das sind eure Sprüche. Sagen wir es laut: Die Stadt ist zu langsam und bringt uns kein Glück.
Ede: Das könnte von mir sein.
Sprecher: Ich will der Stadt zurückgeben, was sie mir gegeben hat. Aber wer braucht mich?
Hacke: Genau. Wie die Faust aufs Auge.
Ede: Diese kalte Stadt. Weg aus diesem Nest. Morgen mach ich ganz die Mücke. (Die Trommeln dröhnen. Mit den Rufen Hoffnung, Hoffnung umtanzen die Akteure die leibhaftige Hoffnung. Lässig sucht im Gedränge Anita. Sie lehnt, vom Geschehen gebannt, schier in Edes Armen. Er erkennt sie und lässt überrascht die Flasche fallen) Sie ist es, Anita. Mir wird ganz heiß, heiß.
Anita: (Beiseite) Dieser Hoffnungsbaum fällt gleich auf mich nieder. Hoffnung, Hoffnung.
Ede: (Beiseite) Sie die Kalte, Schöne. Ein Nichts bin ich für sie, ein Narr für ihre Lust.
Anita: (Beiseite) Ede, ach, Ede.
Ede: (Beiseite) Eine Wut hab ich im Bauch. Gleich greif ich ihre Schenkel.
Anita: (Beiseite) Dieser Dummkopf. Dass er mir die Schlüpfer nicht zerreißt und Mama davon erfährt.
Ede: Anita! (Er drückt sie gegen die Wand und hält ihr den Mund zu) Ich bin ich ein Macho, ein Macho. Sei still!
Anita: (wehrt sich eine Weile) Ede … Ede …
Ede: Still, Anita, still. (Das Spiel, nun ein freudiger Tanz, verliert sich im Dunkel. Ein Fotograf blitzt. Die Trommeln verstummen. Licht geht an. Rufe aus der Menge:) Aha! – Allerhand! – Ein Skandal!
Lässig: Bube, hab ich dich! Mein Schwert! (Er streckt wie ein Mime die offene Hand vergebens nach hinten aus) Er hat sie überfallen, ein Sexualtäter. Haltet ihn! Lasst ihn nicht entkommen. Polizei! Polizei!
Hacke: Schnauze!
Boxer: Kratz die Kurve!
Lässig: Anita! Anita! (auf sie zu, aber sie flieht) Gehst du also wieder auf den Strich!
Ede: Dreckskerl! (Er stürzt sich auf ihn. Gerangel. Trillerpfeifen. Polizei. Die Truppe bringt Ede in Sicherheit. Die Pfiffe entfernen sich. Lässig wankt in seinen Salon)
13.
Ferner Trommelklang. Die halbmaskierten Akteure tanzen heran. Sie leeren den Hoffnungsbaum und verschwinden. Der Salon liegt im Dunkeln.
Ede: Allein auf der Welt, vom schlechten Gewissen geplagt. Da hat es mich erwischt. Immer wieder hat es mich. Rindvieh, du, Holzkopf, Flasche! (Er schaut die Flasche an, setzt sie an, wirft sie weg und geht an den Salon. Anita! Anita! (Er pocht, pocht wieder) Anita, Anita! (Geht zurück und legt sich resigniert auf die Bank)
Anita: (Sie hockt still im Salon und springt auf, weil Lässig Licht macht) Du hast ihn angezeigt.
Lässig: Hat er dich genötigt oder nicht?
Anita: Frage was du willst.
Lässig: Hat er oder nicht?
Anita: Was geht es dich an?
Lässig: Wenn das jemanden angeht, dann wohl zuerst mich.
Anita: Einen feuchten Kehricht geht dich das an. Nimm es zurück oder du siehst mich zum letzten Mal. Hast du verstanden?
Lässig: So einer und du, ein Arbeitsscheuer und ein Flittchen, wie schön ihr zusammenpasst.
Anita: Hast du mich verstanden oder nicht?
Lässig: Frage nur, frage. Und was ist mit meiner Frage? Hat er dich genötigt oder nicht? (zieht verschwitzt seine Jacke aus. Gegen ihr Schweigen) Keine Antwort ist auch eine Antwort. Und das vor der ganzen Stadt. Du mit ihm. Machst dir einen Spaß und mich zum Hahnrei. Pfundig, was? So hat er dich angefasst. So, so. Das kann ich auch. (wird handgreiflich, derb. Sie stößt ihn mit Mühe weg)
Anita: Du kennst nur dich, immer nur dich.
Lässig: Und du? Wen kennst du? Immer nur mich, wenn du was brauchst. Das, das und das. Deine Wünsche. Ich habe dir alles gegeben.
Anita: Ich etwa nicht? Mehr als du verdienst. Viel zu viel, habe ich manchmal gedacht. Das, was er eben nicht hat, doch jeder Mensch braucht. Aber das begreifst du wohl nie.
Lässig: Nicht begreifen? Das musst du mir sagen. Wie du wieder da hockst. Deine besten Sachen.
Anita: Meine? Deine besten Sachen, ja. (zieht den Rock aus)
Lässig: Und die Bluse, wegen ihm total verdreckt.
Anita: Das kam von der Wand. (zieht die Bluse aus)
Lässig: Anita! Anita! (versucht vergebens, sie zu halten)
Anita: (entkleidet sich im Halbdunkel und wirft ihm ihre Dessous zu) Meine, nein, entschuldige, alles deine besten Sachen, dein letztes Geschenk. (Nahe) Na, wie gefalle ich dir jetzt?
Lässig: (Gepresst) Anita
Anita: Dolfo, der kluge, nie zu schlagende Dolfo in Hemdsärmel, ganz ohne Nadelstreifen. Der immer feine Herr Lässig, seine arrogante Erhabenheit, seine berechnende Unberechenbarkeit. Woher hat er sie wohl? Und jetzt, wo ist sie hin? (Sie knöpft ihm den Kragen auf) Du schwitzt, Dolfo. Wovor hast du Angst? Deine schönen treuen Hundeaugen, so könntest du mir direkt gefallen. (Er steht wie ein Pfahl. Sie wirft sich ein Cape über und geht wie sie gekommen ist, als Dirne. Die Jalousie fällt)
Ede: (Auf der Bank vom Geräusch aufgeschreckt, sieht er sie kommen und eilt auf sie zu) Ich hab auf dich gewartet.
Anita: Ich eigentlich auch. (Wirft das Cape ab) Da bin ich, Ede. Damit du weißt wie du dran bist. Du kannst mich haben. Jetzt gleich. Und ganz umsonst.
Ede: (Hängt ihr das Cape wieder über, bewegt) Dass mir so was passiert, immer mir, so einem Trottel! Meine Exfrau …
Anita: Sie? Ich hab es mir gedacht.
Ede: Sie schubsen dich umher. Sie betrügen oder prellen dich, wo du hinguckst, so sagte sie, als sie wegging. Spuck sie an. zahle es ihnen zurück. Aber das kannst du nicht. War schon halb draußen, da schleppte sie, Rotz und Wasser heulend, den Jungen noch mal her und zeigte mit den Fingern auf mich. Schau ihn dir an. Das ist dein Papa. Schau richtig hin. Der lernt es nie. So groß wie er ist, so dumm ist er auch, weil er sich alles gefallen lässt.
Anita: Nimm es, wie es ist, Ede. Ich ja auch. Wie bin ich da nur reingeraten? Soll ich dir erzählen?
Ede: Nein, nein. Bestimmt nicht.
Anita: (Fasst nach seinem Arm) Das erste Mal, das schlimme erste Mal, Ede.
Ede: Ich kann es mir vorstellen. Nein, nein. Und doch. Die Frauen, Anita, euch hat es am Ärgsten getroffen auch hier in der Stadt.
Anita: Wohin gehen wir?
Ede: Ich weiß nicht. Anita Ich weiß es auch nicht. (Sie kriechen auf der Bank unterm Cape zusammen)
14.
Licht flammt auf. Der Salon ist taghell erleuchtet Lässig hantiert müde und verdrossen in seinem Schreibsessel. Er vernichtet Unterlagen und schreibt.
Lässig: Mein Testament … Ja, so … Ja … Ja … Ja… Der auch, doch … selbstverständlich … Nein, sie nicht … Keiner. Soll das Zeug vergammeln. (Schlägt resigniert die Mappe zu und greift zur Pistole) Diese schnöde Welt. Ich hab sie mir besser vorgestellt. (Er legt sie an die Schläfe, drückt pathetisch ab und sinkt vom Sessel, obgleich es nur klickt. Er kraucht wieder hoch, schaut in das leere Magazin und wirft sie weg. Er bekommt einen Strick zu fassen, will ihn um seinen Hals legen, stolpert aber über das lange Ende und fällt. Schließlich hockt er finster vor seinem Salon) Pleite, Pleite. Alles aus.
1.