Alexander Frey

Italien - Gefangen in Land und Liebe


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ausbauen sollten. Fischer hatte die Gruppe neben mir, Brandner die nächste.

      Unser Italienisch wurde so von Tag zu Tag besser. Wir mussten uns mit den Leuten verständigen. Dadurch lernten wir natürlich auch die Sprache kennen. Ich hatte einen jungen Vorarbeiter eingeteilt, der etwas deutsch sprach, so hatte ich die Möglichkeit, noch besser zu lernen. Ihm gab ich auch ab und zu einen Brief an meine geliebte Familie in Mantua mit. Unter diesen Umständen konnte ich aber nicht mit einer Antwort rechnen, so gut mir auch versichert wurde, dass die Briefe ihren Adressaten erreicht hätten. Dennoch blieb ich in der ständigen Ungewissheit, ob sie meine Nachrichten tatsächlich erhalten würden.

      An der Front war es relativ ruhig. Die Kameraden in der ersten Linie hatten, außer einigen Spähtrupps, zum Glück nicht viel zu tun. Wir in der zweiten Linie dagegen bekamen ab und zu das Artilleriefeuer auf unsere Köpfe. Dann flogen uns die Jagdbomber an, sobald sie entdeckten, dass sich bei uns was bewegte.

      Die neuen Stellungen wurden gut getarnt. In der Hauptsache verwendeten wir Reisig und Erde.

      „Hoffentlich hält das später auch und wehe, sie laufen voll Wasser, dann war alles umsonst“, gab ich meinen Kameraden zu bedenken.

      Das Überfliegen durch die Jagdbomber wurde inzwischen zu einer alltäglichen Angelegenheit für uns. Trotzdem durfte man sich nicht zu sicher fühlen und musste immer damit rechnen, dass sie wieder umdrehten und einem ein paar Maschinengewehrsalven oder Kanoneneinschläge um die Ohren flogen. Eine in der Nähe liegende Flak-Stellung schoss eines Tages einen der englischen Bomber ab. Ich hatte zunächst angenommen, es handelte sich um eine Me (Messerschmidt) 109, doch als die Flak ihr Feuer eröffnete, war mir sofort bewusst, dass es eine Spitfire war, die da gefährlich tief angeflogen kam. Schon die ersten Salven der Vierlings-Flak trafen voll und die Maschine stürzte ab. Der Pilot, ein junger englischer Hauptmann, fing sie zwar noch kurz vor dem Aufschlag ab, aber die Maschine berührte den Boden hundert Meter rechts von mir entfernt, machte einen Satz und sprang über einen zehn Meter breiten Bach, der zur Zeit wenig Wasser führte. Auf der anderen Seite schlug die Maschine dann hart auf den Ackerboden.

      „Aus, der ist hin“, rief ich meinen Kameraden zu.

      Einige der Jungs sprangen sofort mit mir über einen Behelfssteg und rannten zu der Maschine, wo der englische Hauptmann mit dem Gesicht nach vorn auf den Instrumenten lag. Aus seiner aufgeschlagenen Nase quoll Blut.

      „Schnell, wir müssen ihn raus ziehen, bevor das Ding anfängt zu brennen“, rief Fischer.

      Da die Maschine mit den stark beschädigten Tragflächen auf der rechten Seite lag, konnten wir den Hauptmann zu dritt schnell herausziehen.

      Inzwischen waren einige Kameraden mit dem Fahrzeug herangekommen. Man hatte von mehreren Seiten den Engländer abstürzen sehen. Alle interessierten sich dafür.

      Also sofort ab in den Wagen und zum Truppenverbandsplatz.

      „Für den ist der Krieg aus“, sagte Brandner.

      „Mit der Maschine möchte ich auch mal fliegen, sicher so gut wie die Me 109“, sagte ich.

      „Ja“, sagte Brandner, „aber die ist hin, die reicht nur noch fürs Museum oder zum Verschrotten, die fliegt nicht mehr.“

      Einige Tage später ereilte einem Kanadier das gleiche Schicksal.

      Mit drei Maschinen griffen sie eine alte Steinbrücke an, um sie zu bombardieren. Sofort schoss die Flak mit ihren kleinen Geschützen zurück. Eine Maschine zog mit einer dunklen Rauchwolke in Richtung Front wieder ab. Eine andere stürzte aus geringer Höhe ab.

      Fischer und ich standen ungefähr 250 Meter von der Brücke entfernt. Wir hatten uns vorher in einem Schützenloch gesichert und den Vorgang genau beobachtet.

      „Mensch, spring raus, sonst ist es zu spät“, rief ich ohne zu überlegen, dass mich der Pilot überhaupt nicht hören konnte.

      Endlich, die Maschine legte sich auf die rechte Seite und schmierte ab. Der Pilot konnte sich im letzten Moment von ihr lösen. Auf den letzten Metern Höhe öffnete sich der Fallschirm, um dann einige Meter hinter uns nieder zu gehen, wo er sehr hart aufschlug.

      Der Kanadier blieb regungslos am Boden liegen.

      „Auf, den holen wir uns“, spornte ich Fischer an. Wir sprangen beiden dem Kanadier entgegen, der auf dem Bauch lag, als wolle er robben.

      Als wir sein Gesicht sahen, grinste er uns an und zog im gleichen Moment seinen Colt vom rechten Oberschenkel nach vorn, um auf uns zu schießen.

      „Vorsicht, der will schießen“, rief ein anderer Kamerad, der von hinten auf den Kanadier zulief. Daraufhin ließ der Kanadier die Waffe fallen.

      „Hände hoch“, forderte Fischer ihn auf.

      „Okay, Ihr habt mich. Aber in wenigen Tagen haben wir Euch.

      Dann ist der Krieg aus.“

      „Ganz schön frech, der Kerl“, staunte Fischer.

      „Na, wenn dem so ist, wie der Herr meint, dann werden sie sicher bald zur Großoffensive starten“, antwortete ich meinem Kameraden.

      Der Gefangene schlug sich lässig mit beiden Lederhandschuhen, die er in der Hand trug, auf die Oberschenkel. Der Mann war sehr groß und kräftig. Als er von uns in die Mitte genommen wurde, kamen wir uns zwei vor, als wären wir noch regelrechte Lausbuben.

      Da haben wir noch einmal Schwein gehabt, ging es mir durch den Kopf. Wir hatten unsere Maschinenpostolen auf dem Rücken getragen, weil wir angenommen hatten, dass der Pilot verletzt sei und sich nicht mehr erheben könne. Ein gefährlicher Irrtum, wie wir jetzt einsehen mussten, der uns beinahe das Leben gekostet hätte.

      Inzwischen war es April geworden. Das Wetter war schön. Nun konnten die „Schönwettersoldaten“, wie wir sie nannten, wieder starten.

      Es lag schon lange etwas in der Luft. Wie Recht der Kanadier hatte und wie gut sich unser Gespür entwickelt hatte, merkten wir einige Tage später.

      Mit einem mächtigen Kanonendonner begann gegen Abend das Konzert der Geschütze. Die ganze Erde schien zu beben und aus ihren Fugen zu geraten. Artillerie zog über die ganze Front, weit nach Osten auslagernd.

      „Mensch, die greifen an“, war von allen Seiten zu hören. Die Granaten schlugen, eine nach der anderen, in der nächsten Umgebung ein.

      „Schnell in die Unterkunft, das Nötigste zusammennehmen und einpacken“, war von irgendwo eine Kommandostimme zu hören. Das war mal etwas anderes. Sonst kamen sie immer morgens in aller Frühe. Diesmal hielt der Donner die ganze Nacht an.

      „Öfter mal was Neues“, ließ sich Brandner aus. „Ein bisschen Abwechslung nach der langen Ruhepause.“

      „Was ist bei der Kompanie los?“ fragte ich. „Weißt Du, was wir vorhaben?“

      „Keine Ahnung. Der Leutnant war nicht zu sehen und der Chef ist beim Bataillonskommandeur zur Besprechung.“

      Der Kanonendonner kam immer näher. Die Amerikaner waren bis auf wenige Kilometer herangekommen und griffen in voller Breite unsere Stellungen an. Jeder versuchte, sich durchzuschlagen.

      Die einzelnen Maschinengewehrsalven waren deutlich zu hören.

      Wir zogen uns in die Stellungen zurück, die wir in den langen Ruhepausen vorbereitet hatten. Nun sollten sie ihre Feuertaufe erhalten. Jetzt sollten sie den schweren Artillerie-Granaten standhalten.

      Vor uns lag eine Batterie mit schwerem Geschütz. Sie feuerten ununterbrochen, aber auch das half nichts. Die Front kam in Bewegung. Sie wurde durchbrochen.

      Um 22.00 Uhr erhielten wir den Befehl, die Schützenlöcher zu verlassen, noch ehe wir in der zweiten Linie den Feind überhaupt richtig zu Gesicht bekommen hatten.

      Fischer, Brandner und ich bildeten eine Gruppe mit einigen Neuen, die wir am Po ausgebildet hatten. Leutnant Köngeter führte den Zug an, Richtung Norden.

      „Wir marschieren Richtung Bozen“, gab der