eine Herzklinik bei ihr meldete: Die Chance sei gekommen…
Später, viel später, als alles geschehen war, was Ärzte, Krankenpfleger und Schwestern in solchen Situationen tun können, kam große Dankbarkeit bei ihr auf. Und Frau Hoffmann sammelte ihre erschütternden Gefühle und Empfindungen in einem kleinen Gedichtband2. Da heißt es zum Beispiel:
»Wir können uns für unsere empfangenen Organe bei unseren Spendern nicht mehr persönlich bedanken. Daher unsere Bitte an Gott: Herr, du bist die Brücke zwischen uns; du begleitest uns, du kennst unsere Gedanken, auch die Aufrichtigkeit und Dankbarkeit, mit der wir ein solches Geschenk erhalten haben.«
In einem anderen Gedicht schreibt sie: »Mein unbekannter Spender, ich kenne dich nicht, aber der liebe Gott weiß, was du für mich bedeutest.«
Und auch das ist Lebenserfahrung – durch Krankheit, wenn die Autorin die Überzeugung vertritt, »dass Krankheiten Schlüssel sind, die uns gewisse Tore öffnen können. Denn ich glaube, es gibt gewisse Tore, die nur die Krankheit öffnen kann«.
Bischof Georg Moser sagte einmal: »Zur großen Liebe ist nur der Mensch fähig, der gelitten hat.« Und Rainer Maria Rilke meinte Gleiches, mit poetischen Worten: »Was weiß der, der nicht leidet.«
Ein Fest des Brückenschlagens
Der Jesuitenpater Josef Sudbrack nannte Allerseelen einmal ein Fest der Liebe und »ein Fest des Brückenschlagens über den Tod hinaus«.Viele von uns erspüren erst nach dem Tod eines unserer Lieben, wie schwer es uns getroffen hat, sie nicht mehr bei uns zu haben.
Warum kommt diese Erkenntnis so spät? Warum blieb uns vieles im Alltag unserer Lieben viel zu lange viel zu selbstverständlich – auch die Freundlichkeit derer, die uns plötzlich, von heute auf morgen, verlassen haben – ohne Abschied zu nehmen, ohne Vorwarnung, ohne jegliches Anzeichen eines nahenden, frühen Todes? Jetzt überfällt uns Weh und Schmerz – und Heimweh nach denen, die nicht mehr sind.
Ja, es gibt sie, diese Menschen, die still und leise leben; ohne Tam-Tam, ohne aufzufallen, ohne Schlagzeilen. Sie haben keine öffentlichen Ämter inne, erhalten keine Auszeichnungen, bekommen keine staatlichen oder städtischen Orden. Was sie tun, tun sie im Stillen. Aus Pflichterfüllung.
Und wenn sie gehen, wenn sie die Welt wieder verlassen, tun sie es gleichfalls leise und still – als gingen sie für ein Stündlein grade mal in den benachbarten Park; als wollten sie nur mal Luft schnappen.
Sie gehen – schließen die Tür hinter sich und kommen nie wieder. Jetzt, erst nach ihrem Tod merken wir, wie sehr wir sie bräuchten, wie teuer sie uns waren – und wie wenig Liebe und Aufmerksamkeit wir ihnen schenkten.
Alles zu spät? Viel zu spät? – In diesem Leben, ja! Aber wer an sie denkt, sich ihrer erinnert, für sie betet – wird sie auch weiterhin spüren: Ihre lautlose Anwesenheit. Ihre Treue. Ihre Güte…
Ein lustiges Seniorenpärchen
Kreuzfidel saßen die beiden am Steuer, unterhielten sich laut schäkernd und fuhren bei offenem Wagen nach Meinung eines Verkehrspolizisten viel zu schnell durch die Wiener Innenstadt. Daher stoppte er das fidele Pärchen. Die beiden taten alles andere als erschrocken. Sie ergriff denn auch gleich das Wort und lud den Beamten zu einer Rundfahrt ein: Das Wetter sei herrlich, und »Ihnen, Herr Wachtmeister, passiert nix; das garantiere ich Ihnen.«
Der Beamte blieb ernst. Ihm schien inzwischen das gar nicht mehr so junge Pärchen nicht nur etwas schnell gefahren zu sein, es hatte wahrscheinlich auch ein wenig zu tief ins Weinglas geguckt! Also galt es, zunächst mal den Führerschein zu überprüfen!
»Wessen Führerschein«, fragte sie eilig, gesprächig, wie sie war, »seinen oder meinen?« – Natürlich dessen, der gefahren sei, reagierte der Polizist leicht verärgert über die dumme Frage. Doch er wurde von der redseligen älteren Dame rasch aufgeklärt: Mal fahre er, mal sie, je nach Lage.
Als der Beamte sich den flotten Wagen des Seniorenpärchens etwas näher anschaute, stellte er fest: Der hatte auf beiden Seiten, rechts wie links, sowohl eine Kupplung als auch Gaspedal und Bremse. – »Warum denn das?«wollte er wissen. Sie: »Wissen’S, Herr Wachtmeister, des is wie in der Ehe: Damit jeder mal Gas geben und jeder, wenn nötig, auch mal bremsen kann!« Und beide lachten aus vollem Hals, sodass sogar die Passanten stehenblieben. Und der Polizist lachte fröhlich mit. Dann winkte er das Pärchen weiter und sagte: »Gelt, lassen’S sich bloß nimma beim Zu-schnell-Fahren erwischen! Nicht in der Innenstadt.« Winkte erneut dem lustigen Pärchen zu – und auch die Umstehenden winkten ihnen nach.
Als der Polizist abends diese Geschichte seiner Frau erzählte, meinte diese unter lautem Lachen: »Des musst allen Pärchen erzählen, die momentan im Krach miteinander leben…«
Serva ordinem et ordo te servabit
Diesen lateinischen Spruch hat uns Novizen3 in den 1950er Jahren Pater Augustin solange nahegelegt, bis wir auch seine mahnenden Worte richtig zu deuten wussten.
Es spricht vieles für diesen Leitspruch, aber mit den Jahren mag er auch abgedroschen und altfränkisch klingen, vor allem wenn hin und wieder flotte Sprüche dagegen ins Feld geführt werden, etwa die Aussage des Schweizer Autors Max Frisch: »Ordnung braucht nur, wer mit der Welt nicht eins ist.«
Natürlich gibt es auch jene, die jede Art von Ordnung als Zwang betrachten und jede Form gesellschaftlicher Etikette und Ordentlichkeit als Einmischung bzw. Beschränkung der persönlichen Freiheit verstehen und sie deswegen strikt ablehnen. Auch nur die geringste Anweisung wird ignoriert; so jede noch so vorsichtige Empfehlung und jeder als hilfreich gedachter Ratschlag von außen.
Was tun? Trotz allem an das Gute im Menschen glauben und nicht aufhören, gut auch zu denen hinzudenken, die einem nichts als Prügel zwischen die Beine werfen. Wenn später aus ihren Prügeln gar Felsbrocken werden, dann sollte man am besten heute noch damit beginnen, aus den Steinen Straßen, Gartenmauern und Brücken zu errichten…
Böses sollte man niemals mit Bösem vergelten oder bekämpfen wollen; Gutes allenfalls mit Gutem beantworten. Denn nur wer mit dem Herzen unterwegs ist, kann auch die Herzen erreichen.
Samstags wird die Insel gekehrt
In meiner Kindheit und Jugend war es üblich, am Samstagnachmittag die Dorfstraßen und den Hof zu kehren. Am Sonntag sollten die Dorfstraßen frei sein von Ackerschollen und Steinen; sonntags kleidete man sich festtäglich; sonntags ging man morgens zur Messe und am frühen Nachmittag in die Andacht. Schwere Arbeiten verrichtete man an Sonn- und Feiertagen nicht; nur das Viehfüttern und Viehbetreuen war erlaubt; selbstverständlich. Gelegentlich gab der Dorfpfarrer auch Sondererlaubnis, wenn zum Beispiel schlechtes Wetter drohte und das Heu oder die Getreideernte noch nicht eingefahren waren. Das passierte selten. Ansonsten wurde das Sonntagsgebot strikt eingehalten.
Damals betete man auch noch regelmäßig den Wettersegen. Und an den Bitttagen wurde durch die Fluren »gewallt« – mit Kreuz und Fahnen, häufig auch von der dörflichen Blaskapelle begleitet. Gemeinsam betete man um gutes Wetter und um Gottes Segen für eine gute Ernte.
Na gut, wir waren beim Straßen- und Hofkehren am Samstag. Damals, vor Jahrzehnten, als wir unsere Besen noch selber anfertigten. Unser Papa war überhaupt sehr geschickt beim Herstellen einfacher Werkzeuge. Neben Birkenbesen stellte er auch Holzrechen her, Weidenkörbe, Strohnäpfe, Hanf- und Sisalseile und dergleichen mehr.
Anfang der 1970er Jahre stieß ich auf eine ähnliche Sitte des wöchentlichen, öffentlichen Reinigens. Und zwar weit entfernt in der Südsee, genauer gesagt, auf den Siassí-Inseln, die Papua-Neuguinea vorgelagert sind. Dort wirken seit über fünfzig Jahren Mariannhiller Missionare. Sie waren es, die den seltenen Brauch einführten, wenigstens einmal pro Woche das Inselchen, etwa von der Größe eines Fußballfeldes, von den Schulkindern fegen zu lassen.
Das Kehren besorgen die Kanaken-Kinder mit ganz einfachen Palmwedeln. Wenn sie samstags