Friedrich Schröder

Energiewende


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angehäuften Probleme zu urteilen, ist die Energiewende offensichtlich missglückt.

      Kraftwerke und Netze und ihre Automatisierung waren bis zur Liberalisierung organisch gewachsen. Rechnergesteuerte Netzsteuerungssysteme unterstützten die sichere Stromversorgung. Was ist daraus geworden? Was hat die Politik daraus gemacht? Wir müssen um die sichere Stromversorgung fürchten. Von Preiswürdigkeit des Stroms kann keine Rede mehr sein. Der Staat hat regulierend eingegriffen, legt die Netzdurchleitungsgebühren fest und hat den Verdrängungswettbewerb auf dem Strommarkt zum Vorteil der regenerativen Energien organisiert.

      Dann ist da noch der Wettlauf von kommunalen Politikern und Landbesitzern um die Zuweisung und Genehmigung von Standorten für Windmühlen. Dass diese Mühlen immer näher an Wohngebiete rücken, ist nicht nur ein optisches Ärgernis für deren Bewohner, sondern verursacht auch psychische Probleme. Hier muss die Politik die Schutzräume stärker ausweiten. Zu fragen ist, warum Naturschutzgebiete verschont werden und die Bürger nicht?

      Die Politik hat den deutschen Bürgern einiges zugemutet. Sie hat es nicht vermocht, der Öffentlichkeit die komplexen Zusammenhänge der Liberalisierung und der Energiewende zu vermitteln, offensichtlich, weil sie das selber nicht verstanden hat. Wie sollten für sie auch komplexe Sachzusammenhänge sichtbar werden, wenn sie selbst das Unterholz der Nebensachen düngten und sich so den Blick aufs Wesentliche versperrten. Als Ergebnis ihres Handelns müssen jetzt auf unsere Kosten Milliarden in den Ausbau der Stromnetze investiert werden. Und es gibt genug Stimmen, die Blackouts prognostizieren, da die Netze die Überproduktion an Windenergieleistung nicht mehr aufnehmen können. Die Überkapazitäten gefährden in hohem Maße die Netzstabilität und die Stromversorgungssicherheit nicht nur in Deutschland, sondern auch bei unseren europäischen Nachbarn.

       die Natur hat es vorgemacht

      Müssen wir uns eigentlich Gedanken darübermachen, wie der Strom in die Steckdose kommt? Dafür haben wir doch die Elektriker vor Ort, die Stadtwerke, die für die lokale Stromversorgung zuständig sind, die Regionalversorger, die Dörfer, Städte und das Umland mit Strom versorgen, die Netzbetreiber, die den Strom von den Kraftwerken zu den Verbrauchsschwerpunkten transportieren und schließlich die Kraftwerker, die dafür sorgen, dass die Generatoren zuverlässig Strom produzieren.

      Es gibt das geflügelte Wort unter Kollegen der Elektrizitätswirtschaft: Kraftwerke kommen und gehen, aber das Hochspannungsnetz bleibt bestehen. Das ist wohl wahr, denn bei Hochspannungsnetzen sind Standzeiten von über fünf Jahrzehnten nicht selten, während die technische Lebensdauer von Kraftwerken je nach Typ mit bis zu drei Jahrzehnten definiert ist.

      Freileitungen sind deshalb so beständig, weil sie mehr oder weniger in der Gegend herumstehen. Zwar bewegen sich die Leiterseile im Wind oder sie könnten etwa durch Eisregen zusätzlich belastet werden. Aber dafür sind sie ausgelegt. Trotzdem liegt auf den Leitungen das besondere Augenmerk ihrer Betreiber. Denn die Konstruktionen der Maste sind aus Stahl, die Leiterseile beweglich aufgehängt. Die Maste könnten rosten, die beweglichen Armaturen nutzen sich aufgrund von dynamischen Beanspruchungen ab. Deshalb werden die Gittermaste regelmäßig entrostet und mit Spezialfarbe konserviert und Armaturen bei Bedarf ausgetauscht.

      Wie ist unser Stromversorgungsnetz aufgebaut, wie funktioniert es und warum ist meine Stromversorgung so sicher? Eigentlich ist das von geringerem Interesse, weil der Strom ja da ist, wenn er gebraucht wird. Doch wir sollten mehr über das Stromnetz wissen, da es im Schwarzbuch neben Pumpspeicherkraftwerken die zentrale Rolle spielt.

      Das Stromversorgungsnetz, wie es unser Land überspannt, ist nicht zufällig so entstanden, sondern die Natur in Gestalt eines Spinnennetzes stand sicherlich Pate. Auf den Speichen einer radähnlichen Konstruktion webt die Spinne, in der Mitte enger und nach außen immer weiter werdend, die Hilfsspirale. Das Netz ist mit stärkeren Fäden, die sozusagen Spannseile sind, an Haltepunkten angeklebt. Ein Rahmenfaden fixiert die Speichen des Netzes zwischen den Spannseilen. Das Netz ist komplett. Das faszinierende an Spinnennetzen ist, das, egal an welcher Stelle man einen Faden durchtrennt, es funktionsfähig bleibt.

      So auch das Stromversorgungsnetz. In Deutschland wurde im Laufe vieler Jahrzehnte ein enges Maschennetz aus Höchst(380/​220 kV), Hoch- (110 kV), Mittel- (15 – 50 kV) und Niederspannungsnetzen (220/​380 V) dem Bedarf entsprechend ausgebaut. Die verschiedenen Spannungsebenen sind nötig, um unvermeidliche Übertragungsverluste auf ein Mindestmaß zu reduzieren. An den Höchstspannungsnetzen sind die großen Kraftwerke angeschlossen. Das sind sozusagen die Stromautobahnen, die auch mit den Netzen unserer europäischen Strompartner verbunden sind. In Umspannwerken wird die Spannung herabgesetzt, für die Großindustrie zumeist auf 220/​110 kV, für die Bahn und für regionale Umspannwerke auf 110 k V. In den regionalen Umspannwerken wird die Hochspannung in Mittelspannung mit zumeist 20 kV herabgesetzt. Auf dieser Spannungsebene werden kleinere Industrien, Gewerbe, Büro- oder Logistikzentren direkt beliefert. Jetzt kommen wir wieder zum Bild des Spinnennetzes, das in der Mitte enger geknüpft ist. Das sind die Niederspannungsnetze, an denen alle Endverbraucher angeschlossen sind.

      Es ist also unschwer zu erkennen, dass Stromversorgung praktisch vertikal von oben nach unten funktioniert. Danach sind auch die Netze und deren Belastungsfähigkeit ausgebaut. Bis 2000 konnte man das gestaffelte Netz und dessen Verfügbarkeit als ideal ansehen. Ein Feuerwehrmann würde sagen, aha, ich verstehe: Die Höchstspannungsleitungen sind die dicken A-Rohre (380/​220 kV), mit denen ich Löschwasser ansauge. Dann kommen mit geringerem Querschnitt die B-Rohre (110 kV) als Zubringer zu den Verteilern, an denen die im Querschnitt kleineren A-Rohre (bis 50 kV) der Löschtrupps angeschlossen sind. Außerdem gibt es die noch dünneren D-Rohre (380/​220V) mit dem Querschnitt von Gartenschläuchen.

      Warum schweife ich so ins Detail ab? Die Väter des EEG haben den Ausbau von Solar- und Windenergie dem freien Spiel der unternehmerischen und finanziellen Kräfte überlassen. Behörden wurden angewiesen, Vorranggebiete für ihren Ausbau festzulegen und alles zu genehmigen, was beantragt wurde. Natürlich wurden Solar- und Windkraftwerke nicht an das Höchstspannungsnetz, sondern planlos und ohne Netzausbau mit wachsender Zahl und Kapazität an die Mittelspannungsnetze (C-Rohre) angeschlossen. Je mehr Wind und Sonne, umso stärker steigt der Druck in den Leitungen. Regional können einige Kapazitäten solche aus konventionellen Anlagen ersetzen. Aber insbesondere in Norddeutschland ist die Überschussproduktion von Tausenden Windkraftwerken nicht unterzubringen und gefährdet auf diese Weise die Netzstabilität und damit die sichere Stromversorgung. Biblisch gesprochen wird versucht, ein Kamel durch ein Nadelöhr zu treiben.

      Unerschöpflich, umweltfreundlich, unbegrenzt – kostenlos und überbezahlt. Diese Eigenschaften ließen die Energie von Sonne, Wind und nachwachsenden Rohstoffen zu Wunschenergien werden. Und durch die Abkehr von der Kernenergie in Deutschland glaubte man, mit Sonne, Wind und Biomasse die Energiewende herbeizaubern zu können. Die Überzeugten lassen analytische Kritik kaum zu Wort kommen. Klimadeuter sagen Schreckliches voraus. Was man nicht hören will, hört man nicht. Grün angehauchte und interessensgelenkte Politiker von Kleinstkommunen bis zum Bund, Lodenlobbyisten, Wind- und Sonnenanbeter, sie alle glauben an ihre energetische Ideologie wie ein Rückenkranker an die Heilkraft von Tiger Balm.

      Ich bin davon überzeugt, dass Sonne, Wind und Bioenergie weltweit einen guten Beitrag zur Energieversorgung leisten können. Ob der bei uns eingeschlagene Weg der Königsweg zur Energiewende ist, darf bezweifelt werden. Welche Maßnahmen unserem Klima gut tun, darüber scheiden sich die Geister. Sonne und Wind sind mittlerweile akzeptiert, wenngleich ihre Verfügbarkeit nicht kalkulierbar ist. Ein Energiekonzept allein auf Wetterprognosen abzustellen hieße, auf Sand zu bauen.

      Die Weltbevölkerung wächst, aber das weiß doch jeder. Alle Menschen haben Hunger: nach Nahrung und Energie. Und hier tut sich ein Konflikt auf: Dürfen wir einerseits Nahrungsmittel wie Mais vernichten, um daraus Energie zu erzeugen? Fragt jemand sein Spiegelbild: Wenn ich mir jetzt die Haare föhne, verhungert dann gerade ein Kind? Wäre das vor diesem Hintergrund nicht widersinnig, an anderer Stelle Hungersnot und Elend auf dieser Erde zu beklagen?

      Energie ist Lebensqualität.