Hingabe und herzzerreißenden emotionalen Momenten erfolgreich als Hirtenschwein. So schafft es Babe, sich in der Nahrungskette nach oben, in die Position der Hunde, vorzuarbeiten, also jener Tiere, die am Hof nicht gegessen werden.
Durch diesen Film wurde mir zum ersten Mal so richtig bewusst, dass mein Schnitzel und mein Schinken den Tod eines fühlenden Lebewesens bedeuten. Dass wir Menschen Tiere als Nutz- oder Haustiere kategorisieren. Dass wir die einen schlachten und die anderen bei uns im Bett schlafen dürfen. Die Geschichte vom Schweinchen Babe berührte mich im Innersten und ich beschloss noch während des Filmabspanns, Vegetarierin zu werden. Aber ich war umgeben von begnadeten Köchinnen traditioneller Hausmannskost – die gefüllte Kalbsbrust meiner Großmutter zu Weihnachten war das kulinarische Highlight des Jahres. Mein achtjähriges Ich konnte dieser Versuchung nicht widerstehen und so hielt mein neuer Vorsatz genau zwei Tage lang. Trotzdem war ab diesem Moment ein Zwiespalt in mir geboren. Fleisch zu essen gehörte zum selbstverständlichen Alltag in meiner Familie und war mit vielen positiven Gefühlen und Genüssen besetzt, zugleich begriff ich, was es bedeutet, Fleisch zu essen. Es folgten unzählige gescheiterte Versuche, darauf zu verzichten. Und es sollte noch ganze sieben Jahre dauern, bis ich tatsächlich Vegetarierin wurde.
Ich erinnere mich an einen Kirtag mit meinem Bruder Andreas. Ein heißer Sommertag. Wir wollten uns ein Grillhuhn teilen. Grillhuhn war für uns etwas ganz Besonders. Unsere Großmutter hat es immer zu speziellen Anlässen für uns zubereitet. Schon immer zuckte ich innerlich zusammen, wenn die Geflügelschere durch die Knochen brach – ein fürchterliches Geräusch. Auch aß ich immer nur das schön abgetrennte Brustfleisch und wollte nie, wie alle anderen in meiner Familie, die Flügel abnagen. Bloß nicht zu nahe am Tier dran sein! Auf diesem Kirtag war unglaublich viel Trubel. Der Verkäufer zog das Grillhuhn vom Spieß und setzte die Geflügelschere an, doch es war anscheinend noch nicht lange genug am Grill. Als er es aufschnitt, war das Innere noch voll Blut. Mein Grillhuhn war noch deutlich erkennbar ein totes Tier und noch kein schmackhaftes Stück Fleisch. In diesem Moment fiel in meinem Kopf endgültig ein Schalter und plötzlich war ich Vegetarierin. Bis heute weiß ich, dass tote Tiere köstlich schmecken – vor allem, wenn ich gebratenen Speck rieche –, aber meine klare Entscheidung fühlte sich trotzdem nie wieder nach Verzicht an. Nicht einmal die legendäre gefüllte Kalbsbrust meiner Großmutter konnte mich jemals wieder in Versuchung führen.
Wenn das fair ist, was ist dann mit all den anderen?
Ungefähr zu der Zeit von Babe begann meine Mutter, die ersten Bio- und Fairtrade-Produkte zu kaufen. Sie meint, dass dies damals möglich wurde, weil es zum ersten Mal Bioprodukte von einer Handelskette im normalen Supermarktsortiment gab. Ich erinnere mich, dass es zu Beginn vor allem Milchprodukte und Kaffee waren. Meine Mutter erklärte mir voll Freude, dass dieser Kaffee fair gehandelt werde und die Bauern und Bäuerinnen einen guten Preis für die Bohnen erhielten. Und die Kühe der Bio-Milchprodukte wären glückliche Kühe. In mir löste die Existenz dieser Produkte aber vor allem eine Frage aus: Wenn dieser Kaffee fair ist, was ist dann mit all dem anderen Kaffee? Wenn die Kuh dieser Milch glücklich ist, was ist dann mit all den anderen Kühen? Erst durch das Entstehen biologischer und fair gehandelter Produkte entwickelte sich in mir der Gedanke, dass es anscheinend Kühe gibt, die nicht glücklich sind, und Kaffee, der nicht fair ist.
Die Gartenrebellin und das Waldsterben
Aufwachsen durfte ich in einem Haus mit einem wunderschönen großen Garten. Als ich noch klein war, war der Garten bis ins letzte Eck sauber und penibel gepflegt, so „wie es sich halt gehört“ am Land. Löwenzahn, der es wagte, zwischen den Terrassenfliesen hervorzuschauen, wurde als Unkraut sofort ausgerissen. Der Rasen war immer ordentlich und stets frisch gemäht. Pflanzen wurden danach ausgesucht, ob sie schön aussehen und lange blühen. Mit ihrem ordentlichen Garten und den hübschen Blumenkisterln hat meine Mutter sogar Preise für den schönsten Balkon gewonnen.
Doch irgendwann hat sie dann im Fernsehen eine Dokumentation über Werner Lampert gesehen – ein Bio-Pionier Österreichs und Mitbegründer mehrere Bioproduktlinien. Sie war begeistert und bewegt von seiner Ansicht, die Umwelt als ein schützenswertes Gut, als Heimat abertausender Lebewesen zu betrachten. Meine Mutter hat sehr früh damit begonnen, sich im Internet über alternative Ansätze der Gartenpflege einzulesen. Mühsam suchte sie nach Artikeln und Videos mit Informationen, wie sie dazu beitragen könnte, dass es der Umwelt gut geht, und beschäftige sich eingehend mit naturnahen Gärten. So blieb dann allmählich kein Stein auf dem anderen: Schnell wurde aus dem ordentlichen, sauberen Garten wilde Natur. Der ehemals sorgfältige Rasen wurde zur wilden Wiese. Jeglicher chemische Dünger und Pestizide wurden aus dem Garten verbannt. Pflanzen, die nur schön waren, aber Bienen und Schmetterlingen keinen Nutzen brachten, wurden durch Bienenweiden ersetzt. Sogar