des sinnlich Materiellen soll durch die Konstellationsbildung rückgängig gemacht werden. Die für den Konstellationsbegriff leitenden Topoi sind deshalb auch bezeichnend: ›Vorrang des Objekts‹ und ›materialistischer Erfahrungsbezug‹.
Der Konstellationsbegriff wird somit systematisch und begründungstheoretisch in die vorausgesetzte Dialektik von Subjekt und Objekt zurückgebunden, und zwar so, dass sie erkenntniskritisch die Präsupposition des erkennenden Subjekts zugunsten eines Widerspruchscharakters des Objekts zurücknimmt. Der Konstellationsbegriff ist fundiert in einer rein erkenntnistheoretischen Kritik, die weniger sprachtheoretischer denn bewusstseinstheoretischer Natur ist. Das Begriffstranszendierende, das Nichtidentische oder auch Begriffslose wird als ein eigentlich sprachlich Immanentes, dadurch nicht mehr ausreichend, reklamierbar. Der Konstellationsbegriff wird auf eine reine referentielle Bezugnahme auf ein Erkenntnisobjekt ausgerichtet. Dies heißt aber, dass das Phantasma einer Objektrepräsentation, auch wenn sie nur modellhaft sprachlich sich darstellt, weiterhin gewahrt bleibt; was im Kern einem Repräsentationsdenken folgt. Das Versprechen der Konstellationsbildung lautete: Indem sich das Objekt »einer monadologischen Insistenz« öffnet, besteht »die Möglichkeit zur Versenkung ins Innere«; die jedoch »bedarf des Äußeren«76, also dessen, was durch Begriffe von ihm getrennt wird. Trügerisch ist diese konstellativ verfahrende Objektöffnung allemal, denn sie verlangt ein »Kommunizieren mit dem, wovon der Begriff es trennte«77. Dabei soll doch die Konstellation den »Begriff umkreisen, den er [der theoretische Gedanke, T. J.] öffnen möchte«78. Wenn die Konstellationsbildung nicht an das Objekt adressiert ist, sondern – wie Adorno sagt – einzig »lesbar als Zeichen der Objektivität: des geistigen Gehalts«79, dann erlaubt sie, worin sich der geistige Gehalt von Begriffen austobt: die philosophische Darstellung dessen, was die fixierten Begriffe verflüssigt, worauf sie in ihrem sprachlichem Mehrgehalt anspielen, wenn sie aus ihrem klassifikatorischen Identitätszwang befreit sind.
Der Konstellationsbegriff bei Adorno wird ein anderer, wenn er die konfigurative Kraft entbindet, die den Begriffen innewohnt und die die Begriffe über sich ›hinausgelangen‹ lässt. Diese andere Bestimmung des Konstellationsbegriffs geht einher mit dem, was Adorno in Analogie zum musikalischen Komponieren angeführt hat: Es gewinnt seine Objektivität durch einen musikästhetischen Zusammenhang, in dem einzelne Töne zu einem Gesamtwerk werden. Man muss noch einmal zurückgehen auf das, was Adorno früh schon in seiner Studie zu Kierkegaard als den Grundgedanken der philosophischen Konstellationsbildung vorwegnahm: »Kunstwerke gehorchen nicht der Macht der Allgemeinheit von Ideen. Ihr Zentrum ist das Zeitliche und Besondere, auf welches hin sie als dessen Figur sich ausrichten: was sie mehr bedeuten, bedeuten sie einzig in der Figur«80. Konstellationsbildung muss man in diesem Sinne begreifen: als Figuration, die sich durch sprachkreatives Konfigurieren von Begriffstranszendenzen herausbildet.
Diese etwas andere Bestimmung des Konstellationsbegriffs bei Adorno kann man auch an seiner Adaption des Terminus Konstellation festmachen, wie er von Benjamin in Analogie zur Sternenkunde beschrieben wurde, derzufolge Sternenkonstellationen eine Figuration am Himmel bilden, die als Sternenbilder bezeichnet werden. Diese sind aber Gestaltungen, die mit der Materialität der Sterne und den Prozessen ihrer Kreisbahnen nicht zu identifizieren sind. Als Bilder stellen sie eine konfigurative Anordnung von Einzelsternen da, die niemals durch diese selber erzeugt werden können; erst ihre internen Verweisungsbezüge stiften jenes Sternenbild, das sich als Kompositionsbildung am Himmel sprachlich benennen lässt. Übertragen heißt dies: Konfigurationsbildungen sind herstellbar aus den gegenseitigen Verweisungen von begrifflichen Transzendierungen. Diese stammen aus den semantischen Feldern der einst designativ verwendeten Begriffe. Negativ formuliert lautet dies: Die Begriffe sind nicht mehr die, die sie denotativ bedeuten. Ihre semantischen Transzendierungen verhalten sich zu diesen wie das Andere ihrer selbst. Die Konfigurationsbildung ist dann das Auffinden und Anordnen ihrer internen semantischen Verweisungszusammenhänge, nachdem die Begriffe in ihrer Bedeutung transzendiert worden sind.
Vergleicht man die beiden Bestimmungen des Konstellationsbegriffs bei Adorno, so kann als Fazit gelten: Die erste Bestimmung ist die der konstellativen Anordnung, in der das Denken und die Objekterfahrung in der Art und Weise einer begrifflichen Konstellation ausgedrückt werden. In dieser Konstellation soll die »Spur der Bestimmtheit der Objekte an sich«81 ansichtig werden. Ihre Sachlichkeit bleibt durch das »Einzelmoment in seinem immanenten Zusammenhang mit anderen gewahr[t]«82. Die zweite Bestimmung ist die der begrifflichen Transzendenz, und zwar so: »daß der Begriff den Begriff, das Zurüstende und Abschneidende übersteigen und dadurch ans Begriffslose heranreichen könne«83. Konstellativ wird gebildet, was sich durch begriffliche Transzendierungen als kohärente Figurationen sprachlich-rhetorisch finden bzw. erzeugen lässt. Rhetorisch übersetzt bedeutet dies: ›Inventio‹, also Auffinden, und ›Dispositio‹, also Anordnung, sind gleichermaßen Akte der Konfigurationsbildung. Beide bilden kein Seiendes ab, sondern fügen dem »Rätsel des Seienden«84 eine weitere philosophische, textuelle Deutungsmöglichkeit zu.
Wie ist nun die Konfigurationsbildung im Einzelnen zu verstehen bzw. zu erklären? Zunächst ist der philosophische Begriff von seiner designativen Bezeichnungsfunktion zu lösen. Begriffstheoretisch wird nicht mehr nach dem referentiellen Bezug, sondern einzig nach der möglichen Veränderbarkeit des Verhältnisses von Begriff (zeichentheoretisch: der Signifikant) und seiner Bedeutung (zeichentheoretisch: das Signifikat) gefragt. Die semantische Transzendierung des Begriffs beruht allein darauf, den geläufigen, das heißt denotativen Verweisungszusammenhang zwischen dem Begriff und seiner Inhaltsbedeutung aufzubrechen. Ausgehend davon, dass der Begriff ›mehr‹ bedeutet als das, was für seine eindeutig denotative Bedeutung festgelegt ist, muss folglich nach seiner Mehrdeutigkeit gesucht werden. Die Brücke, um dieser Mehrdeutigkeit habhaft zu werden, besteht in der Möglichkeit, den Begriff ›wie eine Metapher für sein Anderes‹ anzusehen. Dieses Andere ist nach Aristoteles zunächst das Ergebnis einer reinen Übertragung eines Wortes von einer Sache auf eine andere bzw. die Ersetzung oder Substitution eines Wortes durch ein anderes Wort. Wenn man aber die Übertragung nicht nur als eine wörtliche Ersetzung ansieht, erhält die Metapher oder die Metaphorisierung einen alternativen Sinngehalt. Es steht dann nicht semantische Deckungsgleichheit zwischen Originalwort und Ersetzungswort im Vordergrund, also die reine semantische Analogisierung, sondern Übertragung im Sinne von sprachlichen Erweiterungsmöglichkeiten. So betrachtet hat die Metapher die sprachliche Funktion einer semantischen Ausweitung der zugrundeliegenden Lexeme. Auf diese Weise wird das Bedeutungsspektrum des Begriffs aufgefächert, und zwar so, dass ein ›Mehr‹ des ursprünglich denotativ festgelegten Begriffs zur Verfügung steht. Der Prozess der Metaphorisierung eines Begriffes inauguriert also ›neben‹ einer reinen Ersetzung von Begriff zu Begriff zugleich eine Veränderung der Bedeutungsinhalte der zugrundeliegenden Begriffe. Die Begriffe werden auf eine Polysemie ihrer Bedeutungen hin ›geöffnet‹, die die bisherigen Sinngehalte transzendiert.
Eine treffende Veranschaulichung für eine metaphorische Überschreitung findet sich bei Adorno selbst. In seinem Text Der Essay als Form heißt es bezüglich der Eigennatur des Essays: »Er verläßt die Heerstraße zu den Ursprüngen«85. Zunächst besteht auf lexikalischer Ebene kein identischer Bedeutungsgehalt. Erst die Metaphorisierung generiert eine wechselseitige Ähnlichkeitsübertragung, die in dem einfachen antonymen Verhältnis zwischen den Lexemen ›Heerstraße‹ und ›Ursprünge‹ so nicht angelegt ist. Nur die metaphorische Übertragung erlaubt eine semantisch aufschlussreiche Konnexion. Die stichwortartige Übersetzung dieser semantischen Konnexion lautet in etwa so: ›Heerstraße‹ ist ein Begriff des Militärs, er steht für ein gewaltsames Vorgehen, das keine Abwege, keine Verzweigungen kennt, sondern Ausdruck eines militär-strategischen Vorwärts-Denkens ist. Die Übertragung auf den Terminus ›Ursprung‹ verändert dessen denotativen Bedeutungsgehalt. Der Begriff ›Ursprung‹ bzw. seine Bedeutung der Ursprünglichkeit verliert seine Positivität; er wird zum Statthalter eines Denkens, das das Gegebene auf eine fixierbare Abkünftigkeit, auf eine genealogische Herkunft festlegt, die wie eine ›Heerstraße‹ jedes Andere, jedes Fremde ausmerzt. Auf diese Weise wird reines Ursprungsdenken semantisch mit der Gewalt militärischen Denkens parallelisiert: Der Weg zu den Ursprüngen gleicht der Kartographie militärischer Schneisen, die man ins Feindesland treibt. Nun kann man fragen, wie Adorno zu einer solchen Metaphorisierung kommt. Den Hintergrund bildet seine Kritik des Identitätsdenkens, denn jede Form des Ursprungsdenken