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Geheimakte Luther


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sie ihre Meinung dabei kundtat. Sie hat von Aristokratie und Theologie keine Ahnung und mischt sich doch in alles ein.

      „Warum wählt Ihr nicht das Haupttor, um aus der Stadt zu fahren?“, fragte ich, als sie umständlich durch die engen Gassen kutschierte, um zum Nordtor zu gelangen.

      „Ich kann nicht das Haupttor wählen, da dort die Tage die Altgläubigen Wache halten.“

      „Was fürchtet Ihr denn die Altgläubigen?“, rief ich ihr zu.

      „Diese würden mir nachsetzen und zu verhindern wissen, dass ich wieder nach Wittenberg kommen kann.“

      Ich nickte unbemerkt, denn das wäre gewiss auch in meinem Sinn so gewesen. Das kleine Tor wurde uns schon geöffnet, als wir in dessen Nähe kamen. Katharina gab den Pferden die Peitsche, und der Wagen rumpelte in voller Fahrt durch das Tor und über die Brücke.

      „Haltet das Kind fest“, mahnte sie mich, als ich mich mit einer Hand am Wagen festhalten wollte. Diese Frau hatte es eilig, und die ihr die Tore öffneten, mussten Handlanger Luthers sein.

      „Ich denke, Ihr habt diese Nacht ebenfalls nicht das Haupttor gewählt, sonst hättet Ihr von der Pest gewusst.“ Und ehe ich etwas erwidern konnte, redete sie weiter: „Einzig die Dirnen, die ihr Brot mit Huren verdienen, schmuggeln ihre Gäste unbemerkt in die Stadt. Und selbst wenn sie schon die Pest im Leib hätten, würden sie nicht auf den Taler verzichten!“

      Mir war der Schweiß ausgebrochen, aber ich konnte nicht den Mantel öffnen, da sich der kleine Hans wie eine Wolllaus an mir festhielt.

      „Wäre es nicht besser, wenn Euer Gemahl, der ja ein Mann Gottes sein will, nicht noch einem Weibe zur Last fiele und Kinder zeugen würde?“

      Da lachte Katharina: „Das hat er doch lange genug gemacht! Er war ja schon ein alter Mann, als er mich zur Frau nahm.“

      „Das nenne ich Lüsternheit.“

      Abermals lachte dieses Weib frech und antwortete: „Es gibt einen Unterschied zwischen Lüsternheit und Lust. Das eine dient dem Tod, das andere dem Leben. Als er Mönch war, legte er sich aus Lüsternheit zu den Weibern, wie es heute noch viele Mönche halten. Buße und Ablass konnten ihn reinwaschen. Aber wer kann denn vor Gott rein sein, wenn die Frauen und gezeugten Kinder allesamt in der Hölle zu schmoren haben? Nein, nein, Ihr müsst es von einer anderen Seite sehen. Selbst als Martinus den Weibern abschwor, plagten ihn seine Gelüste so über die Maßen, dass ihm ständig davon träumte. Wer so geplagt wird – wer kann da vor Gott bestehen? Ach, wenn Ihr wüsstet, welche Qualen er deshalb litt! Selbst jetzt, wo er in mir ein liebend Weib hat und wir die Kinder in Jesu Namen erziehen, denkt er, die Fleischeslust sei lauter Sünde. Dabei steht es doch in der Bibel ganz anders. Im Ehestand segnet Gott das Paar auf so natürliche und ergötzliche Weise, wie die Vögel und Fische ihre Nachkommenschaft sichern. Wer sollte darüber Gott nicht danken?“

      „Euer Martinus lobt die Ehe gleich einem Paradies und spricht von Euch als Eva. Trotzdem sagen die Leute, dass Euer Gatte die Ehe nicht als Sakrament gelten lässt und sogar einigen Paaren erlaubte, sich mit seinem Segen zu trennen. Wie erklärt Ihr das?“

      „Das versteht nur, wer den Geplagten richtig zuhören kann. Auch ich verstand es zuerst nicht, und deshalb kann ich es schlecht erklären.“

      „Ich will es ja nicht von Euch erklärt haben, sondern von Luther selbst.“

      „Dann, werter Herr, müsst ihr Ihn auch selbst fragen!“

      „Wenn er nun aber nicht da ist!“

      „Dann müsst Ihr Euch mit meiner Antwort zufriedengeben, wie ich auch in stetem Einvernehmen und auch im Streite alles mit meinem werten Martinus bespreche. Entweder Ihr seid mit meinem Gespräch, das ich bei dieser Kälte auf dem Kutschbock führen muss, zufrieden oder eben nicht!“

      Ich besänftigte sie und sagte, dass ich zufrieden sei.

      „Dann lasst es mich erklären, mit meinen Worten, denn Martinus und ich können uns gemeinsam auch allezeit einigen und so weiterbringen, wie es einer alleine nicht vermag. Aber ich muss zuerst überlegen. Und verlangt auch keine ewig gültige Antwort, denn auch Jesus herrschte nicht über die Menschen, sondern suchte mit ihnen einen Weg zum Heil.“

      Welche Frechheit dieses erstaunliche Weib an sich hatte! Als ob sie wüsste, wie Jesus war! Man sollte den Frauen das Lesen verbieten, damit sie sich nicht in Dinge einmischen, von denen sie nichts verstehen.

      Dann fuhr sie fort: „Was, sagte Jesus, sei das höchste Gebot?“

      „Gott den Herrn zu ehren.“

      „Ja, das gilt Gott gegenüber. Das höchste Gebot dem Menschen gegenüber ist jedoch die Liebe. Somit sollen ja auch die Ehe und die Liebe zusammengehören. Manchmal jedoch hat eine Ehe wenig mit Liebe zu tun. Ebenso legen sich manche Brautpaare vor Zeugen aufs Bett, und ihnen bleiben doch die Kinder oder die Herzenszuneigung versagt. Das ist dann wie in der Geschichte mit dem Esel, der in den Brunnen fiel, und die Jünger Jesu zogen ihn heraus, obwohl es Sabbat war. Die Schriftgelehrten sagten zu Recht, dass die Jünger deshalb bestraft werden sollten, denn das Gesetz verbietet die Arbeit am Sabbat. Doch was diente dem Leben? Die Einhaltung des heiligen Gesetzes oder die Rettung eines armen Esels? Jesus antwortete darauf, dass der Sabbat für den Menschen da sei und nicht der Mensch für den Sabbat. Also soll der Sabbat Mensch und Tier zugutekommen. Das hieße auch im Falle einer Ehe, dass die Ehe für den Menschen sei und nicht der Mensch für die Ehe. Also das Heilige ist für den Menschen, wir selber jedoch können keine Heiligkeit herbeiführen. Das Richtige zu tun und heilig zu sein bedeutet also, stets zu lieben und darin Gott zu ehren.“

      „Das sagt Luther?“, rief ich aus, „dass wir das Heilige tun können?“

      „Regt Euch nicht über meine Worte so auf! Mein Mann redet in theologischen Worten und im Disput. Wenn Ihr mir richtig zugehört und noch mehr verstanden hättet, was ich sagte, wüsstet Ihr es anders zu deuten. Ihr braucht nicht den Teufel an die Wand zu malen, bloß weil wir etwas anders deuten können als vor tausend Jahren! Aber da seid Ihr genauso wie mein Martinus. Sobald sich etwas ändert, ob das Bier anders gebraut wird oder Gottes Liebe sich nicht nur zur Weihnachtszeit, sondern täglich erweisen will – immer denkt er, die Teufel würden ihre Hände im Spiel haben und sich auf ihn stürzen.“

      „Die Teufel stürzen sich auf Martin Luther?“

      „Ich bitte Euch: Fangt nicht auch noch davon an!“, rief die Lutherin entsetzt.

      „So schlimm ist es?“

      „Eben nicht! Ihr Männer seht in allem die Teufel. Ich jedoch kann ihn nicht erkennen!“

      „Ihr glaubt also nicht an den Teufel?“, fragte ich nach.

      „Ich glaube an Christus, den Allmächtigen, der die Macht des Bösen längst bezwungen hat. Und ich sehe nur den Unsinn, der entsteht, wenn die Menschen meinen, die Teufel würden unter uns wohnen und ihr Unwesen treiben. Was habe ich denn davon, wenn Martinus meint, die Teufel würden sich in seiner Schreibstube sammeln? Wenn er das Tintenfass nach ihnen wirft, habe ich die Flecken wegzuwaschen! Wenn er des Nächtens von den Teufeln geplagt wird, muss ich ihn halten und trösten, und wir haben beide zu wenig Schlaf. Wenn er denkt, sie wohnen in Juden, Wiedertäufern oder gar dem Papst selbst – so verlieren wir doch die Menschen aus den Augen, für die Christus sein Leben gegeben hat. Will er nicht alle zu sich ziehen, an sein liebend Herz?“

      „So sehr wütet also der Teufel im Leben des Martinus?“, fragte ich erneut.

      „Ihr könnt nicht richtig zuhören“, beschwerte sich Katharina. „Jedenfalls nicht mir. Martinus denkt, es wären die Teufel. Ich weiß jedoch, dass es keine Teufel sind.“

      „Was ist es dann?“

      „Hirngespinste. Und daran gingen schon mehrere Tintenfässer zu Bruch. Tinte, teure, schöne Tinte, die die Ängste vertreiben soll. Schreiben soll er damit, das teure Wort Gottes schreiben, damit alle von der Hilfe Christi in Deutsch lesen können. Schreiben und nicht an die