Elke Boretzki

Der Tote unterm Weihnachtsbaum


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für mich wäre Heiligabend, hätte ich keinen Dienst. Doch so ist er für uns unwichtig.“

      „Jawohl!“ Kirschkern fiel nichts mehr ein, was er noch hätte sagen können, um Höflich zu besänftigen. „Wie schon gesagt“, meinte er nur, „die Kollegen sind mit allem fertig.“

      „Nun, ich bin aber noch nicht fertig. Wie kam es eigentlich zu dieser kleinen Weihnachtsfeier?“

      „Oh, die Dame des Hauses, Frau Maus, hatte angeboten, wegen der Kälte und … wegen des … nahen Feierabends, einen Punsch aus dem Rotweinbestand des Verstorbenen zu spendieren. Ich habe es erlaubt.“ Kommissar Höflich horchte auf. „Frau Maus? Sie meinen diese kaltherzige Dame? Das Eheweib des Verstorbenen? Getrennt lebend, versteht sich!“

      „Ja. Sie ist eine wirkliche Dame. So schön und elegant und ganz und gar nicht kaltherzig. Wie kommen Sie eigentlich darauf?“

      „Und wie kommen Sie dazu, die Erlaubnis zu geben, hm?“

      „Warum nicht?!“ Kirschkern mochte diese Art von Verunsicherung ganz und gar nicht.

      „Weil diese schöne und elegante Dame, wie Sie sie nennen, den Mord begangen haben könnte. Was wäre, wenn sie mit dieser netten Beschäftigung gern fortfahren würde und etwas in den Wein getan hat. Den passenden Gesichtsausdruck dazu hatte sie jedenfalls.“

      Boshaft beobachtete Höflich seinen langjährigen Kollegen, wie dieser etwas blasser wurde. Dabei schnupperte er unsinnigerweise an seinem Punsch. Schließlich hatte er bereits davon getrunken.

      „Wie …! Meinen Sie? Ach hören Sie doch auf!“ Kirschkern war etwas aus dem Gleichgewicht geraten, wenn auch nur kurz.

      Lächelnd tat er es als Scherz ab, trank jedoch nichts mehr.

      Kommissar Höflich hatte sich wieder dem fröhlichen Lärm in der Küche zugewandt.

      Er seufzte. Was hätte sein großes Vorbild, Hercule Poirot, wohl getan. In Gedanken strich er sich über den Kopf.

      Was er am meisten fürchtete, war ein Autoritätsverlust, begleitet von diesem spöttischen Grinsen, welches er nach seinem peinlichen Sturz bei einigen Umstehenden meinte beobachtet zu haben. Ähnliche Ereignisse waren ihm nicht unbekannt.

      Er könnte natürlich versuchen, dieser Party ein sofortiges Ende zu setzen.

      Doch was wäre, wenn sie nicht auf ihn hörten? Welch eine unsäglich entwürdigende Situation! Und wenn sie es doch taten und murrend gingen? Diese unpassende Weihnachtsparty hätte zwar ein Ende gefunden. Doch er würde in jedem Fall als Spielverderber dastehen. Nein, das war nichts für ihn. Sollten sie doch Glühwein in sich hineinschütten und ihre Köpfe heißreden. Er hatte hier einen Job zu erledigen. „Hm.“ Ernst blickte er in die Runde, verschränkte die Hände hinter dem Rücken und wippte auf den Füßen hin und her.

      Dabei begegnete er dem Blick der Köchin. Leicht errötend lächelte sie ihm fast schuldbewusst zu. Dabei hob sie den Arm, als wollte sie ihm zuwinken, stoppte jedoch auf halber Höhe und ließ ihn dann sinken.

      Starr blickte er auf die Köchin, wie sie da so stand, üppig in ihrem blasslila Kleid. Seine Gedanken überschlugen sich. Sie war genau sein Typ. Wie schön wäre es … Er spürte, wie ihm ebenfalls die Röte in die Wangen schoss. Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem angedeuteten Lächeln. Aber nur kurz. Dienst war schließlich Dienst. Dann ging er mit strengem Blick auf seinen Assistenten zu, der noch immer in der Nähe von Anita Klingbeil mit seligem Grinsen am Fenster klebte.

      Ein herrischer Wink mit dem Finger und ein herausgeschleudertes „Kommen Sie mit!“, brachte Rosenkranz, mit einem Seitenblick auf seine Nachbarin, in Bewegung. Er folgte seinem Chef durch die Küche in die Halle. Dort trafen sie abermals auf Kirschkern, der gerade ein Telefonat beendet hatte.

      „Haben fix und fertig den Baum geschmückt und warten mit dem Essen auf mich“, sagte er freundlich mit einem Blick auf das Telefon in seiner Hand. „Denke, unsere Arbeit ist hier für heute getan.“

      „Ja. Ach Kirschkern, seien Sie so freundlich und beenden Sie das bunte Treiben in der Küche und schicken Sie die Bande von der Spurensicherung endlich nach Hause.“

      „Hatte ich ohnehin vor. Ihnen beiden noch ein frohes Fest.“ Damit verschwand er mit dem Mantel über dem Arm in der Küche.“

      „Und nun zu Ihnen!“ Rosenkranz zuckte zusammen.

      „Was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht, mit der Hauptverdächtigen auf so vertraulichem Fuß …! Lesen Sie doch mal die Dienstvorschriften, Sie Kriminalist Sie!“ Kommissar Höflich versuchte, seinem Ärger Herr zu werden.

      „Ich habe mich doch nur unterhalten“, verteidigte sich Rosenkranz. Hauptverdächtige also.

      „Glauben Sie etwa, sie interessiert sich für Sie!? Hm?“ Höflich beugte sich vor und belauerte seinen Assistenten. „Mitnichten!“, beantwortete er selbst seine Frage. „Machen Sie sich keine Hoffnungen.“

      „Warum nicht?“ Rosenkranz wurde dabei rot bis in die ebenfalls roten Haarwurzeln.

      „Weil die Dame als Hauptverdächtige nämlich arg in der Klemme steckt, und ihr daher jedes Interesse sowie jegliche Anteilnahme, und sei es auch nur von einem wie Ihnen Rosenkranz, sehr gelegen kommen muss.“ Höflich hatte die Maserung der Holztäfelung studiert und sah nun seinen immer noch überaus roten Assistenten an. Als er die Betroffenheit in dessen Blick sah, tat es ihm plötzlich Leid. Er räusperte sich: „Oder besser gerade von einem Polizisten wie Ihnen. Ehm ja. Nun, haben Sie sich um unseren nächsten Zeugen, den Gärtner gekümmert?“ Damit war er zum nächsten Tagesordnungspunkt übergegangen. Die Zeit drängte. Draußen wurde es bereits dunkel.

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